Hätte der im längst nicht mehr gebräuchlichen Ultra-Panavision-Format gedrehte „The Hateful 8“ nur das bisher Verratene zu bieten, er wäre eine Liebeserklärung ans Kino von gestern. Aber Tarantino hat auch ein großes Thema, nämlich den Rassismus. Er macht also da weiter, wo „Django Unchained“ aufgehört hat. Tarantinos voriger Western spielte noch in Zeiten der Sklaverei. Der neue spielt nach dem Bürgerkrieg, nach der angeblichen Emanzipation der Schwarzen. Der Anhalter, der von der Postkutsche mitgenommen wird, hat dunkle Haut, und das verändert die ganze Geschichte.

 

Hass, Abscheu und Hohn

Samuel L. Jackson spielt diesen Marquis Warren, den die Gefangene in der Kutsche sofort als Nigger beschimpft. Warren ist nicht nur durch seine Hautfarbe eine Provokation, sondern durch das, was seine Haut bedeckt: eine Uniform. Marquis war Major in Lincolns Armee, hat weiße Südstaatler getötet, und nun, in seiner neuen Karriere als Kopfgeldjäger, trägt er einen Brief Lincolns in der Rocktasche.

Tarantino fragt also, wie es weitergeht nach der Sklavenbefreiung, ob und wie ein schwarzer Mann sich unter Weißen behaupten kann. Der Befund ist verheerend: Hass, Abscheu, Hohn erwarten Warren. Wenn er den Typen in der Poststation den Rücken zukehren würde, wäre er tot.

Tarantino und die Oscars

Dass in diesem Jahr die Wut über den latenten Rassismus bei der Oscar-Vergabe so hochkocht, dass die Academy Strukturreformen gelobt, verleiht „The Hateful 8“ zusätzliche Brisanz. Jacksons Porträt von Warren ist das gewichtigste Argument jener, die sich darüber empören, dass kein einziger afroamerikanischer Darsteller für die Oscars nominiert wurde. Aber Tarantino, und das hat vielleicht auch Jacksons Oscar-Chancen ruiniert, gleiten Thema und Film aus dem zunächst sicheren Zugriff.

Je länger die zwielichtigen Kerle und die vulgäre Frau beieinanderhocken, desto eher werden neue Ausbrüche zum bloßen Element eines Genrespiels. Der Schwarz-Weiß-Konflikt wird von der Spannung verdrängt, wie lange Tarantino die gegenseitige Auslöschung seines begrenzten Personals hinauszögern und doch immer wieder Action bieten kann.

Das Beieinandersein als angespanntes Lauern auf die erste falsche Bewegung des anderen, der Smalltalk unter Fremden als Aneinanderschaben von Flintsteinen, dem jederzeit ein Zündfunke entspringen könnte: mit seinem Gespür für markig abgedrehte Dialoge kann Tarantino traditionsreiche Westernmotive neu zur Wirkung bringen. Aber Tarantinos Klassikerzitate geraten seinem Erzählen nie in die Quere, sind Teil des Geschehens. So wie die Tatsache, dass Tarantino erstmals nicht mit Popsongs arbeitet, sondern einen Soundtrack von Altmeister Ennio Morricone komponieren ließ, der nicht protzig wirkt, sondern echte Klasse hat.

Dunkle Haut verändert alles

Hätte der im längst nicht mehr gebräuchlichen Ultra-Panavision-Format gedrehte „The Hateful 8“ nur das bisher Verratene zu bieten, er wäre eine Liebeserklärung ans Kino von gestern. Aber Tarantino hat auch ein großes Thema, nämlich den Rassismus. Er macht also da weiter, wo „Django Unchained“ aufgehört hat. Tarantinos voriger Western spielte noch in Zeiten der Sklaverei. Der neue spielt nach dem Bürgerkrieg, nach der angeblichen Emanzipation der Schwarzen. Der Anhalter, der von der Postkutsche mitgenommen wird, hat dunkle Haut, und das verändert die ganze Geschichte.

Hass, Abscheu und Hohn

Samuel L. Jackson spielt diesen Marquis Warren, den die Gefangene in der Kutsche sofort als Nigger beschimpft. Warren ist nicht nur durch seine Hautfarbe eine Provokation, sondern durch das, was seine Haut bedeckt: eine Uniform. Marquis war Major in Lincolns Armee, hat weiße Südstaatler getötet, und nun, in seiner neuen Karriere als Kopfgeldjäger, trägt er einen Brief Lincolns in der Rocktasche.

Tarantino fragt also, wie es weitergeht nach der Sklavenbefreiung, ob und wie ein schwarzer Mann sich unter Weißen behaupten kann. Der Befund ist verheerend: Hass, Abscheu, Hohn erwarten Warren. Wenn er den Typen in der Poststation den Rücken zukehren würde, wäre er tot.

Tarantino und die Oscars

Dass in diesem Jahr die Wut über den latenten Rassismus bei der Oscar-Vergabe so hochkocht, dass die Academy Strukturreformen gelobt, verleiht „The Hateful 8“ zusätzliche Brisanz. Jacksons Porträt von Warren ist das gewichtigste Argument jener, die sich darüber empören, dass kein einziger afroamerikanischer Darsteller für die Oscars nominiert wurde. Aber Tarantino, und das hat vielleicht auch Jacksons Oscar-Chancen ruiniert, gleiten Thema und Film aus dem zunächst sicheren Zugriff.

Je länger die zwielichtigen Kerle und die vulgäre Frau beieinanderhocken, desto eher werden neue Ausbrüche zum bloßen Element eines Genrespiels. Der Schwarz-Weiß-Konflikt wird von der Spannung verdrängt, wie lange Tarantino die gegenseitige Auslöschung seines begrenzten Personals hinauszögern und doch immer wieder Action bieten kann.

Symbole und Karikaturen

Tarantinos Drehbuchnöte führen zur allmählichen Veränderung der Figuren: aus starken Symbolen werden grelle, manchmal alberne Karikaturen. Auch Jackson hat dann ein paar Szenen, für deren Schrillheit er nichts kann, die aber – wohl auch in den Augen des Oscar-Wahlvolks – die großen Momente dieser Rolle ein wenig überlagern.

Trotzdem: wer Western mit ihren archaischen Bildern als Instrument zur Untersuchungen amerikanischer Ideale, Hoffnungen und Lügen zu schätzen weiß, wird auch mit vielen Szenen von „The Hateful 8“ etwas anzufangen wissen. Es geht halt mit Tarantinos achter Kinoerzählung – die Werbung zählt das fast drohend auf, denn nur zehn Filme will der Meister überhaupt drehen – wie mit mancher Kutschfahrt im Westen: Sie endet nicht ganz da, wo sie hinführen sollte.

The Hateful 8. USA 2015. Regie: Quentin Tarantino. Mit Samuel L. Jackson, Kurt Russell, Jennifer Jason Leigh, Bruce Dern. 169 Minuten. Ab 16 Jahren.