Bei der Tour d’Asyl des Ökumenischen Arbeitskreises Asyl sind am Samstag so viele Teilnehmer mitgeradelt wie noch nie. Viele wollen angesichts der dramatischen Situation der Flüchtlinge helfen – doch das ist manchmal gar nicht so einfach.

Kreis Ludwigsburg - Die Fabrikhalle am Rande von Asperg ist riesig. Auf den ersten Blick wirkt sie kahl, fast ausgestorben. Doch dann fallen die Bauzäune ins Auge, die am Rand der Halle aufgestellt und mit weißem Stoff bespannt worden sind. Hinter den provisorischen Trennwänden drängen sich Feldbetten, manchmal steht ein Tisch mit Stühlen dazwischen. Hier leben seit etwa zwei Wochen rund 60 Flüchtlinge, für die der Landkreis quasi über Nacht eine Unterkunft finden musste. Eine Situation, wie sie künftig öfter passieren könnte – und die manchen zum Nachdenken bringt.

 

Das wurde am Samstagnachmittag deutlich: Trotz grauen Nieselwetters hatten sich mit rund 50 Teilnehmern so viele wie noch nie zur sogenannten Tour d’Asyl eingefunden. Seit mehr als zehn Jahren organisiert der Ökumenische Arbeitskreis Asyl (AK Asyl) die Aktion, bei der inzwischen einmal im Jahr mit dem Fahrrad verschiedene Flüchtlingsunterkünfte angefahren werden. Laut dem Organisator Ulrich Essig-Haile kamen sonst meist nur um die 20 Radler zusammen. Doch die dramatische Lage angesichts des nicht abreißenden Flüchtlingsstroms hat offenbar viele Menschen alarmiert – und zur Teilnahme an der Tour d’Asyl animiert.

Viele wollen helfen, wissen aber nicht, wie

Bärbel Welte zum Beispiel: „Ich würde gerne helfen, aber ich weiß nicht, wie“, sagt die Ludwigsburgerin. Bei der Tour d’Asyl will sie sich über die Situation der Flüchtlinge im Landkreis informieren und Kontakte knüpfen, um helfen zu können. Wie ihr geht es offenbar vielen, wie der Pfarrer Andreas Bührer vom Leitungskreis des AK Asyl berichtet. Er bekommt fast täglich Anrufe von Menschen, die sich nützlich machen wollen. Das Problem sei nur, dass er oft selbst nicht genau sagen könne, was gerade wo gebraucht werde, sagt Bührer. Denn bis vor kurzem hatte der AK Asyl noch nicht so viel zu tun. Nach der Flüchtlingswelle in den 90er Jahren war es ruhig geworden um das Thema. Nun müsse man erst wieder neue Strukturen schaffen. „Wir müssen vor allem die Koordination verbessern“, sagt Bührer. Bislang kümmerten sich die lokalen Initiativen unabhängig voneinander um die Bedürfnisse der Flüchtlinge vor Ort. Doch angesichts der wachsenden Aufgaben sei künftig eine zentrale Steuerung wohl sinnvoller.

Allerdings hat die spontane Hilfe vor Ort auch ihre Vorteile. Das wird am Beispiel der ehemaligen Fabrikhalle in Asperg deutlich. Nicht nur organisierten Nachbarn der Unterkunft innerhalb weniger Tage Hilfe in Form von Kleiderspenden oder Deutschunterricht. Im hinteren Teil der Halle sind auch schon Arbeiten im Gange, von denen offenbar weder die Vertreter des AK Asyl noch die des Landratsamtes wussten. Hier entstünden neue Räume, erzählt der 18-jährige Jakub Marena. Der Flüchtling aus Gambia hat in den vergangenen zwei Tagen zusammen mit anderen Bewohnern der Halle mitgeholfen, die Wände zu bauen. Er freut sich, dass hier etwas passiert. Denn von Privatsphäre kann in der Massenunterkunft kaum die Rede sein – auch wenn die Bauzäune im Vergleich zur völlig nackten Halle bei der Ankunft der Asylbewerber ein kleiner Fortschritt sind.

Es gibt nicht genügend Plätze für Neuankömmlinge

Dennoch: die Situation sei extrem schwierig, sagt Petra Steuer, die als Sozialarbeiterin beim Landratsamt für einige der inzwischen 36 Flüchtlingsunterkünfte zuständig ist. Denn es gebe einfach nicht genügend Plätze für die vielen Neuankömmlinge – das bedeute auch, dass „man einfach alle möglichen Angebote annehmen muss“.

Doch auch wenn manche Unterkünfte nicht ideal sind: die meisten Flüchtlinge sind froh, in Deutschland zu sein. Kebba Corr aus Gambia drückt das so aus: „Ich liebe mein Land, aber ich musste irgendwohin, wo ich meine Freiheit habe.“ Das sei hier der Fall, dafür sei er dankbar – auch wenn er eigentlich gar nicht nach Deutschland wollte. Die Flucht sei ihm von einem Vater organisiert worden – als Dank dafür, dass er dessen drei Kinder aus einem brennenden Haus gerettet habe.