Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Was in Freudenstadt im Kleinen zu besichtigen ist, lässt sich in größerem Maßstab auch im Land beobachten. Baden-Württemberg mausert sich als Reiseziel. Sechsmal in Folge meldeten die Statistiker für das Land Rekordjahre im Reisegewerbe. Die Übernachtungszahlen in Baden-Württemberg kletterten etwa im Jahr 2015 auf 50,8 Millionen. Andreas Braun, Chef der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg, verzeichnet im ersten Halbjahr 2016 eine Veränderung. Waren die Zuwächse bislang vor allem durch Gäste aus dem Ausland getragen, ging der jüngste Zuwachs aufs Konto deutscher Besucher. Die Zurückhaltung internationaler Gäste sei dabei weniger dem Terrorismus geschuldet als dem Umstand, dass es in für Baden-Württemberg wichtigen Herkunftsländern wie Brasilien, Russland oder Japan derzeit wirtschaftlich nicht gut läuft.

 

Eine schöne Lage alleine reicht nicht

Von der großen weiten Welt zurück in den Schwarzwald. Wer Freudenstadt verlässt und gut 25 Kilometer der Bundesstraße 28 in nordöstlicher Richtung folgt, gelangt nach Altensteig – und in eine andere Umgebung. Natürlich sind dort die Schwarzwaltannen genau so grün wie in Freudenstadt. Doch anders als das am Reißbrett auf herzögliches Geheiß hin angelegte Freudenstadt schmiegt sich die gewachsene Altstadt von Altensteig an einen Hang hoch über dem Nagoldtal. „Die Lage unserer Altstadt ist Fluch und Segen zugleich“, sagt Christoph Oldenkotte, Kulturamtsleiter der Stadt im Kreis Calw und für die Öffentlichkeitsarbeit und den Tourismus zuständig. Die Begeisterung, die Besucher beim Anblick der sich dicht zusammendrängenden historischen Gebäude empfinden, schlägt nicht selten ins Gegenteil um, wenn sie versuchen, den Berg zu erklimmen. „Da können Sie nicht bummeln oder flanieren gehen“, sagt Oldenkotte, dem weitere zweieinhalb Planstellen für seinen Zuständigkeitsbereich zur Verfügung stehen. Es gebe in der pittoresken Altstadt wenige Geschäfte oder gastronomische Angebote. Besucher, die sich nicht nur an Architektur und Ausblicken ergötzen wollen, könnte schnell die Frage beschleichen „Was will ich hier?“

Dabei hatte sich der Flair, den die 10 000-Einwohner-Stadt verströmt, rumgesprochen und auch größere Reiseanbieter neugierig gemacht. So dachte Tui laut darüber nach, in Altensteig ihr Dorfhotel-Konzept umzusetzen. Dafür hätte man in mehrere nebeneinanderliegende Häuser in der Innenstadt Hotelzimmer und auch Ferienwohnungen eingerichtet. Ins Alte Rathaus wäre die Rezeption eingezogen. Vertreter des Reisekonzerns hatten ihre Ideen bei der Lokalpolitik vorgestellt, Bürger waren bei einem Informationsabend ins Bild gesetzt worden. Dann gab es an der Spitze der Tui einen Wechsel und damit einhergehend einen Strategiewechsel. Das Dorfhotel zu Altensteig kam über das Ideenstadium nicht hinaus – und die Altstadt blieb touristisches Entwicklungsgebiet. Das war im Juli 2013. „Das Konzept wäre ideal für Altensteig gewesen“, sagt Andreas Braun. Von den geplatzten Dorfhotelträumen vollkommen unabhängig, habe sich insgesamt das Leben in Altensteig in die untere Stadt verlagert, die einigermaßen eben beidseits der Nagold liegt. Auch das Rathaus hat der steilen Idylle den Rücken gekehrt. Ins Alte Rathaus soll nun ein Jugendtreff einziehen und auch die Volkshochschule würde das Bauwerk nutzen, damit etwas Leben in der Altstadt herrscht.