Der Freistaat Bayern umwirbt Touristen neuerdings mit Franz Josef Keilhofer. Eine mutige Wahl: Der Mann aus dem Chiemgau ist Drechsler, Punkmusiker und Anti-Alkoholiker.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Seit es in der Werbewelt Prospekte gibt vom Freistaat Bayern, mit denen um Urlauber gebuhlt wird, blicken einen verlässlich uniforme Menschen in Tracht hinter Bierkrügen und vor Gebirgslandschaften an. Gleichfalls schaut stets der bayerische Löwe ums Eck, gegen dessen Erscheinungsbild bereits Karl Valentin triftige Einwände hatte. Nicht nur, weil das Wappentier eigentlich „aus Afrika“ stamme. „Ein Bräuross“, sprach Valentin zu Liesl Karlstadt, „hat doch mehr Kraft als wia a Löw, dös derfas glaub’n. Spannens amal zwei Löwen vor einen Bierwagen an, ob die den Wagen über einen Berg hinaufziehen können?“ Unwiderlegbar natürlich, wie so viele Valentinaden.

 

Tourismuswerbung ohne Klischeevermeidung ist, wie ein paar deutschlandweite Stichproben zeigen, auch heute noch ein schwieriges Unterfangen. Irgendetwas Typisches will ja drauf sein auf den Internetseiten von, zum Beispiel, Baden-Württemberg, wo tendenziell junge Menschen sich in das Studium der weiten Landschaft versenken oder vom Segelbootrand aus ins Wasser springen. Betont wird, hier wie – zweiter Blick – in Schleswig-Holstein, die „Vielfalt der Gegensätze“, der man sich im nördlichsten Bundesland via blühendem Rapsfeld, wahlweise Nord- oder Ostsee und auf jeden Fall über den Strandkorb nähert. Drin sitzen entweder junge, sich mit Rotspon beschickernde Leute oder ältere Semester, die ihre Nasen in Bücher stecken und einen kontemplativen Eindruck machen. Dahinter der Deich.

Insgesamt gesehen treibt das Bundesland Berlin werbetechnisch den geringsten Aufwand: ein paar Stadtansichten, Menschen im Hotel, das ist es schon. Dass Berlin einsame Wolke ist, will das wohl auch sagen, sollte sich mittlerweile eigentlich herumgesprochen haben.

Ranger, Käser und Kneippianer als Werbeträger

Bayern hingegen setzt neuerdings in der Präsentation für den Fremdenverkehr auf Individualisierung, also auf Typen. Deswegen kann man auf www.bayern.by/echt-einladend eine gute Handvoll Personen anklicken, die hernach näher vorgestellt werden: einen Oberkneippianer aus Bad Wörishofen, eine Weindozentin von der Mainschleife, einen Käser aus der Jachenau und einen Ranger aus dem Bayerischen Wald.

Den Vogel in der Kampagne schießt aber Franz Josef Keilhofer ab, ab, Drechsler, Landwirt, Nachhilfelehrer, Punkrocksänger und Teilzeitmodel aus dem Chiemgau. Ihn plakatiert die Bayern Tourismus Marketing GmbH jetzt europaweit: einfach als Franz mit Hipsterbart, den Keilhofer allerdings schon mitten im schmalen Gesicht hatte, als die meisten Hipster noch nicht wussten, dass sie heute im Münchner Glockenbachviertel welche sein würden. Franz Josef Keilhofer, 28 Jahre alt, ist, wie man nicht anders sagen kann, eine echte Marke, und wer mit ihm wirbt, sagt im Grund genommen zweierlei: wir sind schwer von gestern, gern die Zukunft, womöglich ein wenig schräg, aber jedenfalls gut drauf. So jedenfalls sieht das aus, wenn Franz Josef Keilhofer die selbst gedrechselte Holzschale lässig zu nacktem, übervoll tätowiertem Oberkörper trägt.

Um seine Holzschalen reißt sich ganz München

Das ist eine Pose – und auch wieder nicht. Keilhofer wirtschaftet unterhalb vom Großen Rauhenkopf auf dem Hof, dessen Grundmauern aus dem sechzehnten Jahrhundert sind und auf dem seine Familie bereits seit Generationen sitzt. Genauso stimmt aber auch, dass er sein Ingenieurstudium geschmissen hat, als ihm auf Youtube ein Film übers Drechseln faszinierte.

Die Werkstatt ist im Austragshäuserl, und Keilhofer hat es im Selbststudium über Jahre hinweg zu großer Klasse gebracht: einen bestimmten Typus Holzschalen aus seiner Manufaktur kauft der Münchner Städter zu fantastischen Preisen beim Kaufhaus Beck. Daneben blieb dem Handwerker immer noch Zeit, Nachhilfe in Mathe und Physik zu geben sowie als Sänger bei Astraea aufzutreten, wo sie Hardcore spielen, was, wie Keilhofer sagt, für ihn „zu sehr nach Porno“ klinge. Er sagt lieber Punk oder „Schreimusik“. Alles muss raus.

Die Tourismuswerbung hat Keilhofer entdeckt, nachdem die „Süddeutsche“ ihn im Regionalteil als Drechsler mit dem gewissen Etwas vorgestellt hatte, und Keilhofer war sofort dabei, weil die Leute dann sehen, dass „wir Bayern jung, vielfältig und tolerant sind“. Wenn man übrigens genau hinschaut auf die Physis und die Gesichtszüge des Franz Josef Keilhofer, dann mag man darin sogar etwas Löwenähnliches erblicken. Jedenfalls mehr als eine Verwandtschaft zum Bräurosshaften. Dass Keilhofer freilich der erste Bayer ist, der für Bayern Werbung macht, ohne selbst ein Bier (oder Verwandtes) anzurühren, wäre eine andere Geschichte.