Die TTIP-Enthüllungen der Umweltschutzorganisation Greenpeace setzen die EU mächtig unter Druck. In den Geheimdokumenten zeige sich, dass die USA mit weitaus härteren Bandagen kämpfe, als bisher angenommen.

Berlin - Enthüllungen über den Poker mit den USA um das Freihandelsabkommen TTIP haben die EU in die Defensive manövriert. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström versicherte am Montag, dass Europa seine Standards zu Verbraucher- und Umweltschutz in den Verhandlungen nicht aufweichen werde. Die Bundesregierung schloss private Schiedsgerichte für Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Staaten aus.

 

Die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten sind durch die Veröffentlichung von Geheimdokumenten zum Stand der Verhandlungen in die Bredouille geraten: Die Umweltschutzorganisation Greenpeace stellte am Montag unter ttip-leaks.org 13 sogenannte konsolidierte Texte ins Internet, in denen die Verhandlungspositionen der USA und Europas zu unterschiedlichen Fragen zu erkennen sind. Mehrere Medien, die zuvor die Dokumente vorliegen hatten, veröffentlichten ihre Analysen dazu.

“Haufenweise Vorschläge“ der USA

Demnach kämpfen die USA mit härteren Bandagen als bisher bekannt. So hebt sich Washington Zugeständnisse bei Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie für die „Endphase“ der Verhandlungen auf - laut „Süddeutscher Zeitung“, damit sich die EU bei Zöllen auf Agrarprodukte bewegt.

Die Dokumente offenbaren den Medien zufolge zudem, dass sich die USA dem europäischen Wunsch verweigern, die umstrittenen privaten Schiedsgerichte für Konzernklagen durch ein öffentliches Modell zu ersetzen. In den Unterlagen seien Schlagworte wie Chlorhühnchen oder Gentechnik nicht zu finden, dafür aber „haufenweise Vorschläge“ der USA, wie europäische Schutzmaßnahmen aufgelöst werden sollen, kritisierte Greenpeace-Handelsexperte Jürgen Knirsch in Berlin.

Sollte sich der US-Ansatz letztlich durchsetzen, wäre es in Europa mit dem Vorsorgeprinzip vorbei. Dieses sei aber im Vertrag von Lissabon und damit „in der DNA der EU verankert“. Während Europa Produkte verbietet oder beschränkt, wenn es Hinweise auf Risiken für Mensch und Umwelt gibt, wollen die USA Produktverbote nur erlassen, wenn genügend wissenschaftliche Beweise vorliegen. In den USA kommt es oft erst zu Verboten, wenn Menschen zu Schaden gekommen sind.

EU-Handelskommissarin: „Sturm im Wasserglas“

Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, forderte die EU deshalb auf, „hiesige Verbraucherschutzstandards“ zu schützen. EU-Handelskommissarin Malmström erklärte, viele Schlagzeilen zu den enthüllten TTIP-Verhandlungsdokumenten seien „ein Sturm im Wasserglas“. Handelsabkommen würden die EU-Gesetze zu Gen-Lebensmitteln ebenso wenig ändern wie die Art, wie in Europa Rindfleisch produziert oder die Umwelt geschützt werde. Die veröffentlichten Texte spiegelten die Verhandlungsposition jeder Seite wieder - „mehr nicht“, betonte die Handelskommissarin. Jede Seite wolle so viele Ziele wie möglich durchsetzen. „Das bedeutet nicht, dass die andere Seite diesen Forderungen nachgibt.“ Lägen die Positionen zu weit auseinander, „werden wir einfach nicht zustimmen“.

Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums hob zudem hervor, dass es keine privaten Schiedsgerichte geben werde. Diese Position habe die EU-Kommission von Deutschland übernommen und in die Verhandlungen mit den USA eingebracht. Die Bundesregierung wolle, dass bei TTIP hohe Standards, etwa in sozialen, ökologischen und rechtlichen Fragen, „auf breiter Basis“ festgeschrieben würden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Greenpeace forderte, die TTIP-Verhandlungen zu stoppen. Es sei ohnehin „Wunschdenken“, dass das Abkommen noch vor Ende der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama im Januar ausverhandelt sei, betonte Knirsch. Die Umweltschutzorganisation machte die Unterlagen zu TTIP nicht nur im Internet einsehbar, sondern richtete am Brandenburger Tor in Berlin auch einen gläsernen „Leseraum“ für jedermann ein.