Die ARD stellt den „Tatort“ jetzt dreißig Tage lang in der Mediathek zur Verfügung. Sie könnte die Folgen noch länger zeigen – aber damit würde sie sich selbst Konkurrenz machen.

Stuttgart - Die Nachricht klingt, als habe die ARD ihren Zuschauern pünktlich zur Vorweihnachtszeit eine ganz besondere Freude machen wollen: Ab sofort stehen die „Tatort“-Krimis nicht wie bislang bloß sieben, sondern dreißig Tage lang in der Mediathek sowie auf der Internetseite tatort.de zum Abruf bereit; „um dem großen Publikumsinteresse auch im non-linearen Angebot Rechnung zu tragen“, wie es heißt. Die Maßnahme gilt nicht nur für Erstausstrahlungen, sondern auch für Wiederholungen.

 

Der Schritt ist aus mehreren Gründen interessant. Einerseits ist es natürlich schön, wenn die Zuschauer nun drei Wochen länger Zeit haben, einen verpassten Film nachzuholen. Andererseits fragt man sich, warum sich die ARD überhaupt zu der Maßnahme entschlossen hat. Der Senderverbund tut so, als sei der Erfolg des letzten Krimis aus Münster der ausschlaggebende Faktor gewesen: „Schwanensee“ hatte bei der ARD-Ausstrahlung 13,63 Millionen Zuschauer; das Online-Angebot ist weitere 500 000 mal wahrgenommen worden. Die Medienforschungsabteilungen von ARD und ZDF bestätigen allerdings regelmäßig, dass Sendungen in der Mediathek hauptsächlich in den ersten Tagen nach der TV-Ausstrahlung genutzt werden. Ob sie dann weitere drei Wochen verfügbar sind, wäre demnach wohl weitgehend unerheblich.

Bemerkenswert ist auch der Zeitpunkt der Aktion, denn es gibt keine neuen rechtlichen Rahmenbedingungen, die sie erst jetzt möglich gemacht hätten. Die ARD erklärt den Schritt zwar zu einem Teil ihrer „Multiplattformstrategie“, aber es wird kein Zufall sein, dass er gerade jetzt erfolgt ist: Seit einiger Zeit machen sich Medienpolitiker dafür stark, die Sieben-Tage-Regelung grundsätzlich abzuschaffen. Sie sieht vor, dass Fernseh- und Hörfunksendungen von ARD, ZDF und Deutschlandradio nur sieben Tage nach der Ausstrahlung Online zum Abruf zur Verfügung gestellt werden dürfen. Wollen die Sender davon abweichen, müssen sie ihren Aufsichtsgremien in aufwendigen Drei-Stufen-Tests nachweisen, dass es ein publizistisches Bedürfnis für längere Verweildauern gibt.

Selbst die Wiederholungen sind Quotengaranten

Der Medienrechtsexperte Oliver Castendyk, der bei der Allianz Deutscher Film- und Fernsehproduzenten die Sektion Entertainment leitet, bezeichnet die geplante Aufhebung dieser Regel jedoch als „politischen Scheinriesen“, denn nach geltendem Recht könnten die Sender auf Basis besagter Tests die meisten Produktionen schon jetzt weit über die sieben Tage hinaus zur Verfügung stellen: weil sich die Regelung ohnehin nur auf Lizenzware beziehe. Der Begriff umfasst all jene Sendungen, die die Sender nicht selbst herstellen oder bei einer Produktionsfirma in Auftrag geben. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um ausländische Spielfilme und Serien.

Für Eigen- und Auftragsproduktionen gebe es Telemedienkonzepte, die inzwischen längst sämtliche Drei-Stufen-Tests passiert hätten, sodass „Fernsehfilme, Serien und Reihen in der Regel mindestens sechs Monate auf Abruf verfügbar gemacht werden dürfen“. Die Verlängerung beim „Tatort“, betont Oliver Castendyk, „hat keine rechtlichen Gründe, denn rechtlich durfte die ARD dies schon lange.“

Tatsächlich wären für den „Tatort“ also weit mehr als nur die recht großzügig wirkenden vier Wochen Mediathekpräsenz möglich. Dass die ARD ihre rechtlichen Möglichkeiten bei weitem nicht ausschöpft, könnte mit dem besonderen Schutz des eigenen Fernsehprogramms zusammenhängen. Denn auch wenn die digitale Nutzung in einem Umfang wächst, der das Marktforschungsinstitut Goldmedia in Bezug auf audiovisuelle Abrufdienste von einem „Eldorado für die Augäpfel“ sprechen lässt: Das Fernsehen wird für ARD und ZDF auf absehbare Zeit oberste Priorität behalten, zumal die Messungen der Online-Nutzung nach wie vor noch ungenau sind.

Gerade in den dritten Programmen sind die regelmäßigen „Tatort“-Wiederholungen nämlich ein absolut zuverlässiger Quotenbringer, der durch eine quasi permanente Online-Präsenz der einzelnen Folgen womöglich gefährdet wäre. Die Mediatheken unterliegen übrigens denselben Jugendschutzbestimmungen wie die Fernsehprogramme – auch im Internet gibt es den „Tatort“ daher erst nach 20 Uhr.