In den Arbeiten des Theatermachers Milo Rau regiert der Terror – und die Kritik liebt ihn dafür. Der Schweizer zählt zu den angesagtesten Regisseuren Europas. Der StZ-Autor Daniel Hackbarth ist ihm begegnet.

Fanatismus, Rassismus, Völkermord: man kann nicht behaupten, Milo Rau bevorzuge leichte Stoffe. Der Schweizer hat in den vergangenen Jahren wie vielleicht kaum ein zweiter Theatermacher in Europa mit politischen Arbeiten Aufsehen erregt. Immer wieder thematisiert er auf der Bühne den Abgrund, der sich jenseits der befriedeten Sphäre auftut, die man gemeinhin als Zivilisation bezeichnet – so als wollte Rau daran erinnern, dass die Barbarei auch im 21. Jahrhundert weit davon entfernt ist, sich mit einem Platz in den Geschichtsbüchern zu begnügen.

 

„Ein Künstlerleben ist obsessiv gelenkt von sehr speziellen Themen. Bei mir ist es Gewalt“, hat Rau einmal gesagt. Seine Stücke und Lecture Performances erzählen von dem Genozid in Ruanda („Hate Radio“), von dem rechtsradikalen Massenmörder Anders Breivik („Breiviks Erklärung“) oder zuletzt von jungen Europäern, die sich in den Nahen Osten aufmachen, um dort für den „Islamischen Staat“ zu kämpfen („The Civil Wars“). Bezeichnenderweise heißt die von Rau gegründete Produktionsgesellschaft International Institute for Political Murder. Die halbdokumentarischen Reenactments, die Rau mit seinen Kollegen auf die Bühne bringt, wirken wie ein Abgesang auf die humanistischen Hoffnungen der Aufklärung.

Von depressiver Verstimmung keine Spur

Im Gespräch ist aber der Theatermacher weit davon entfernt, einen defätistischen Eindruck zu machen – auch wenn er ziemlich oft das Wort „Apokalypse“ in den Mund nimmt. Doch der 37-Jährige ist freundlich, seine kleinen Augen strahlen hinter den Brillengläsern hellwach – von depressiver Verstimmung keine Spur. Das steht indes nicht nur im Gegensatz zu dem Inhalt seiner Stücke, sondern auch zu seiner Gegenwartsanalyse: „Ich glaube, die Hoffnungen, die man auf die Postmoderne und die Bewegungen der Sechziger und Siebziger gesetzt hat, haben sich als völlig falsch erwiesen“, sagt er.

Klar, es sei schön, dass der Feminismus das Patriarchat weitgehend überwunden habe. „Aber man kann ja auch nicht sagen, dass das, was nach der Beseitigung des kleinbürgerlichen Haustyrannen gekommen ist, viel besser wäre.“ Der gegenwärtige Kapitalismus, mit seinem „irren Fortschrittsglauben“ und seiner „Glorifizierung männlichen Konkurrenzkampfes“, repräsentiere vielmehr das, was man hätte loswerden müssen. „Stattdessen hat man die Frauen in diesen Konkurrenzkampf einfach integriert.“