Die Nato wird vom Vorstoß der Kanzlerin überrascht, das Militärbündnis solle die griechisch-türkische Seegrenze überwachen helfen und den Kampf gegen die Schlepper unterstützen. Dazu gehört die Luftüberwachung. In Brüssel zeigt man sich vorbereitet.

Zwei Anrufe haben Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg Dienstag früh erreicht. Der eine kam vom türkischen Verteidigungsminister Ismet Yilmaz, der andere von seiner deutschen Kollegin Ursula von der Leyen. Beide unterrichteten den Norweger über den Plan, den ihre Chefs am Vortag in Ankara öffentlich gemacht hatten: Das Militärbündnis soll die griechisch-türkische Seegrenze überwachen helfen, den Kampf gegen die Schlepperbanden unterstützen und damit letztlich die Zahl der nach Europa drängenden Flüchtlinge reduzieren helfen. Stoltenbergs Telefonate deuten an, dass die Nato zuvor nicht konsultiert wurde. Im Brüsseler Hauptquartier der Allianz gaben sich folglich viele Diplomaten „überrascht“.

 

Der Nato-Chef zeigte sich dennoch offen für Merkels Vorstoß – zumal er auch Russland als Gegenspieler der Allianz vorwarf, mit der Bombardierung syrischer Zivilisten in Aleppo die Flüchtlingskrise noch anzuheizen: „Sie treiben Zehntausende Menschen in Richtung türkische Grenze.“ Daher werde man die mögliche Ägäis-Mission, die Yilmaz beim Brüsseler Verteidigungsministertreffen an diesem Mittwoch offiziell vorbringen wird, „sehr ernsthaft“ prüfen und diskutieren, müsse jedoch erst noch „mehr Details“ des Planes hören.

Militärisches Gerät ist vor Ort präsent

Allerdings verwies Stoltenberg vielsagend auf sogenannte „Rückversicherungsmaßnahmen“ für die Türkei, die von der Allianz im Dezember als Reaktion auf Russlands ausgeweiteten Syrien-Einsatz beschlossen worden waren. Diese beinhalten eine intensivierte Luftüberwachung mit Awacs-Maschinen und Kampfjet-Patrouillen sowie eine erhöhte Präsenz von Kriegsschiffen im östlichen Mittelmeer und der Ägäis. Er, Stoltenberg, wolle aber „nicht spekulieren, ob wir deren Auftrag einfach wechseln“. Genau darauf jedoch könnte es hinauslaufen, wie ein Nato-Diplomat sagte: „Wir haben militärisches Gerät in der Region, das potenziell für einen Flüchtlingseinsatz in der Ägäis gebraucht würde.“ Eine politische Grundsatzentscheidung dazu könnte bereits an diesem Mittwoch fallen, formalisiert werden dürfte sie jedoch erst später von den Nato-Botschaftern.

Fliegende Gefechtsstände über Syrien

Ein Kompromiss zeichnet sich dagegen in Bezug auf die US-Anfrage ab, Nato-Awacs-Maschinen als fliegende Gefechtsstände und zur Luftraumüberwachung auch über Syrien zum Einsatz zu bringen. Kritik daran hatte es vor allem aus Deutschland gegeben, wo der Bundestag hätte zustimmen müssen, da die Maschinen zu rund einem Drittel mit deutschen Soldaten bestückt sind. Stoltenberg zufolge wird nun darüber nachgedacht, die Nato-Flieger an anderer Stelle einzusetzen, wo derzeit amerikanische und britische Awacs-Einheiten gebunden sind, die dann nach Syrien verlegt werden könnten. Aus Militärkreisen hieß es, US-Awacs-Flieger seien etwa in der Karibik und in Südkorea unterwegs. Eine Verlegung der Nato-Einheiten in diese Regionen würde freilich ebenso ein Bundestagsmandat verlangen.