Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Der Kenianer Issa Oyow, der seit vier Jahren als Programm-Manager für die Diakonie Katastrophenhilfe in Mogadischu arbeitet, tut sich als Afrikaner mit den widrigen Umständen etwas leichter. „Als somalisch-stämmiger Kenianer kann ich mich in der Stadt bewegen“, sagt der 34-Jährige. Dies trifft auch für lokale Nichtregierungsorganisationen wie DBG zu. Diese stünden nicht so im Fokus der Terroristen. „Es ist nur wichtig, sehr unauffällig zu bleiben“ – mit wenigen Fahrzeugen etwa. Auf Einkaufen oder längere Aufenthalte in der Innenstadt verzichtet er, um nicht per Zufall ein Opfer zu werden. Für jeden Ausgang benötigt er eine Genehmigung. So fühlt sich der Vater von drei Jungen und einer Tochter ein wenig wie im Gefängnis.

 

Die Familie erhofft für ihn auf Sicht eine risikoärmere Aufgabe. Sie wohnt in Garissa im Nordosten Kenias. Doch selbst dort ist das Leben nicht sicher vor dem Terror: Im April 2015 erstürmten Al-Shabaab-Dschihadisten die Universität von Garissa. Oyow hielt sich nicht weit entfernt in seinem Haus auf und rief Feldmann an. Der riet der Familie, das Haus zu verbarrikadieren, sich auf den Boden zu legen und auszuharren. Eine Cousine von Issa wurde auf dem Uni-Campus genauso ermordet wie fast 150 weitere Studenten.

Die Piraterie ist zurückgegangen

Im Lern-Camp, das der Konvoi zuerst ansteuert, werden einfache Qualifikationen vermittelt: der Umgang mit Elektrik, Tischlerhandwerk oder Mauern. 20 junge Männer, von denen drei stolz einen Bauarbeiterhelm aufgesetzt haben, sitzen vor einem mit Kabeln, Bohrern und Handwerkszeug überhäuften Tisch, hinter dem ein DBG-Trainer an der Tafel Glühbirnen zum Erleuchten bringt. Nebenan schleift eine Gruppe Halbwüchsiger mit Hingabe Holztüren ab. Es sind Burschen, die auf dem Land ihr Vieh verloren haben und wohl nie wieder in ihr altes Leben zurückkehren werden. Bisher sind sie abhängig von Tagelöhnerjobs und humanitärer Hilfe. „Wir bieten den jungen Männern Wettbewerbsvorteile auf der Suche nach lokalen Jobs“, sagt Feldmann.

Somalia hat zudem ein Riesenproblem mit Jugendlichen, die ihre letzte Chance in der Piraterie vor der somalischen Küste sehen. Zur Abhilfe braucht es Programme für 16- bis 21-Jährige wie dieses. Sie wirken: Das Freibeutertum am Horn von Afrika ist zurückgegangen, was nicht nur auf den Einsatz internationaler Kriegsschiffe zurückzuführen ist.

Die Lehrer sind selbst Vertriebene

Nach knapp zehn Minuten werden die Sicherheitsleute unruhig: „Wir müssen los“, ermahnen sie. Zweite Station ist eine provisorische Schule in großen Zelten. Sie werden von Lehrern, die selbst Vertriebene sind, in Eigenregie betrieben. Bezahlt werden sie von den Schülern mit Bildungsgutscheinen der Diakonie Katastrophenhilfe und ihrer Partnerorganisation. Die Voucher können sie dann in Bares umtauschen. Im Chor lesen die Schüler lauthals Zahlen und Buchstaben von der Tafel ab. Sie haben etwas, was in Somalia nur jedem vierten Kind vergönnt ist: Unterricht.

Yussuf zeigt die Route via Google Earth und informiert über nahe gelegene Krankenhäuser. Dann schwingen sich je vier Wachleute mit dunklen Sonnenbrillen auf der Nase und Kalaschnikows im Arm auf die zwei Pickups und geleiten den Minikonvoi durch die oft nicht asphaltierten, staubigen Straßen des Stadtzentrums. Mit Handzeichen ermahnen sie andere Fahrer und sorgen sie dafür, dass die vier Fahrzeuge nicht durch Staus gestoppt werden. Hinten drin liegen Schutzwesten.

