Bei einem der größten Wohnbauvorhaben der Stadt – dem Projekt Wohnen im Theaterviertel am Pragsattel – rumort es gewaltig. Projektentwickler und Banken wehren sich gegen die Vorwürfe eines ehemaligen Grundstückseigentümers.

Stuttgart - Am Pragsattel sollen bis zu 350 Wohnungen entstehen. Doch der insolvente ehemalige Eigentümer eines Teils der Grundstücke erhebt schwere Vorwürfe. „Die Deutsche Bank hat die Firma Sabet und später über den gefügig gemachten Insolvenzverwalter auch die Sabet Grundstücksverwaltungs GmbH in die Insolvenz getrieben, um sich die Vermögenswerte des Mittelständlers unter den Nagel zu reißen“, sagt Hafez Sabet, der Sohn des Firmeneigentümers. Projektentwickler, Banken und Insolvenzverwalter weisen die Vorwürfe scharf zurück.

 

Die Familie Sabet galt einmal als weltgrößter Händler für Orientteppiche. Zwei Grundstücke am Pragsattel, rund 9200 Quadratmeter groß, waren in ihrem Besitz. Der Wert wurde in einem Gutachten von 2003 auf bis zu 38,25 Millionen Euro taxiert. Verkauft wurden die Flächen am 16. August 2013 jedoch für 6,7 Millionen Euro. Nun soll im kommenden Jahr an dieser Stelle das Theaterviertel mit bis zu 350 Wohnungen entstehen. Geschätzter Gewinn laut einer Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2007: 61 Millionen Euro.

Bislang erfolgloser Versuch, einen Sonder-Insolvenzverwalter einzusetzen

Die Flächen würden verschleudert, heißt es in den Schreiben des Sabet-Anwalts. Verantwortlich dafür ist nach dessen Meinung Steffen Beck – der Insolvenzverwalter über die Firmen der Familie. Beck soll den Wert der Flächen selbst auf 29,8 Millionen Euro geschätzt haben. Diese Summe geht aus mehreren Schreiben der Deutschen Bank an den Insolvenzverwalter hervor, die der Stuttgarter Zeitung vorliegen. Nun versucht Sabet, Beck ablösen zu lassen. Der bislang erfolglose Versuch, per Gerichtsbeschluss einen Sonder-Insolvenzverwalter einzusetzen, war Ausgangspunkt für die Recherchen der StZ.

Seit 1999 sollten die Grundstücke verkauft werden. Doch allein mit den Sabet-Flächen ließ sich wenig anfangen. Also hatte die Familie nach eigener Aussage Kontakt mit ihren Nachbarn aufgenommen – unter anderem mit der Stadt Stuttgart. „Auf allen Flächen zusammen sollte ein größeres Projekt entstehen“, sagt Sabet – heute das Theaterviertel, früher der Trump-Tower.

„Der Grund, dass die besseren Angebote, die uns über die Jahre gemacht wurden, nie zu einem Verkauf geführt haben, war die Blockadehaltung der Deutschen Bank“, sagt Sabet. Die Bank war einer der Gläubiger der Familie. Die Sabets hatten Schulden auf den Grundstücken – dabei handelt es sich um sogenannte Grundpfandrechte. „Das bedeutet, die Bank muss einem Verkauf zustimmen“, sagt Sabet und fügt an: „Das hat sie jedoch nie getan.“ Nach Aussage von Hafez Sabet waren die Angebote aus Sicht der Bank nie gut genug. Statt mit der Begleichung der Schulden in Höhe von rund 14,7 Millionen Euro zufrieden zu sein, sei die Bank immer auf den wesentlich höheren Gewinn beim Bau des Theaterviertels aus gewesen. „Und der Insolvenzverwalter hat sich vor den Karren der Bank spannen lassen“, behauptet Sabet.

Doch wie können die ursprünglichen Gläubiger vom Gewinn profitieren, der beim Bau des Theaterviertels gemacht werden soll? Die Antwort liegt nach Meinung von Hafez Sabet in der Organisation der neuen Eigentümer. Sein Anwalt behauptet, die Struktur der Firmen aufgeschlüsselt zu haben, die das Areal kauften. Den Zuschlag für 6,7 Millionen Euro erhielt die SKP Stuttgart Killesberg Projektentwicklung GmbH. Nach den Recherchen der Anwälte ist SKP in mehrere Firmen aufgesplittert. „Am Ende stehen die Banken, die zu Beginn der Geschichte die Gläubiger waren“, sagt Sabet. Das seien neben der Deutschen Bank die Landesbank Baden-Württemberg sowie die Privatbank Hauck und Aufhäuser. „Zum Teil sind unsere ehemaligen Kundenbetreuer die Geschäftsführer der Firmen, die ganz oben in der Hierarchie der Käufer stehen“, so Sabet.

