Stuttgart hat ein reiches Kulturleben. Doch viele Künstler sind arm dran.
Das ist nicht nur in Stuttgart so. Die Anfangsgage liegt bei Schauspielern bei rund 1650 Euro Brutto. Im Schnitt verdienen sie später 2500 Euro Brutto. Wir sind in Stuttgart durch die Zuschüsse so privilegiert, dass wir uns viele Theater und eine freie Szene leisten können.
Dafür sind die Lebenshaltungskosten hier – im Vergleich zu anderen Städten – sehr hoch.
An unserem Theater haben alle Nebenjobs – mich eingeschlossen. Sprechen, spielen, unterrichten, inszenieren – auch putzen. Unsere Tage sind eng getaktet, das Privatleben bleibt leider zu oft auf der Strecke.
Diese kurzfristigen Aufträge machen das Leben schwer planbar.
Schauspieler können vielleicht das nächste Jahr planen, weiter reicht ihre Sicherheit nicht. Als Schauspieler bist du ein Globetrotter. Die meisten arrangieren sich damit und machen irgendwo Abstriche.
Beschleicht Sie angesichts dieser finanziellen Situation manchmal ein naiver Zorn?
Ich halte es mit Max Frisch: „Nur nicht die Wut verlieren!“ Ärger ist für mich produktiv, ich artikuliere ihn auch, beispielsweise in den Vorworten unseres Programms. Man darf bei all dem bloß nicht über der Ungerechtigkeit der Welt verzweifeln.
Was macht Sie wütend, wenn Sie an Stuttgart denken?
Ich finde die Kräne in der Stadt schrecklich. Sie sind überall und an den ganzen Baustellen kommt man kaum mehr vorbei. Stuttgart hat nunmal diese Kessellage, aber Investoren und geneigte Politiker versuchen ständig, immer mehr aus ihr herauszuholen. Noch mehr Immobilien, noch mehr Kaufkraft.
Die Stuttgarter Innenstadt inszeniert sich als Einkaufswelt, die Kultureinrichtungen schauen auch immer stärker auf den Eventcharakter von Veranstaltungen. Beispielsweise bei langen Nächten.
Das finde ich – ehrlich gesagt, zum kotzen. Wir haben am Theater der Altstadt nicht die Mittel, um bei diesem Rummel mitzumachen. Wenn Events nur dazu dienen, um auf etwas aufmerksam zu machen, dann ist das für mich eine Energieverschwendung. Mir ist unsere Zeit dafür zu kostbar, ich möchte künstlerisch arbeiten.
Im Sommer hat sich das Freilichtheater zu einem großen Trend entwickelt, das klassisches Theater- und Eventpublikum anzieht.
Ich inszeniere selbst seit zehn Jahren mit sehr guten Amateuren am Naturtheater in Reutlingen. Aber auch viele Profis tummeln sich im Sommer im Freilichttheater. Das erschwert vielen Bühnen, Repertoire zu spielen, weil die Kollegen teilweise bereits ab Mai proben.
Wenn Sie an einem schönen Sommerabend in Stuttgart ausgehen, wohin zieht es sie dann?
Bis zum Beginn unserer Theaterferien zieht es mich nirgendwo hin. Tagsüber arbeite ich im Büro und abends stehe ich auf der Bühne. Ich habe viel zu selten die Gelegenheit, abends wegzugehen.
Und woraus schöpfen Sie dann Kraft?
Von meinem Büro aus schaue ich auf den Feuersee. Seit ein paar Monaten schwimmt dort ein einsamer Schwan. Diese Aussicht beflügelt mich: Der See und Lohengrin – irgendwann wird er hoffentlich auch seine Elsa finden.