Geduld, Geschick und ein Gänsekiel

 

Geduld und Geschick sind unerlässlich in diesem Geschäft. Und was braucht ein Glasmaler noch? „Man sollte wenig zittern und keine Schweißfinger haben“, sagt Anne-Dore Kunz, legt den Pinsel beiseite und zückt einen Gänsekiel. Mit der Feder ritzt sie Muster in die blaue Farbschicht, die sie zuvor auf ein Stück Glas aufgebracht hat – verschlungene Ranken und Rauten. Später schiebt sie das bemalte Glasstück in den Brennofen, wo sich bei rund 600 Grad Celsius die Farbschicht mit dem an der Oberfläche erweichten Glas verbindet. Je dicker die Farbe aufgetragen worden ist, desto intensiver ist der Ton nach dem Brennen.

Ihre jahrelange Erfahrung kommt Valentin Saile und Anne-Dore Kunz zupass, wenn Künstler mit ihren Entwürfen in der Werkstatt vorstellig werden. Manche von ihnen kommen mit einer Skizze in der Tasche in die Moserstraße und fragen: „Wie lässt sich der Entwurf umsetzen?“ Andere haben konkrete Vorstellungen, brauchen aber die praktische Hilfe der Glasmaler. „Dann muss man in die Haut des Künstlers schlüpfen und sich verleugnen“, sagt Saile.

Andere Kunstschaffende legen selbst mit Hand an, malen, bearbeiten das bunte Glas an der Ätzanlage oder schneiden an einem der großen alten Holztische die Glasstücke in die gewünschte Form. Im Glaslager im Hinterhof – 80 Regalfächer dreistöckig übereinander getürmt – finden sie Scheiben in jeder nur denkbaren Farbe. Über viele Jahre hat Saile den Fundus an größtenteils mundgeblasenem Glas zusammengekauft. Viel Geld und Herzblut steckt unter dem Wellblechdach. „Betriebswirtschaftlich ist das ein Wahnsinn“, sagt Valentin Saile. Aus künstlerischer Sicht aber ist es ein Paradies der Farben.