OB Fritz Kuhn überbringt dem Gemeinderat die Nachricht vom Tod seines Vor-Vorgängers Manfred Rommel. Die Nachricht löst eine Welle des Mitgefühls aus. In der Stadt wird Trauerbeflaggung angeordnet.

Stuttgart - Der Gemeinderat bereitete sich am Donnerstagnachmittag im Rathaus gerade auf seine Sitzung vor, da ereilte einen eintretenden Stadtrat nach dem anderen die Nachricht vom Tod des Alt-Oberbürgermeisters Manfred Rommel. Bärbel Mohrmann, Leiterin der Abteilung Empfänge und Ehrungen, versuchte gleichzeitig übers Handy Rommels Tochter Catherine zu instruieren und den Ersten Bürgermeister Michael Föll und Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle zu einer kurzen Besprechung in eine Ecke des Sitzungssaals zu lenken. Wölfle, auch Referent für die Krankenhäuser, hatte OB Fritz Kuhn (Grüne) von Rommels Ableben kurz nach 16 Uhr in Kenntnis gesetzt.

 

Gegen halb fünf betrat Fritz Kuhn im schwarzen Anzug den Saal und informierte das Gremium über den Tod Rommels: „Vor einer halben Stunde“ habe er die Nachricht vom Tod seines Vor-Vorgängers erhalten. Ein „großer OB, ein großer Ehrenbürger und ein ganz besonderer Bürger ist von uns gegangen“, sagte Kuhn in seiner kurzen Ansprache, in der er der Familie und insbesondere der Witwe Liselotte sein Mitgefühl und das des Gemeinderats aussprach. Fritz Kuhn erklärte, in so einem Moment könne man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und schloss die Gemeinderatssitzung.

Kuhn erinnerte an Rommels Einsatz für Weltoffenheit

Rommels Zustand hatte sich nach StZ-Informationen in den vergangenen Tagen rapide verschlechtert. Kurz nach 16 Uhr war der Alt-OB dann im Katharinenhospital verstorben. Bis zuletzt war seine Ehefrau bei ihm. Rommel hatte sich sehr gewünscht, noch einmal in sein Haus in Alt-Sillenbuch zurückkehren zu können. Ein Versuch war aber Ende vergangener Woche gescheitert. Der 84-Jährige war zu schwach, um transportiert zu werden.

Kuhns Sprecher Andreas Scharf sagte, am heutigen Freitag werde gemeinsam mit der Familie Rommel das weitere Prozedere geklärt. Die Trauerfeier, zu der Repräsentanten von Bund, Land, Partnerstädten und Institutionen sowie Verbänden erwartet werden, würde dann wohl am nächsten Mittwoch oder Donnerstag stattfinden. Es ist unwahrscheinlich, dass dafür die Stiftskirche ausreichende Kapazitäten hat. Vermutlich wird man das Kongresszentrum Liederhalle auswählen. Unklar ist auch noch, wo Rommel beerdigt wird. Der Friedhof am Wohnort Sillenbuch kommt wohl eher nicht in Frage. Rommels Vater, der von den Nazis in den Selbstmord getriebene Generalfeldmarschall Erwin Rommel, ist auf dem Friedhof des Blausteiner Teilorts Herrlingen bei Ulm beigesetzt.

Im Rathaus besprach sich Fritz Kuhn am Abend mit den Fraktionsvorsitzenden und der Rathausspitze und trat dann um 18.30 Uhr erneut vor die Medien und würdigte Rommel erneut als „enorm wichtigen Bürger“ und Staatsmann, der „von allen geschätzt und für seinen Humor auch von vielen geliebt wurde“. Kuhn erinnerte an Rommels Einsatz für Liberalität und Weltoffenheit, seine Klugheit und dialektischen Witz. Sein Name sei untrennbar mit dem Begriff „Stuttgarter Toleranz“ verbunden. In diesem Rahmen bezog der OB nun auch „die ganze Bürgerschaft“ in die Trauer um Manfred Rommel mit ein. Am Freitag werde man aber dennoch Veranstaltungen wie die Einweihung des Cannstatter Kursaals abhalten. Eine Absage wäre nicht in Rommels Sinne gewesen, meinte Andreas Scharf. Von Freitag an ist Trauerbeflaggung angeordnet.

