Der syrische Schauspieler und Regisseur Fadi Al-Sabbagh lebt seit einem Jahr in Waiblingen. Am Freitag tritt er mit seinem Theaterstück „Jasmin“ im Kulturhaus Schwanen auf. Ein Abend über das Ankommen und Heimischwerden.

Waiblingen - Der Mann auf der Bühne seufzt. Auf seinen Schultern trägt er ein gewaltiges Kissen. Es ist fast so groß wie er selbst. Und wenn er seine Nase in dem weichen Stoff vergräbt, dann kommen sie wieder hoch, die vielen Erinnerungen an die Heimat Syrien: fröhliche Szenen, wie zum Beispiel eine wilde Kissenschlacht mit Bruder und Schwester, aber auch schlimme Erlebnisse aus dem Bürgerkrieg und von der Flucht nach Europa.

 

Der Mann, der da auf der Bühne des Kulturhauses Schwanen steht und für die Premiere seines Theaterstücks am Freitagabend probt, heißt Fadi Al-Sabbagh, lebt seit einem guten Jahr in Waiblingen und weiß, was es bedeutet, seine Heimat zu verlassen. Wie viele andere ist er mit seiner Frau und den zwei Kindern aus Syrien geflohen, hat Angehörige, Freunde, sein gewohntes Umfeld, die syrische Kultur und Lebensart zurückgelassen.

Erinnerung braucht Zeit

Nun ist er in Sicherheit, angekommen in Deutschland. „Das ist wie eine Wiedergeburt“, erklärt Fadi Al-Sabbagh, „man muss sich neu erfinden.“ Es ist eine schwere Geburt. „Man muss sich im neuen System zurechtfinden und gleichzeitig die Erinnerungen verarbeiten“, beschreibt Al-Sabbagh das Dilemma der Neuankömmlinge. Und so ist wohl die wichtigste Botschaft seines Theaterstücks „Jasmin“ jene, „dass Erinnerung Zeit braucht, damit man mit ihr leben kann. Man drückt nicht auf einen Knopf, und dann ist alles gut.“

In seinem ersten Leben hat Fadi Al-Sabbagh als Schauspieler und Regisseur gearbeitet – für das Fernsehen und im Theater. Er hat in Syrien, aber auch in Tunesien, Algerien oder Ägypten auf der Bühne gestanden – sein Repertoire reicht vom Drama bis zur Komödie. Wobei das Komödiantische ihm seit jeher besonders liege, sagt Al-Sabbagh. Als Regisseur hat er so manches Stück überarbeitet. „Jasmin“ aber ist sein erstes eigenes Theaterstück. Den Titel hat Al-Sabbagh gewählt, weil es in seiner Heimat viele Jasminsträucher gibt. Ihr betörender Duft bleibt im Gedächtnis haften, ist eine Erinnerung an daheim.

Er habe das Monodrama, in dem es trotz des ernsten Hintergrunds viele komödiantische Szenen gibt, seit etwa zwei Jahren im Kopf, sagt der 37-Jährige. Aufgeschrieben hat er es aber erst in diesem Juli, mit der Hilfe von Scarlett Lorenz, die im Stück die Regieassistenz führt. Lorenz, die in Deutschland geboren ist, einen „syrischen Hintergrund“ hat und fließend Arabisch spricht, ist für Fadi Al-Sabbagh eine wichtige Stütze gewesen. Sie hat ihm geholfen, sein Skript zu übersetzen. „Wir haben viel diskutiert über die Worte“, sagt Scarlett Lorenz und lacht. Schließlich wollten die beiden möglichst nah am Originaltext bleiben, andererseits sollte das Stück für das deutsche Publikum verständlich sein. Die deutsche Version des Theaterstücks hat Scarlett Lorenz für Fadi Al-Sabbagh ins Diktiergerät gesprochen, „damit er den Klang verinnerlicht“. So hat der 37-Jährige sein eigenes, etwa 40-minütiges Stück neu lernen müssen: „Das ist schwer.“

Der Schwanen als ein zweites Zuhause

Im Kulturhaus Schwanen sind Scarlett Lorenz, Fadi Al-Sabbagh und ihr Team seit August fast jeden Tag. „Das ist hier ein zweites Zuhause für uns geworden“, sagt Al-Sabbagh in Richtung des Kulturhausleiters Cornelius Wandersleb. Der hat dem Theatermann damals einfach den Schlüssel zum großen Saal mit der Bühne in die Hand gedrückt, damit er proben kann. „Im Sommer ist bei uns sowieso nicht viel los“, sagt Wandersleb, der überzeugt ist, dass es in der Stadt und im Landkreis noch so manchen anderen leer stehenden Raum gibt, der unbürokratisch für sinnvolle Projekte zur Verfügung gestellt werden könnte. Scarlett Lorenz und Fadi Al-Sabbagh hoffen, dass der Auftritt am Freitagabend erst der Anfang ist. Ihr größter Wunsch: mit „Jasmin“ auf Tournee gehen, in Deutschland oder ganz Europa. Denn schließlich soll das Stück bei den Zuschauern Verständnis für Flüchtlinge wecken und obendrein Spaß machen. Beides wird dringend gebraucht – in Deutschland wie in Europa.

Themenabend „Reise ins Leben“

Theaterstück
Am Freitag, 16. Oktober, spielt Fadi Al-Sabbagh sein Ein-Mann-Stück „Jasmin“ auf der Bühne des Saals im Waiblinger Kulturhaus Schwanen in der Winnender Straße 4. Die Vorstellung beginnt um 19 Uhr. Karten gibt es ausschließlich an der Abendkasse – zum Preis von fünf Euro.

Erlebnisberichte
Nach der Theatervorstellung berichten die aus Syrien stammenden Waiblinger Mohammed Alsheik und Hayyan Ellbrahim von ihrer Flucht aus dem Heimatland Syrien und der aktuellen Lage dort. Sie erklären auch, wie aus der friedlichen Revolution ein Bürgerkrieg wurde und in welcher Lage ihre Landleute vor Ort sind. Im Anschluss daran besteht die Möglichkeit zu Gesprächen.

Kontakt
Wer sich für Fadi Al-Sabbaghs Arbeit interessiert, findet Informationen unter www.facebook.com/jasmindasdrama.