Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)


Was bedeutet das für hiesige Unternehmen?
Die deutsche Industrie muss aufholen und gleichzeitig die Entwicklung der nächsten Generation von Batterien und Batteriematerialien starten. Das bedingt große finanzielle Aufwendungen in einen immer noch recht unbekannten Zukunftsmarkt. Mittel- und langfristig hat die deutsche Wirtschaft jedoch eine gute Chance, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Ist die Industrie dafür richtig aufgestellt?
Ja – aber nur wenn es gelingt, die Kompetenzen, die wir ohne Zweifel haben, in der richtigen Art und Weise zu bündeln. Ein entscheidender Punkt ist dabei, dass Bildungseinrichtungen und Hochschulen neue Berufsbilder entwickeln. Zum zweiten müssen Maschinenbau und Fertigungstechnik von Anfang an integriert werden. Drittens müssen Autoindustrie, Zulieferer und deren Zulieferer an einem Strang ziehen. Im Rahmen der Nationalen Plattform Elektromobilität ist dazu ein Maßnahmenkatalog beschlossen worden. Den heißt es nun in den nächsten zwei bis drei Jahren konsequent in die Realität umzusetzen. Wichtig ist dabei der Beschluss, die gesamte Wertschöpfungskette in Deutschland zu entwickeln und zu etablieren. Dies gilt insbesondere für die Lithium-Ionen-Batterien, wo wir derzeit noch deutlich hinter unseren asiatischen Wettbewerbern zurückliegen. Ich bin mir jedoch sicher, dass wir das Ziel, Deutschland zum Leitmarkt und Leitanbieter bei Elektromobilität zu machen, erreichen werden.

Zusammen mit Daimler hat BASF ein eigenes Elektro-Konzeptfahrzeug präsentier t . . .
. . . wir haben gemeinsam den Smart Forvision entwickelt und auf der IAA im September letzten Jahres erstmals vorgestellt. In dem Fahrzeug gibt es insgesamt fünf technische Weltpremieren, darunter die erste großserientaugliche Vollkunststofffelge aus Polyamid, die pro Rad drei Kilo leichter ist als eine Alufelge. Hinzu kommen transparente organische Solarzellen und Leuchtdioden auf dem Dach sowie ein umfassender Ansatz zum Wärmemanagement, unter anderem eine neuartige Isolation der Karosserie mit Dämmstoffen.

Was bringt denn eine solche Wärmedämmung?
In einem Auto mit Verbrennungsmotor können Sie quasi kostenlos mit der Abwärme des Motors heizen. Im Elektroauto brauchen sie dazu Strom aus der Batterie, was wiederum die Reichweite verringert. Deshalb lohnt es sich hier, durch bessere Isolierung Heizenergie einzusparen. Das gleiche gilt für die Kühlung im Sommer. Wir bieten schon jetzt Infrarot-reflektierende Lacke die nicht nur der Optik und dem Schutz der Karosserie dienen, sondern auch der Aufheizung des Innenraums entgegenwirken. Dann müssen Sie die Klimaanlage, die ebenfalls Strom frisst, nicht so weit aufdrehen. Je breiter ein Unternehmen aufgestellt ist, desto besser kann es solche Systemlösungen anbieten.

Viele Länder subventionieren den Kauf von Elektroautos. Sollte Deutschland da folgen?
Staatliche Hilfen sind nur sinnvoll, wenn sie die Entwicklung wettbewerbsfähiger Produkte unterstützen. Kaufanreize für nicht-wettbewerbsfähige Produkte bringen auf Dauer nichts. Wenn etwas gefördert werden sollte, dann Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Elektromobilität.

Ihr Forschungsvorstand Andreas Kreimeyer hat gesagt, dass für wettbewerbsfähige Elektroautos die Leistung der Batterien verdoppelt und der Preis halbiert werden müsste. Bis wann könnte das gelingen?
Um das Jahr 2020, wenn die dritte Generation von Elektroautos auf den Markt kommen wird. Die Entwicklung der dafür nötigen Batterietechnik ist bereits voll im Gang. Entscheidend ist eine höhere Energiedichte. Mit der heutigen Lithium-Ionen-Technik und den heute eingesetzten Materialien ist allenfalls eine Leistungsverbesserung von 30 Prozent drin – wenn überhaupt. Ich denke aber, dass wir mit der nächsten Generation von Lithium-Ionen-Batterien mehr herausholen können – etwa über eine höhere Spannung von 4,7 Volt statt der heute üblichen 3,8 Volt.