Lokale Organisationen weniger im Fokus der Terroristen

Der Kenianer Issa Oyow, der seit vier Jahren als Programm-Manager für die Diakonie Katastrophenhilfe in Mogadischu arbeitet, tut sich als Afrikaner mit den widrigen Umständen etwas leichter. „Als somalisch-stämmiger Kenianer kann ich mich in der Stadt bewegen“, sagt der 34-Jährige. Dies trifft auch für lokale Nichtregierungsorganisationen wie DBG zu. Diese stünden nicht so im Fokus der Terroristen. „Es ist nur wichtig, sehr unauffällig zu bleiben“ – mit wenigen Fahrzeugen etwa. Auf Einkaufen oder längere Aufenthalte in der Innenstadt verzichtet er, um nicht per Zufall ein Opfer zu werden. Für jeden Ausgang benötigt er eine Genehmigung. So fühlt sich der Vater von drei Jungen und einer Tochter ein wenig wie im Gefängnis.

Die Familie erhofft für ihn auf Sicht eine risikoärmere Aufgabe. Sie wohnt in Garissa im Nordosten Kenias. Doch selbst dort ist das Leben nicht sicher vor dem Terror: Im April 2015 erstürmten Al-Shabaab-Dschihadisten die Universität von Garissa. Oyow hielt sich nicht weit entfernt in seinem Haus auf und rief Feldmann an. Der riet der Familie, das Haus zu verbarrikadieren, sich auf den Boden zu legen und auszuharren. Eine Cousine von Issa wurde auf dem Uni-Campus genauso ermordet wie fast 150 weitere Studenten.

Die Piraterie ist zurückgegangen

Im Lern-Camp, das der Konvoi zuerst ansteuert, werden einfache Qualifikationen vermittelt: der Umgang mit Elektrik, Tischlerhandwerk oder Mauern. 20 junge Männer, von denen drei stolz einen Bauarbeiterhelm aufgesetzt haben, sitzen vor einem mit Kabeln, Bohrern und Handwerkszeug überhäuften Tisch, hinter dem ein DBG-Trainer an der Tafel Glühbirnen zum Erleuchten bringt. Nebenan schleift eine Gruppe Halbwüchsiger mit Hingabe Holztüren ab. Es sind Burschen, die auf dem Land ihr Vieh verloren haben und wohl nie wieder in ihr altes Leben zurückkehren werden. Bisher sind sie abhängig von Tagelöhnerjobs und humanitärer Hilfe. „Wir bieten den jungen Männern Wettbewerbsvorteile auf der Suche nach lokalen Jobs“, sagt Feldmann.

Somalia hat zudem ein Riesenproblem mit Jugendlichen, die ihre letzte Chance in der Piraterie vor der somalischen Küste sehen. Zur Abhilfe braucht es Programme für 16- bis 21-Jährige wie dieses. Sie wirken: Das Freibeutertum am Horn von Afrika ist zurückgegangen, was nicht nur auf den Einsatz internationaler Kriegsschiffe zurückzuführen ist.

Die Lehrer sind selbst Vertriebene

Nach knapp zehn Minuten werden die Sicherheitsleute unruhig: „Wir müssen los“, ermahnen sie. Zweite Station ist eine provisorische Schule in großen Zelten. Sie werden von Lehrern, die selbst Vertriebene sind, in Eigenregie betrieben. Bezahlt werden sie von den Schülern mit Bildungsgutscheinen der Diakonie Katastrophenhilfe und ihrer Partnerorganisation. Die Voucher können sie dann in Bares umtauschen. Im Chor lesen die Schüler lauthals Zahlen und Buchstaben von der Tafel ab. Sie haben etwas, was in Somalia nur jedem vierten Kind vergönnt ist: Unterricht.

