Tobias Moretti steht zusammen mit Brigitte Hobmeier in Südtirol und München vor der Kamera: Für die ARD spielt er die Titelrolle in „Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit“.

Stuttgart -

 

Ganz oben auf der ausladenden Marmortreppe stehen sie, Arm in Arm auf dem Scheitelpunkt des Erfolgs: Reichspropagandaminister Joseph Goebbels in Nadelstreifen, Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl in Grau und, sie beide überragend, der ewige Naturbursche Luis Trenker. Er trägt an diesem Abend im Sommer 1934 einen hellen Wollanzug mit dezentem Karomuster und statt Krawatte ein elegantes Seidentuch. Soeben hat der Tiroler Alpinist, ehemalige olympische Bobfahrer und Filmemacher einen großen Triumph erlebt, die begeisterte Abnahme seines in den Dolomiten und New York angesiedelten Heimatfilms „Der verlorene Sohn“ durch Goebbels. Schon das Vorgängerwerk „Der Rebell“ von 1932 hatte wegen seines Männlichkeitskults die Führungsriege der NSDAP in Euphorie versetzt. Zwar lässt sie sich nichts anmerken, doch Trenkers ehemalige Geliebte Leni Riefenstahl, die zur Konkurrentin wurde, ist alarmiert: Sie befürchtet, Trenker könnte ihr die Regie des geplanten Olympia-Films streitig machen.

„Wir gehen gemeinsam in die Alphatier-Hybris hinein“, beschreibt Brigitte Hobmeier mit sichtlicher Lust am Machtkampf ihr Verhältnis zu Tobias Moretti. Ihm scheint der Part des „unglaublichen Dampfplauderers und Schwindlers“, so Moretti über seine Filmfigur, auf den Leib geschneidert zu sein. Dass er die Titelrolle in „Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit“ spielt, war für die Produzentin Annie Brunner von Roxyfilm ohnehin die Voraussetzung für das Projekt. 1937 kam es zum Eklat mit Joseph Goebbels, als Trenker in dem Film „Condottieri“ Hitlers Leibstandarte, die als Komparserie engagiert war, vor dem Papst auf die Knie fallen ließ. Er wurde inoffiziell kaltgestellt, zumal er zu lange zögerte, in der Südtirol-Frage für das Deutsche Reich zu optieren. 1940 trat er der Partei bei.

Pathologisch beseelt

Nach Stationen in Südtirol, darunter der Villa Salgart in Meran, dreht der für seinen schwarzen Humor berühmte österreichische Regisseur Wolfgang Murnberger („Komm, süßer Tod“, „Der Knochenmann“) an diesem Tag mit Brigitte Hobmeier, Arndt Schwering-Sohnrey als Goebbels und Tobias Moretti in der Münchner Musikhochschule. Der ehemalige, von Paul Ludwig Troost entworfene „Führerbau“ der NSDAP in der Nähe des Königsplatzes strotzt vor kalter Säulenpracht.

Offenbar bot Luis Trenker (1892-1990) seine Herkunft aus der Bergwelt den faschistischen Machthabern gegenüber eine Art Schutzschicht, so dass er ausgesprochen unbefangen auftrat. „Dieser Mensch war eine unglaublich schillernde, aber auch zerrissene Persönlichkeit, die auf vielen Hochzeiten gleichzeitig getanzt hat, mit einer pathologischen Beseeltheit für das Gute, das Positive“, urteilt Tobias Moretti über seinen Tiroler Landsmann, den er aus seiner Jugend als begnadeten Fernseherzähler kannte, sich aber damals nicht weiter mit ihm beschäftigte.

Nun hat er sich drei Jahre lang in Trenkers Leben und Werk vergraben: „Ich war bei der Arbeit am Buch so lange kritisch mit dem Drumherum beschäftigt, dass ich fast den Absprung verpasst hätte, um ihn zu mögen. Das war wirklich knapp.“ Doch dank Drehbuchautor Peter Probst, der ein neues Konzept entwickelte, kam für Moretti und die gesamte Koproduktion von BR und ORF die Wende: „Wir haben zum Glück in Venedig begonnen und sind in eine wunderbar abstrakte Erzählwelt gekommen, die Wolfgang Murnberger und sein Kameramann Peter von Haller so erzählen, als wäre das eher ein ‚Great Gatsby‘ als ein Alpenfilm. Und dadurch sind wir gleich in diese Traumwelt von Trenker hineingestolpert, in diesem halbkaputten Venedig, in dem der Hauch der Geschichte immer mitspielt. Und das war mein Absprung zu Luis Trenker, der mich bis heute nicht verlassen hat, worüber ich sehr glücklich bin.“

Die nackte Leni Riefenstahl

Mit der Wahrheit und den Urheberrechten nahm es Luis Trenker nie sehr genau, wie schon sein Entdecker Arnold Fanck („Berg des Schicksals“) erfahren musste. Einige Tage lang brachte Trenker Eva Braun das Skifahren bei, was ihn wohl dazu inspirierte, die Tagebücher der Hitler-Geliebten, die sie ihm angeblich in den letzten Kriegstagen anvertraut hatte, in „Schtonk“-Manier zu fälschen. Bei den Filmfestspielen in Venedig 1948 wollte er sie dem Hollywood-Agenten Paul Kohner zur Verfilmung anbieten. Da ahnte Trenker noch nicht, dass die Erben Eva Brauns vor dem Münchner Landgericht wegen der Fälschung gegen ihn prozessierten. Die Nebenklägerin Leni Riefenstahl fühlte sich durch die Behauptung verunglimpft, sie sei Hitlers Geliebte gewesen und habe für ihn nackt auf dem unteren Berghof getanzt, während Eva Braun im oberen Teil eingeschlossen gewesen sei. Der Prozess stellt die Rahmenhandlung dar, von der aus in die Karriere zweier entfesselter Opportunisten während des „Dritten Reichs“ zurückgeblendet wird. Die Lügengeschichte mit Riefenstahls Nackttanz habe Trenker übrigens auch noch verfilmen wollen, erzählt Tobias Moretti.

Im nächsten Jahr wird man ihn und das übrige hervorragende Ensemble auf dem „schmalen Grat der Wahrheit“ im Ersten balancieren sehen.