Wie weit wird man dann mit einem Elektroauto kommen?
Heute liegt die Reichweite eines Batteriefahrzeugs bei 100 bis 150 Kilometern. Dieser Wert kann in den nächsten Jahren durch verbesserte und größere Akkus verdoppelt werden. Grundlagen hierfür sind neue Batteriematerialien mit höherem Energiegehalt und deutlich geringeren Kosten. Viele Autofahrer erwarten aber noch höhere Reichweiten. Dies wird jedoch mit aller Wahrscheinlichkeit nur durch neuartige Batterietypen wie Lithium-Luft- oder Lithium-Schwefel-Batterien möglich sein. Theoretisch könnte ein Elektroauto damit über 400 Kilometer weit fahren. Zuvor ist jedoch noch eine Vielzahl grundlegender technischer Probleme zu lösen – etwa was die Zahl der Ladezyklen angeht.

Wie viel setzen Sie aktuell in der Batterietechnik um und wie viel investieren Sie?
Der Umsatz mit Produkten für die Elektromobilität - vor allem in den Bereichen Leichtbau und Batterien - liegt mittlerweile im zweistelligen Millionenbereich. Die Investitionen in Forschung, Entwicklung und Produktion bei Batterien werden sich in den nächsten fünf Jahren auf einen dreistelligen Millionenbetrag belaufen. Wir nehmen zum Beispiel in diesem Jahr in Elyria im US-Bundesstaat Ohio eine mehr als 50 Millionen Dollar teure Produktionsanlage für neue Kathodenmaterialien in Betrieb, die in der nächsten Generation von Lithium-Ionen-Batterien eingesetzt werden. In Ulm beteiligen wir uns im Rahmen des Kompetenznetzwerks Lithium-Ionen-Batterien am Bau einer Pilotanlage für die Herstellung von Batteriezellen, gefördert vom Bund und Land Baden-Württemberg.

Kann die Chemie mit wachsender Bedeutung der Elektromobilität einen größeren Teil der automobilen Wertschöpfung an sich ziehen ?
Der Anteil der Chemie wird massiv zunehmen. Über den Zeitraum lässt sich streiten – das hängt davon ab, wie schnell sich Elektroautos ausbreiten werden - aber ich bin sicher, dass allein die Elektromobilität in wenigen Jahren ein 20-Milliarden-Euro-Markt für unsere Branche werden wird.

Daimler setzt bei der Elektromobilität nicht nur auf Batterien, sondern auch auf die Brennstoffzelle – eine sinnvolle Strategie?
Die Herausforderung bei der Brennstoffzelle ist der Treibstoff Wasserstoff, bei dem noch viele Fragen offen sind: Wie kann er im großen Maßstab produziert werden, wie wird er gespeichert und transportiert, wer kümmert sich um die Infrastruktur? BASF engagiert sich hier bei der Erzeugung und Speicherung von Wasserstoff sowie bei Katalysatoren für Brennstoffzellenfahrzeuge.

Es gibt sehr unterschiedliche Prognosen für die künftige Zahl von Elektroautos. Wie lautet Ihre Schätzung?
Wie viel Elektroautos sich im Markt befinden werden, hängt ab vom Verhalten der Verbraucher und den politischen Rahmenbedingungen – etwa davon, ob in Megastädten emissionsfreie Mobilität konsequent umgesetzt wird. Wir arbeiten in der BASF deshalb mit unterschiedlichen Szenarien. Was für uns entscheidend ist: Der Durchbruch der Elektromobilität kann nur gelingen, wenn die Batterien leistungsstärker und günstiger werden. Je besser und schneller wir auf diesem Feld sind, desto größer wird später auch der Markt sein.
Das Gespräch führte Werner Ludwig.