Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Einen solchen kriegt es auch nicht serviert. Und damit zurück zum Anfang dieses Artikels und Roger Daltrey, dem einen der beiden verbliebene Bandgründer. Dem es als Musiker selbstverständlich weder peinlich sein muss noch peinlich ist, die Zeile „I hope I die before I get old“ zu singen. Auch „My Generation“ kommt in der Schleyerhalle nicht so bollernd daher, wie man es auch schon gehört hat. Gleichwohl deutet Daltrey schon in diesem Stück an, wie spürbar gerne er noch immer auf der Bühne steht, wie viel Spaß es ihm bereitet, selig lächelnd in die Zuschauermassen zu blicken und bestens abgehangene Rockerposen zu zelebrieren. Kongenial ergänzt er sich, da spielt auch, nun ja, eine gewisse Routine herein, mit dem Vierten im Ursprungsbunde, Pete Townshend. Der lässt noch immer windmühlengleich den Schlagarm über die Gitarrensaiten rotieren, der gönnt sich noch immer die ausufernden Soli, und der gibt sich ebenso leutselig wie sein einstiger Schulkamerad Daltrey, mit dem er seit 1959 musiziert.

 

Daltrey und Townshend sind gut in Form

Unglaublich, fast schon mythisch, weshalb man auf dem Weg zur Halle auch noch felsenfest der Beteuerung Glauben schenken wollte, dass es sich bei dieser üppig dimensionierten Tournee um ein – so Daltrey im Vorfeld – „Long Goodbye“ handele, sprich: die letzte Gelegenheit, diese Band noch einmal live zu sehen. Nach dem Konzert, das recht arbeitnehmerunfreundlich erst nach neun Uhr beginnt, dafür aber gut über zwei Stunden währt, glaubt man das gar nicht mehr. So fit, so präsent, so souverän in ihrer Haltung wirken Townshend und Daltrey, dass man ihnen mühelos noch ein weiteres Stündchen zugetraut hätte.

Material dafür hätten sie schließlich genug gehabt. Die ersten Hits feuern sie gleich zum Auftakt heraus, „Who are you“, wie erwähnt „The Kids are alright“ und „My Generation“, bald darauf kommt, deutlich gebremster, „Behind Blue Eyes“. Dazu bieten sie Auszüge aus ihren beiden Rockopern, „5.15“ oder „I’m one“ aus Quadrophenia“, „Amazing Journey“, „Acid Queen“ sowie erst kurz vor dem Konzertende „Pinball Wizard“ aus „Tommy“. Alles Großhits. Auf ein paar andere Kracher wie etwa „I can’t explain“ verzichten sie sogar ganz, ebenso wie auf eine streng chronologische Dramaturgie bei dieser Tournee, die einfach nur das fünfzigjährige Bestehen einer großen Band gebührend und auch optisch schön in Szene gesetzt feiern will.

Ebenso schenken sie sich prätentiöses Gebaren. Stilsicher verzichtet die Band auf eine Zugabe, niemand hätte nach zwanzig Songs auch danach verlangt. Der letzte Song „Won’t get fooled again“ verklingt donnernd, der letzte Applaus für diesen feinen Rockmusikabend ertönt, gelassen und beseelt stellen Daltrey und Townshend erst anschließend die Band vor, um dann dezent ein letztes Mal ins Publikum zu winken. Wirklich ein letztes Mal? Hoffentlich nicht.