Drittes Projekt, bei Kilometer elf, ist ein neues Aufnahmelager für Frauen und Kinder, die auf der Flucht von Clankämpfen vor drei Tagen angekommen sind. Hier werden sie registriert, weil der Staat dies nicht vermag, und erhalten einen Zeltplatz zugewiesen. Es gibt Gutscheine für den täglichen Bedarf. Ihre Behausung müssen sich die meisten Flüchtlinge mit Baumstämmen, Ästen und Plastikplanen selbst zusammenstückeln. Wer Glück hat, ergattert Wellblech oder Holzlatten. So wächst die Hauptstadt permanent um riesige Flickenteppiche an. Rundherum hat der Wind Müll in die Sträucher getrieben.

Selbstverwaltungsstrukturen sollen das Vakuum füllen

Auch hier setzen die Hilfsorganisationen auf Selbstverwaltungsstrukturen durch Camp-Komitees. Sie sollen das Vakuum füllen, das in über 25 Jahren Bürgerkrieg entstanden ist. „Das ist kein Allheilmittel, ermöglicht aber ein Minimum an normalem Leben“, sagt Feldmann. Irgendwann sollen die Menschen sich selbst versorgen können. Hunderte Frauen unter bunten Kopftüchern sitzen mit Kleinkindern in der sengenden Sonne geduldig auf dem staubigen Boden – im Hintergrund stehen ein paar ältere Männer. Eine Frau teilt Reis aus einem Riesenbottich aus, vor ihr hat sich eine Schlange gebildet. Erneut bleibt für Gespräche keine Zeit. Die Sicherheitsleute wollen weiter: „Drei Minuten noch“, drängen sie zur Eile.

Somalia ist der klassische „failed state“, ein gescheiterter Staat – ohne demokratische Ordnung und behördliche Struktur. Die verfeindeten Clans liefern sich blutige Kämpfe um die letzten Ressourcen wie Wasser. Umso ärger trifft die Menschen die Dürre. Mittlerweile sind 6,7 Millionen – mehr als die Hälfte der Bevölkerung – auf humanitäre Hilfe angewiesen. Erst stirbt das Vieh, dann der Mensch, heißt es in Somalia. Es ist eine vergessene Katastrophe.

In Sichtweite wurde einst die „Landshut“ gestürmt

Umso wichtiger ist die internationale Unterstützung: Acht Projekte betreibt die Diakonie Katastrophenhilfe derzeit in Somalia. Dafür wurden seit Jahresbeginn sechs Millionen Euro – darunter drei Millionen vom Auswärtigen Amt – eingesetzt. 40 000 Euro investiert die Diakonie Katastrophenhilfe in ein größeres, noch sichereres Büro neben dem Peace Hotel. Somalia sei noch lange nicht über den Berg, sagt Martin Keßler. Die internationale Hilfe habe für den Moment eine weitere Hungersnot verhindert. „Wenn die Regenfälle im Herbst wieder ausbleiben, besteht die Gefahr einer erneuten Krise Ende des Jahres.“ Der Mann hat sich auf ein langes Bleiben eingerichtet: „Wir werden wahrscheinlich noch in zehn Jahren hier sein.“

Noch ein Blick vom Dach des Peace Hotels, der eine gute Sicht auf die Innenstadt bietet. Dort sind wenige Stunden sowie vier Tage zuvor weitere Autobombenanschläge mit einigen Toten verübt worden. Alltag in Mogadischu. Zu anderen Seite ist die Sicht frei auf die Küste und den Flughafen. Auf diesem Rollfeld erstürmten GSG9-Elitepolizisten vor 40 Jahren die Lufthansa-Maschine „Landshut“. Das Hotel ist somit nur Teil einer noch größeren Hochsicherheitsenklave – eine kleine Trutzburg inmitten einer gigantischen Festung. Ein Labyrinth von Sperren, in dem sich unter anderem die Vereinten Nationen verbarrikadiert haben und das von den Amisom-Friedenstruppen der Afrikanischen Union bewacht wird. Von den UN-Diplomaten heißt es, sie würden nach Somalia kommen, ohne den Flughafenbereich jemals zu verlassen.