Der Verein Schutzbauten Stuttgart zeigt im Tiefbunker unter dem Wiener Platz an drei Sonntagen die Sonderausstellung „Not macht erfinderisch“.

Feuerbach - Zehn Jahre alt wird der Verein Schutzbauten Stuttgart heuer. Der runde Geburtstag wird mit einer Sonderausstellung gefeiert. „Not macht erfinderisch – Gebrauchgegenstände aus Kriegshinterlassenschaften“, so lautet dabei das Motto. Zum ersten Mal zu sehen sein werden die Exponate am kommenden Sonntag, 28. Februar, im Tiefbunker Feuerbach unterhalb des Bahnhofsvorplatzes.

 

„Keine Bombe!“, dieser Hinweis steht in großen roten Lettern auf einem anderthalb Meter langen hellblauen Behälter, der in Form und Größe tatsächlich an eine Fliegerbombe erinnert. Sein Inhalt war freilich weitaus weniger explosiv. Bei dem Behälter handelt es sich um den Zusatztank eines deutschen Bombers vom Typ Heinkel He 111 aus dem Zweiten Weltkrieg. Derartige Tanks wurden nach Gebrauch abgeworfen und konnten wieder verwendet werden. Wer einen fand, konnte ihn zurückbringen und erhielt dafür einen Finderlohn von zehn Reichsmark. Das ist an sich schon eine interessante Geschichte. Noch verblüffender wird die Historie des Exponats aus dem Feuerbacher Tiefbunker, wenn man sieht, dass jemand ein Stück aus dem Tank herausgesägt und ihn so zu einem Boot umfunktioniert hat.

Auch richtige Bomben dienten als Ausgangsbasis für dringend benötigte Dinge. Einen 250 Kilogramm schweren Blindgänger hat ein Mechaniker zu einem Ofen für seine Werkstatt in Korntal umgebaut. Der Ofen, so ist überliefert, soll extrem wenig Brennmaterial gebraucht und in kurzer Zeit mollige Wärme verbreitet haben. Im Dezember 1998 wurde er zum letzten Mal benutzt.

Nach dem Krieg fehlte es an allen ecken und Enden

„Heute ist kaum mehr bekannt, was die Leute alles aus Kriegsschrott gebaut und gebastelt haben“, sagt Rolf Zielfleisch, der Vorstandsvorsitzende des Vereins Schutzbauten Stuttgart. Was heutzutage für die Menschen selbstverständlich ist, fehlte in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg an allen Ecken und Enden. Die rund 200 Exponate der Sonderausstellung führen vor Augen, dass an nahezu allen Gegenständen des täglichen Gebrauchs Mangel herrschte. Dass Stahlhelme zu Kochtöpfen umfunktioniert wurden, ist naheliegend und sicher auch vielen Menschen heute noch bekannt. Wer aber weiss schon, dass Teile von Gasmasken zu Schöpflöffeln, Sieben, Lampen oder Schutzbrillen umgebaut worden sind. Und was den ausgebombten Deutschen in den Nachkriegsjahren als Keksdose oder Aufbewahrungskästchen gedient hat, war ursprünglich als Glas- oder Holzmine produziert worden. Beliebte Recyclinggegenstände waren auch alle Arten von Granathülsen. Aus den größeren bastelten findige Zeitgenossen Wärmflaschen, Kaffeekannen oder Becher, aus den kleineren ließen sich Feuerzeuge oder Schnapsgläser machen. Nicht nur Privatleute, auch viele Firmen machten aus der Not eine Tugend. Henkel beispielsweise füllte sein Scheuerpulver Ata in leere Gehäuse von Eierhandgranaten, Tereson nutzte Gasfiltergehäuse als Aufbewahrungsdosen für Klebstoff.

Besonders beliebt waren Säcke aller Art und Fahnen. Aus ihnen konnten Kleidungsstücke oder Tischdecken genäht werden. Aus einem ganz besonderen Stoff ist das wohl wertvollste Exponat der Ausstellung, ein weiß-blaues Ballkleid. Es besteht aus Fallschirmseide und wurde, zusammen mit anderen Gegenständen, dem Schutzbauten-Verein vom Haus der Geschichte zur Verfügung gestellt. Der Versicherungswert des Kleides beläuft sich auf stolze 2500 Euro. Wertvoll für die Menschen der Nachkriegszeit waren auch Schutt und Trümmer, die als Ausgangsmaterial für Ziegel und Backsteine dienten. Auch daran wird bei der Sonderausstellung erinnert.