Alfred Klink Ja, aber wenn die bei uns waren, gehen die zu einem Dreisternekoch wie Wohlfahrt oder Wissler und wissen dann einfach nicht mehr, wie man ein gutes Gulasch ansetzt.
Vincent Klink Wenn man sich von hundert ausgebildeten Köchen fünf merken kann, dann ist das schon ein guter Schnitt.
Alfred Klink Aber es gibt natürlich auch welche, die sehr viel mitnehmen von uns, die nach zwanzig Jahren anrufen und sagen: „Chef, die beste Zeit, die mich am meisten geprägt hat, war noch immer die im Colombi.“ Und wenn das dann ein Heinz Beck von La Pergola in Rom ist . . .
Vincent Klink . . . ha, dann tut das schon gut, wenn’s auch noch der beste Koch Italiens ist!

Welche Möglichkeiten haben Sie eigentlich sonst, sich auszutauschen und über den Tellerrand zu schauen? Wenn Sie Ruhetag in der Wielandshöhe haben, dann haben fast alle anderen Spitzenrestaurants Ruhetag, und Sie in Freiburg haben sogar sieben Tage die Woche mittags und abends Betrieb! Schmort man da nicht nur im eigenen Saft?
Alfred Klink Ich habe tatsächlich selten Gelegenheit, aus diesem großen Colombi herauszukommen. Aber wir haben unseren eigenen Stil und müssen nirgendwo hinfahren, um jemanden zu kopieren. Und wir haben viele Gäste, die seit Jahren sagen: „Machen Sie ja nichts anders!“
Vincent Klink Auch wir haben Stammgäste, die jede Woche kommen. Wenn die Karte wechselt, bleibt der Stil doch der gleiche. Ansonsten lese ich viel, aber manchmal geh ich mit meiner Frau dann schon wohin, etwa ins Tantris nach München, meist in Betriebe, die ungefähr unser Volumen haben. Denn wenn man nur zwanzig Gäste hat, kann man ganz andere Sachen machen. Aber wenn man siebzig auf einen Schlag hat . . . Wobei ich immer noch einen überschaubaren Betrieb im Vergleich zum Kollegen habe.
Alfred Klink Als Teil eines großen Hotels bieten wir bis 24 Uhr eine Karte mit immerhin noch 16 Positionen an. Und trotzdem kam jüngst ein Dirigent um halb zwölf und sagte, er gehe doch hier nicht hinein, um ein Stroganoff oder irgendeinen Salat zu haben, und verlangte die große Karte. Dann haben wir eben bis 1 Uhr gekocht.
Vincent Klink Ich leiste mir es inzwischen, nach dem Theater keine Gäste mehr anzunehmen – wobei es auch Ausnahmen geben kann. Vor Kurzem war auch ein Dirigent hier, Ricardo Muti, aber auf den hab ich gar nicht mehr gewartet. Ich geh um halb elf ins Bett und steh um sechs auf, um Trompete zu üben.

Das klingt sehr selbstbestimmt. Wo sehen Sie sich in fünf Jahren? Wie stellen Sie sich Ihren Ruhestand vor?
Vincent Klink Mein großes Vorbild, nicht unbedingt von der Stilistik der Musik, ist der Trompeter Doc Cheatham. Der ist mitten im Solo mit 92 auf der Bühne gestorben. Das ist doch ein Spitzenabgang! Aber eigentlich hänge ich zu sehr an dem Betrieb, denn ich habe dreißig Jahre lang gedarbt und immer am Rande des Bankrotts gekocht. Und seit einer Weile funktioniert das hier endlich so gut, dass ich wohl auch noch mit dem Rollator reinkomme, um nach dem Rechten zu schauen.
Alfred Klink Vielleicht mit einem Glas Wein in der Hand wie der alte Franz Keller . . . Ich hingegen träume davon, mal wieder mehr rauszukommen, zu laufen und Fahrrad zu fahren durch die Weinberge. Und von einer alten Mühle in Offnadingen, da ist noch alles komplett drin. Dort zwei- oder dreimal die Woche was zu machen, vielleicht Kochkurse oder vielleicht etwas mit jungen Azubis und denen die klassische Küche nahezubringen...