Große Betroffenheit bei den Gemeinderatsfraktionen

Matthias Hahn (SPD) erinnerte sich kurz nach Kuhns Ansprache im Sitzungssaal an den langen Weg, den er gemeinsam mit Manfred Rommel gegangen war, erst als Fraktionsvorsitzender, dann als Bürgermeister: „Er hatte die Fähigkeit, aus allen Konflikten die Luft rauszuholen.“ Als sich einmal die Mitglieder im Ältestenrat lautstark beharkten, habe er lapidar darauf hingewiesen: „Wenn uns jetzt die Bürger sehen könnten. . .“, erinnert sich Hahn. „Daraufhin lagen wir lachend am Boden.“ Hahn durfte an der letzten USA-Reise Rommels teilnehmen. „Der OB hielt an einem Tag acht Reden. Und ich habe jedes Mal lachen müssen, weil er sie immer leicht verändert hatte.“ Auch Rommel hatte den guten Rat erhalten, sich nicht in einen „Brummkreisel“ zu verwandeln. Doch die Arbeit und die Verpflichtungen hätten auch ihn aufgefressen. Hahn erzählte von einer Opernaufführung mit einem zur Begrüßung winkenden Oberbürgermeister, der sich in der Dunkelheit davon geschlichen und in der Liederhalle eine Veranstaltung zu eröffnen – um zum Schlussapplaus wieder in der Loge zu sitzen. Unvergessen auch Rommels Auftritt bei der Verabschiedung des Theaterintendanten Claus Peymann: Über drei Stuhlreihen hinweg stieg er nach vorne auf die Bühne, weil er seine Nebensitzer nicht zwingen wollte aufzustehen. Betroffen zeigte sich auch Rolf Lehmann, der ehemalige SPD-Wirtschaftsbürgermeister, der zufällig im Rathaus war. Er hatte Rommel vor dessen Sturz gesprochen und rechnete seit geraumer Zeit mit dem Schlimmsten. Erst kürzlich habe er zufällig mitbekommen, dass der Onnen-Chor für den OB singen solle.

Mit großer Betroffenheit reagierten die Gemeinderatsfraktionen auf den Tod von Manfred Rommel. „Die Nachricht hat uns tief berührt“, sagten die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Silvia Fischer und Peter Pätzold. Als zweiter Oberbürgermeister der Nachkriegszeit habe er Stuttgart zunehmend als weltoffene und liberale Stadt positioniert, womit er sich von der eher konservativen Linie seiner Partei abgehoben habe. Mit seiner Ausländerpolitik, nach der die Stadt in ihren ausländischen Einwohnern einen voll zu integrierenden Teil ihrer Bevölkerung sah, habe er die Grundlage für eine in den folgenden Jahrzehnten beispielhafte Integrationspolitik gelegt. „Dafür hat er sich nicht nur bei den Grünen eine hohe Anerkennung erworben“, erklärten Fischer und Pätzold, die auch daran erinnerten, dass Rommel die ersten Grünen, die in den Rat eingezogen waren, für eine „vorübergehende Erscheinung“ gehalten hatte.

„Mit Manfred Rommel verliert Stuttgart einen Mann, der sich außerordentlich für die Stadt verdient gemacht hat, der mit Wortwitz manches schwere Thema gelockert hat und der ein Original war, welches weit über die Stadtgrenzen bekannt wurde“, heißt es in der Erklärung der grünen Gemeinderatsfraktion.

„Stuttgart verliert ein Markenzeichen“

Manfred Rommel galt nach Ansicht des CDU-Kreischefs Stefan Kaufmann und des Fraktionschefs Alexander Kotz „als einer der beliebtesten Kommunalpolitiker der CDU, der mit seinem politischen und persönlichen Engagement mit Leib und Seele für viele von uns ein Vorbild war – und bleibt. Seine Politik war immer tolerant und liberal, was sich vor allem auch in seiner Ausländerpolitik zeigte“. So legte Rommel bereits 1978 erstmals Leitlinien einer künftigen Ausländerpolitik vor. Kennzeichnend für seine Einstellung sei ein Auszug aus der Jubiläumsfestschrift der CDU Stuttgart. Er schrieb 2005: „Die Union war und bleibt meine politische Heimat, was den Respekt vor anderen demokratischen Parteien nicht ausschließt.“ Die christliche Ethik sei von Rommel nie als Instrument der Selbstgerechtigkeit missbraucht, sondern als Verpflichtung zu sozialer Verantwortung angesehen worden. Er habe mit seiner Verbindung aus Klugheit, Toleranz und Humor Zeichen weit über Stuttgart hinaus gesetzt. „Seine pragmatische Art, mit politischen Herausforderungen umzugehen, war vorbildhaft und wegweisend. Wie kaum ein anderer hat er die Menschen erreicht und für sich und seine Ziele vereinnahmen können.“

Die SPD-Fraktion erinnert an Rommels 22-jährige Tätigkeit als Stadtoberhaupt, in der er „das Leben und die Gestalt der Stadt, wie wir sie heute kennen, maßgeblich geprägt hat“. Mit seiner intellektuellen und humorvollen Art habe er viele Menschen fasziniert und begeistert. „Seine unerschrockene Liberalität, die er auch gegen Widerstände durchgehalten hat, hat uns tief beeindruckt“, erklärte Roswitha Blind, die als ihre persönliche Erinnerung hervorhob: „Sein Mut, die RAF-Terroristen damals in Stuttgart beerdigen zu lassen, zeigt seine Größe und hat mich tief beeindruckt“.

„Mit dem Tod von Manfred Rommel verliert Stuttgart einen hoch geschätzten und unabhängigen Geist“, sagte Jürgen Zeeb (Freie Wähler). „Wir werden uns immer an den Geist und an das besondere Engagement Rommels erinnern. Mit seinem Demokratieverständnis und seiner Toleranz wird er uns ein großes Vorbild bleiben.“ Die FDP-Fraktion erklärte: „Die Stadt Stuttgart verliert mit Manfred Rommel ein Markenzeichen“. Rommel sei über Parteigrenzen hinweg als liberaler Geist allseits geschätzt und in der Stadtgemeinschaft beliebt gewesen. „Sein engagiertes Eintreten für unsere Landeshauptstadt sowie sein Humor bleiben unvergessen.“