„A most wanted Man“ ist ein melancholischer Agententhriller von Anton Corbijn, der den Hollywood-Star Philip Seymour Hoffman in seiner letzten großen Kinorolle zeigt. Mit dabei auch ein großes Aufgebot von prominenten deutschen Schauspielern.

Stuttgart - Gleich vorweg: „A most wanted Man“ von Anton Corbijn ist ein schwermütiges Filmerlebnis. Und das nicht nur, weil der Hauptcharakter Günther Bachmann ein schwermütiger, einsamer Mann ist, sondern weil wir Philip Seymour Hoffman hier zum letzten Mal in einer Hauptrolle im Kino sehen. Im November wird er noch einmal in einer Nebenrolle in „Die Tribute von Panem“ auf die Leinwand kommen. Hoffman starb im vergangenen Februar an einer Überdosis Heroin. Mit dem Wissen um das traurige Ende des Schauspielers, der fast immer elegische Männerrollen spielte, sieht man „A most wanted Man“ mit anderen Augen.

 

Bachmann (Hoffman) leitet eine halboffizielle deutsche Geheimdiensteinheit in Hamburg, die potenzielle Terroristen überwacht. Als der junge Muslim Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin), Sohn einer Tschetschenin und eines Russen, in der Stadt auftaucht, werden der deutsche wie auch der US-Geheimdienst nervös. Denn Karpov, der in russischen und türkischen Gefängnissen gefoltert wurde, nimmt Kontakt zur islamischen Gemeinde auf und versucht an das Vermögen seines verstorbenen Vaters zu kommen, das in einer Hamburger Bank lagert. Bachmann will den Verdächtigen für seine Zwecke einspannen.

Issa Karpov soll als Lockvogel mit dem muslimischen Gelehrten Dr. Abdullah in Kontakt treten, der wiederum im Verdacht steht, Spendengelder für ausländische Hilfsorganisationen an Terrorzellen weiterzugeben. Die CIA-Agentin Martha Sullivan (Robin Wright) will Karpov als potenziell gefährlichen Dschihadisten möglichst schnell aus dem Verkehr ziehen und kommt Bachmanns Team in die Quere.

John le Carré hat die Romanvorlage geliefert

Corbijns Film über rivalisierende Geheimdienste basiert auf dem Roman „Marionetten“ von John le Carré und funktioniert nach den Regeln des klassischen Agententhrillers. Bachmanns Spezialeinheit operiert in einer Grauzone, seine Methoden sind innerhalb der deutschen Nachrichtendienstszene genauso umstritten wie bei der CIA. Die Beziehungen zwischen den Geheimdienstlern sind von Misstrauen geprägt. Anstatt an einem Strang zu ziehen, vertreten die einzelnen Agenten unterschiedliche Interessen.

Bachmann reibt sich zwischen den Gruppen auf, er versucht, das Richtige zu tun und integer zu bleiben. Die CIA-Agentin Sullivan ist Bachmanns Gegenpart, für sie sind moralische und juristische Werte wie die Unschuldsvermutung im Kampf gegen den Terror zweitrangig. Damit verhandelt „A most wanted Man“ ein brisantes Problem: Dürfen Geheimdienste und Staaten die Sicherheit über Menschenrechte stellen, um die Bürger vor möglichen Gefahren zu schützen? Als Ausgangspunkt für seinen Roman nahm Le Carré den Fall des Bremers Murat Kurnaz, der vier Jahre lang in Guantanamo inhaftiert war, dem später aber keine terroristischen Umtriebe nachgewiesen werden konnten.

Trotz der aktuellen Bezüge wirkt „A most wanted Man“ manchmal fast harmlos. 2013 führte Edward Snowden der Weltöffentlichkeit die wahren Ausmaße der NSA-Überwachung vor Augen, da waren die Dreharbeiten allerdings schon abgeschlossen. Die Grabenkämpfe der Agenten im Film wirken jedenfalls im Vergleich zur Realität wie von gestern. Positiv ist aber, dass Corbijn die Geschichte langsam entwickelt und auf Effekthascherei verzichtet. Seine Figuren scheinen sich manchmal wie in Trance aneinander vorbei zu bewegen, die zwischenmenschlichen Beziehungen bleiben unterkühlt. Das Privatleben von Günther Bachmann zum Beispiel ist leer und einsam, in einer Szene zeigt Corbijn den müden Geheimdienstler in seiner Junggesellenwohnung, rauchend und trinkend, nebenher läuft Blues-Musik. Mit seiner Kollegin Erna Frey, von Nina Hoss extrem zurückhaltend gespielt, versteht sich Bachmann ohne viele Worte. Obwohl eine Liebesbeziehung zwischen den beiden möglich erscheint, bleibt jeder für sich. Dienst ist Dienst.

Ein Faible für tragische Männergestalten

Die Inszenierung ruht auf den Qualitäten des internationalen Ensembles, das selbst für die kleinsten Nebenrollen prominente Gesichter aufbietet. Martin Wuttke glänzt in einer nur wenige Minuten langen Szene neben Philip Seymour Hoffman. Herbert Grönemeyer liefert den unaufdringlichen und beklemmenden Soundtrack und tritt auch als Darsteller in zwei kurzen Szenen auf. Rachel McAdams Darstellung der jungen Anwältin Annabel Richter bleibt hingegen blass und schematisch, ihr kommt der Part der etwas zu idealistischen Menschenrechtsaktivistin zu.

So stark das Ensemble insgesamt auch auftritt, Philip Seymour Hoffman bildet das Zentrum des Films. Anton Corbijn besitzt ein Faible für tragische Männergestalten, das hat er in seinen vorherigen Filmen „Control“(2007) und „The American“ (2010) bewiesen, die jeweils mit dem Tod des Protagonisten endeten. Bachmann ist am Ende zwar noch am Leben, aber innerlich gebrochen. Die Figur wird durchlässig für den Menschen dahinter.

A most wanted Man Großbritannien, USA, Deutschland 2014. Regie: Anton Corbijn. Mit Philip Seymour Hoffman, Nina Hoss, Daniel Brühl. 122 Minuten. Ab 6 Jahren. Ab Donnerstag im Delphi.