Es war ein Wagnis: ohne jeden Zuschuss einen alten Kahn flottzumachen und als Theaterschiff einzurichten. Aber Cordula Polsters Konzept hat sich bewährt: Die Komödien werden durch Gastronomie finanziert.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Wenn Cordula Polster ihr Theater voll bekommen will, muss sie eigentlich nur auf den richtigen Titel des Stückes achten. „Suche impotenten Mann fürs Leben“ war so ein Titel. „Das war jeden Abend ausverkauft“, erzählt sie. Mit „Gretchen 89.ff“ tun sich die Zuschauer schon schwerer, dabei ist das Stück von Lutz Hübner sicher das bessere. Aber Polster will nicht nur Stücke auf den Spielplan nehmen, die ein volles Haus garantieren, sondern „ein buntes Programm“ für ein breiteres Publikum anbieten.

 

Vor vier Jahren ist Cordula Polster mit dem Theaterschiff an den Start gegangen. Das Projekt ist in vielerlei Hinsicht besonders. Denn gespielt wird auf einem ehemaligen Transportschiff, der Frauenlob, die 1930 ihren Stapellauf hatte. Dort, wo früher Futtermittel gelagert wurden, ist nun eine Bühne mit 160 Plätzen und eine Bar mit weiteren achtzig Plätzen für musikalische Programme untergebracht. Ob es die alten Schiffsplanken sind oder die Bullaugen – auch im Inneren ist unverkennbar, dass man sich auf einem Schiff befindet. Wenn während der Vorstellung ein Motorboot oder ein größerer Kahn vorbeifährt, dann spürt man es auch, dass man auf dem Wasser ist. Dann beginnt die Frauenlob sanft zu schaukeln, und dann kommt es schon mal vor, dass die Scheinwerfer hüpfen. Den Zuschauern gefällt das, vor allem, wenn es während der Vorstellung geschieht.

Aber das Theaterschiff ist auch in seiner Struktur anders als andere Bühnen. Es hat im Hintergrund Gesellschafter, der Pachtvertrag wurde mit dem Wasserschifffahrtsamt geschlossen. Zehn Jahre darf die Frauenlob nun am Mühlgrün in Bad Cannstatt liegen. Öffentliche Gelder bekommt das Theater nicht, es finanziert sich durch Vermietungen. Geburtstagspartys, Betriebsfeste und Weihnachtsfeiern finden auf dem Schiff statt, und seit diesem Jahr kann auch geheiratet werden.

Die Chefin weiß, was ankommt

„Das Konzept geht sehr gut auf“, sagt Cordula Polster, die die Konstruktion des Betriebes genau richtig findet. „Wir wollen wirtschaftlich arbeiten“, sagt sie, wobei für sie klar ist: „Mein Herz gehört dem Theater.“ Cordula Polster ist von Haus aus Schauspielerin, inzwischen ist sie aber vor allem als Regisseurin tätig. Sie inszeniert immer häufiger selbst, weil sie als Chefin eben am ehesten weiß, was ankommt. „Wenn man subventioniert wird, kann man mal sagen, okay, das läuft jetzt eben nicht so gut“, meint sie, „aber ich kann nicht verantworten, dass eine Produktion nicht läuft.“

Sie setzt auf Boulevardkomödien und musikalische Produktionen. „Ich liebe Komödien“, sagt Polster, „das ist schon mein Steckenpferd.“ Komödien hält sie für „ehrliches Theater, da merkt man sofort, ob es funktioniert oder nicht“.

Im Theaterschiff scheint es zu funktionieren. Auch wenn sich Cordula Polster bedeckt hält und keine Zuschauerzahlen verraten will, ist sie mit dem Publikumsinteresse zufrieden. „Wir haben von Jahr zu Jahr immer größeren Zulauf.“ Die Besucher kommen weniger aus Bad Cannstatt, sondern aus dem Umland, aus Ludwigsburg, Esslingen, Reutlingen und Tü- bingen. Es schauen auch immer wieder Touristen vorbei, die durch Prospekte im Hotel auf das Theaterschiff aufmerksam geworden sind.

Viele Schauspieler kennt man von anderen Bühnen

Sechs neue Produktionen kommen pro Jahr heraus, gespielt wird im Sommer wie im Winter. Stücke, die gut laufen wie „Suche impotenten Mann fürs Leben“ nach dem Roman von Gaby Hauptmann, können wiederaufgenommen werden, weil Polster den Spielplan nur wenige Monate im Voraus plant.

Und künstlerisch? Viele Schauspielerinnen und Schauspieler des Theaterschiffs kennt man von anderen Stuttgarter Bühnen, vom Theaterhaus etwa, dem Studio-Theater oder dem Alten Schauspielhaus. Stefanie Stroebele ist von Anfang an mit dabei. Die Schauspielerin schreibt auch Komödien, jetzt haben sich Polster und sie zum ersten Mal gemeinsam an einen Stücktext gewagt, der im nächsten Jahr uraufgeführt werden soll. „Das lässt sich gut an“, sagt Cordula Polster.

„Ich bemühe mich, auch aktuelle Autoren ins Programm zu nehmen“, erklärt die Theaterkapitänin, experimentelle oder innovative Texte darf man da freilich nicht erwarten. Die Konkurrenz an Theatern ist groß in Stuttgart, und das Theaterschiff hat seine Nische gefunden: unterhaltsame Stücke in schönem Ambiente. „Das gehört dazu, dass man vorneweg oder danach noch etwas trinkt“, sagt Polster, „das Sonnendeck ist ein Anziehungspunkt.“ Sofern es nicht regnet.

Einmal gab es Hochwasser. Die Frauenlob stieg und stieg – und damit die Zuschauer unbeschadet von Bord gehen konnten, musste die Vorstellung in der Pause abgebrochen werden. Während die Besucher das Schiff verließen, blieb der Pianist am Klavier sitzen und spielte „Näher zu Gott“ – wie einst die Bordkapelle auf der Titanic.