Verwalter ist allen Pflichten nachgekommen

Auf Anfrage sagt Thomas Schulz, der Sprecher von Steffen Beck: „Es ist die gesetzliche Pflicht des Insolvenzverwalters, das bestmögliche Ergebnis für die Gläubiger zu erzielen.“ Zudem sollten die Grundstücke drei Mal mittels einer Zwangsversteigerung veräußert werden. „Der Abschluss vom 16. August 2013 war somit das beste erzielbare Angebot“, sagt der Sprecher. Und: „Herr Beck ist all seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen.“ Im Zuge des Insolvenzverfahren gab es zahlreiche Rechtsstreitigkeiten. Im Rahmen derer seien viele von Sabets Behauptungen aus den vergangenen Jahren mittlerweile gerichtlich zurückgewiesen worden, sagt Schulz.

Auch die Käufer verweisen auf die erfolglose Zwangsversteigerung. Die Preisfindung habe unter Berücksichtigung der Sachlage stattgefunden, heißt es in einer schriftlichen Antwort. Die in Gutachten genannten Summen hätten am Markt nicht erzielt werden können. Ein Ausblick auf die Rentabilität des geplanten Bauvorhabens sei noch nicht möglich. Heiko Trautmann, der Leiter des Bereichs Business Portfolio Development bei Hauck und Aufhäuser, sagt: „Es ist ein durchaus übliches Geschäft, dass Banken Objekte erwerben, die ihnen als Sicherheit dienen.“ Die mittelbare Beteiligung der Bank an der Projektgesellschaft bestätigt er. Die Landesbank bestreitet hingegen, an der Projektgesellschaft beteiligt zu sein. Die Deutsche Bank erklärt auf Anfrage, man könne sich nicht zu Kundenbeziehungen äußern. Auf Seite der Banken wird hinter vorgehaltener Hand aber darauf verwiesen, dass die Interessenten, die laut Sabet im Lauf der Jahre deutlich mehr als 6,7 Millionen Euro geboten hätten, wegen mangelnder Finanzkraft nie wirklich als Käufer der Grundstücke in Frage gekommen seien.

Das Ziel von Hafez Sabet ist es nun, den Kaufvertrag vom August 2013 für nichtig erklären zu lassen. Würden sich die Besitzverhältnisse am Pragsattel damit erneut verändern, wäre der von der Stadt für das kommende Jahr angekündigte Baustart des Theaterviertel jedoch kaum mehr zu halten.

Die Gründe für die Insolvenz

Firmen Im wesentlichen ist die Familie Sabet mit zwei Firmen aktiv. Das ist zum einen die
M. Sabet & Sons und zum
anderen die Sabet Grundstücksverwaltungs GmbH & Co. KG zur Betreuung der Grundstücke am Pragsattel.

Insolvenz Im Mai 2004 hat Huschmand Sabet, der Vater von Hafez Sabet und Besitzer der beiden Gesellschaften,
die Gründe für die Insolvenz in einem Zeitungsartikel erklärt. Er sprach von einem ruinösen Wettbewerb im Teppichhandel und von allgemeiner Kaufzurückhaltung. Doch auch der gescheiterte Verkauf der Flächen am Pragsattel wurde bereits damals genannt. Heute sagt Hafez Sabet: „Die Deutsche Bank hat die Firma Sabet und später über den gefügig gemachten Insolvenzverwalter Beck auch die Sabet Grundstücksverwaltungs GmbH in die Insolvenz getrieben, um sich die Vermögenswerte des Mittelständlers Sabet unter den Nagel zu reißen.“ Auf die Frage nach den Gründen für die Insolvenz der beiden Firmen verweisen Gläubiger und Insolvenzverwalter auf den nicht öffentlichen Charakter eines Insolvenzverfahrens.

Die strittigen Flächen direkt am Pragsattel