Wer auf dem Rundkurs durch den Nordkreis Ludwigsburg radelt, lernt, dass der Wohlstand erarbeitet sein will und erlebt eine Landschaft, die sich immer auch mal industriell gibt.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Bietigheim-Bissingen - Der Blick zurück macht mächtig stolz. Wenn man von der Höhe auf Bönnigheim hinunterschaut und in seine Butterbrezel beißt, kann einem schon ein Juchzer der Zufriedenheit entfahren. Da liegt es vor einem, das Städtchen. Ein Sträßchen zieht sich von der Gemeinde durch die Weinberge hinauf auf den Ripberg. Ein Buckel, der sich bei Amateurradfahrern sehen lassen kann, weil er die Waden und Oberschenkel ganz schön schlaucht, Pedelecnutzern aber höchstens ein müdes Lächeln entlockt, weil sich die Anhöhe mit zugeschalteter Motorkraft in Windeseile bezwingen lässt. Aber trotzdem ist es ein gutes Gefühl, das Sträßchen nach Erligheim erreicht zu haben.

 

Bönnigheim, das Städtchen mit dem Charlotte-Zander-Museum und dem Schnapsmuseum, liegt hinter den Ausflüglern. Eingekehrt sind sie am helllichten Tag natürlich nicht. Es geht schon wieder dem Ausgangsziel der Tour zu, die am Bietigheimer Bahnhof begonnen hat. Wie gesagt: ausgestattet mit Pedelecs, von denen im Herbst nach einer Testphase eine ausreichende Zahl am Bahnhof zur Verfügung stehen soll und die derzeit noch nur der Fahrradhändler Imle in der Eisenbahnstraße 1 als Partner des VVS ausleiht.

Großmärkte und Flusslandschaft

Doch zurück zum Ausgangspunkt der Tour: vom Bürgergarten aus, einem Relikt der Landesgartenschau, geht es auf dem Radweg zunächst einmal die Enz entlang. Der Weg führt durch den Bietigheimer Forst und später durch Weinberge in Richtung Besigheim. An der Friedrich-Schelling-Schule biegt er in die Stadt mit der alten Stadtmauer ein. Es ist nicht nur der ständige Wechsel zwischen der Abgeschiedenheit des Enztals und später der Umtriebigkeit einer eben doch von industrieller Nutzung durchdrungenen Gegend, die diese Tour so spannend macht. En miniature lernt man hier, was die Region rund um Stuttgart ausmacht: Flecken, die wie aus der Landlust-Zeitschriftenidylle scheinen, und eine Flusslandschaft, die wie die jenseits von Besigheim alles andere als malerisch ist, weil hier große Kähne auf dem Neckar liegen und Lagerhallen ihren ganz eigenen Charme versprühen.

Einen Überblick über alle Touren gibt die interaktive Karte:

Es ist der Kontrast, der in seinen Bann zieht und einen lehrt, dass das eine nur wegen des anderen existieren kann. Eben ist man durch das stimmig sanierte Innenstadtensemble Besigheims geradelt, hat noch überlegt, in der Eisdiele einzukehren, da wirkt das ländliche Idyll, nachdem man Gemmrigheim passiert und Kirchheim erreicht hat, auf den ersten Blick doch sehr amerikanisch. Am Ortseingang reihen sich Großmärkte mit Leuchtreklamen an Firmenareale, wie es eben auch sein muss, wenn eine Region ihre Bewohner ernähren will.

Wenn man dann aber immer der VVS-App folgt, landet man doch auch in Kirchheim in einem Ortskern mit Kirche (alt), Rathaus (neu) und Polizei (in altem Gebäude) samt Dorfbeiz, die hier „Bittersüß“ heißt und Neues im alten Kern versucht. Und wenn man noch ein bisschen länger hinschaut, entdeckt man in den Gässchen eine grau getigerte Katze, die auf einer frisch gemähten Wiese gerade zum Sprung auf die Maus ansetzt – und sich auch von Pedelecisten nicht aus der Ruhe bringen lässt. Ein Mann hackt ebenso versunken Unkraut. Irgendwo gackern Hühner. Und in den Garagen stehen Motorräder, wuchtige Maschinen. Die Tour führt durch eine Gegend, die zwischen Dornröschenschlaf, herausgeputztem Landidyll und zweckmäßiger Gewerbeansiedlung changiert.

Die Natur geht wieder in Stadt über

Von der Höhe – wobei kaum 200 Höhenmeter zu überwinden sind – geht der Blick weit. Erligheim und Löchgau sind längst passiert, als in Höhe des Waldhofes der Hohenasperg zu sehen ist. Von nun an geht es nur noch bergab in Richtung Bietigheimer Innenstadt. Die Natur geht wieder in Stadt über, die sich hier von ihrer Postkartenseite mit gepflasterter Fußgängerzone, altem Fachwerk, Brunnen und vielen kleinen Lädchen zeigt. Wer Zeit und Muße hat, kehrt ein oder macht einen Besuch in der Städtischen Galerie. Von hier aus trennt nur noch ein Buckel von der Pedelec-Station. Doch was ist das schon nach 37 Kilometern elektrischem Rückenwind.