Lina Mahul ist 19 Jahre jung, stammt aus der israelischen Küstenstadt Akko und seit ihrem Sieg bei „The Voice“ auf gutem Weg, ein Star zu werden.

Jerusalem - Sie ist immer noch schüchtern. Nur auf der Bühne nicht. Sobald Lina Mahul singt, wächst sie über sich hinaus. Die 19-jährige Araberin aus der nördlichen Hafenstadt Akko hat eine wahrlich sensationelle Stimme, zart und melancholisch, aber auch klar und kraftvoll. Scheinbar schwerelos füllen ihre Töne den Raum, wenn sie engelsgleich Leonard Cohens „Hallelujah“ anstimmt und eine eigene, nahezu kitschfreie Interpretation abliefert. Mahul sagt, vor Auftritten sei sie auch nie besonders nervös. Sie genieße es, die Energie zwischen ihr und dem Publikum zu spüren. Doch auf der Straße erkannt zu werden, Autogramme und Interviews zu geben, das findet sie noch sehr gewöhnungs-bedürftig. „Ich möchte, dass mich die Leute in allererster Linie als Sängerin sehen und nicht als Person“, sagt sie.

 

Ganz leicht lässt sich das nicht trennen. Schließlich hat Lina Mahul kürzlich mit Abstand den Sieg im Sängerwettstreit „The Voice“ davon getragen, nach der Satiresendung „Eretz Nehederet“ die meistgesehene israelische Fernsehshow. Dass die Zuschauer eine arabische Christin zur „Stimme Israels“ gewählt haben, hat auch die Journalisten neugierig gemacht. Die wollen alles Mögliche wissen. Wer sie entdeckt hat und wie es sich anfühlt, der neue Nachwuchsstar zu sein. Mahul fasst sich ein Herz und erzählt, dass alles zufällig begann, als sie gerade 15 Jahre alt war. Ihre Klavierlehrerin meinte damals, sie solle es mal mit Vorsingen versuchen, und gab ihr ein paar Notenblätter mit. „Im Schulchor hatte ich schon vorher mitgemacht“, erzählt Lina Mahul, nur sei das ja „nichts Ernstes“ gewesen. Im Konservatorium vor kritisch gespitzten Ohren aufzutreten, das fühlte sich schon anders an. Doch die Gesangsausbilderin war beeindruckt und sagte nur: „Hey, du kannst ja wirklich singen!“

Alle Juroren drehten sich gleichzeitig nach ihr um

So reagierten auch die fünf israelischen Juroren, die allesamt selbst im Musikgeschäft sind und in den ersten Runden von „The Voice“ die Vorauswahl trafen. Das ursprünglich aus Holland stammende Konzept dieses Talentschuppens sieht vor, dass die Jury mit dem Rücken zu den Kandidaten sitzt, um diese nur zu hören und nicht zu sehen. Erst wenn sie eine Stimme überzeugt, wenden sie sich per Knopfdruck dem jeweiligen Sänger zu. Im Falle von Lina Mahul drehten sich alle Jurorensessel gleich nach den ersten Takten zu ihr um.

Den ersten Platz allerdings verdankt sie allein den Anrufen der Fernsehzuschauer. Die arabische Minderheit – die sozial oft diskriminierten zwanzig Prozent der israelischen Bevölkerung – war zwar besonders engagiert dabei. Aber auch unter jüdischen Israelis hat das Mädchen aus Akko, das es stimmlich sogar mit der schon legendären libanesischen Sängerin Fairuz aufnehmen kann, viele Fans. Eines der berühmten Fairuz-Lieder, „Feuilles Mortes“, trug Mahul in einer Ausscheidungsrunde vor. „Das ist die Musik, mit der ich aufgewachsen bin“, sagt sie. „Und ich will nichts von mir verleugnen.“ Der Erfolg gibt ihr Recht – für sie ein Beweis, „dass eine andere Beziehung zwischen Juden und Arabern möglich ist“.

Sie ist nicht der einzige arabische Publikumsliebling

Tatsächlich gab es schon öfter arabische Publikumslieblinge im israelischen Showbiz. 1999, als der Osloer Friedensprozess noch in aller Munde war, wurde Rana Raslan zur Miss Israel gekürt. Beim Kochwettbewerb „Masterchef“ schaffte es kürzlich, wie berichtet, sogar eine Muslima mit Kopftuch ins Finale. Dazu erlangten junge Araber in diversen israelischen Staffeln von „Big Brother“ kurzlebige Popularität. Aber von Lina Mahul alias „the Voice of Israel“ wird man hoffentlich noch lange hören. Den Vertrag über ein eigenes Songalbum hat sie bereits in der Tasche. Ihre Pläne, Biologie und Medizin zu studieren, liegen erst einmal auf Eis. „Ich will lieber singen“, sagt sie. Dafür sind ihre Fans auch.