Boris Palmer macht via Facebook seinem Unmut Luft. Er zweifelt das Demokratieverständnis des Deutschen Gewerkschaftsbundes an, weil er als Tübinger OB kein Grußwort zum 1. Mai auf dem Marktplatz sprechen darf. Grund ist ein Zwist über die Flüchtlingspolitik.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Tübingen - „Zeit für mehr Solidarität“ lautet das Motto des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum 1. Mai, dem Tag der Arbeit. Wer Boris Palmer folgt, könnte meinen, dass es mit dieser Solidarität nicht weit her ist. Via Facebook beklagt sich der Tübinger Oberbürgermeister, dass er auf der örtlichen Maikundgebung am Sonntag kein Grußwort reden darf. In der Tat verkündet das Plakat des DGB den Auftritt des Professors für Volkswirtschaftslehre, Stefan Sell, und der Gruppe „Stormy Riders“ – aber eben keine Rede des Stadtoberhaupts.

 

Zwist um Palmers „Flüchtlingskrisengerede“

Diese Distanzierung hat eine Vorgeschichte: Schon im vorigen Herbst hat der DGB-Kreisverband Palmers Positionen zur Integrationspolitik in der Kategorie „Flüchtlingskrisengerede“ öffentlich moniert und ihm Scheinheiligkeit vorgeworfen. Anfang dieser Woche nun meldete sich der ehrenamtliche Kreisvorstand erneut zu Wort und gab an, Palmer aus dem gleichen Grund diesmal nicht für ein Grußwort auf den Marktplatz zu bitten. Der Grüne reagierte pikiert und stellte sogleich das Demokratieverständnis des DGB in Frage, weil dieser „jeden Dialog“ ablehne. Und er bezweifelt, dass die Gewerkschaftsmitglieder „wirklich alle der Auffassung sind, dass wir die Grenzen wieder öffnen sollen“. Die Kommentare der Palmer-Facebook-Fans fallen entsprechend drastisch aus – doch erntet der DGB auch viel Verständnis.

Gesprächsangebot vom DGB-Geschäftsführer

Peter Fischer, der Geschäftsführer der DGB-Region Südwürttemberg, verwahrt sich vor allem gegen den Eindruck, dass Boris Palmer ausgeladen worden sei. Schließlich sei er gar nicht erst eingeladen worden, und das müsse der DGB nicht öffentlich begründen. Die Entscheidung sei sehr wohl eine demokratische. Dennoch ist Fischer der Ansicht, dass man gesprächsfähig bleiben müsse und hat den Gescholtenen zu einer Unterredung in nächster Zeit eingeladen. Demnach kann der Grüne, so er denn mag, in den kommenden Jahren wieder die Bühne erklimmen. „Der Herr Palmer ist mir bei jeder Mai-Veranstaltung willkommen.“ Schließlich sei es „guter Brauch“, das Stadtoberhaupt am 1. Mai ein Grußwort sprechen zu lassen. Dass der DGB dies auch nicht-öffentlich hätte kommunizieren können, räumt Fischer ein. Dies sei „unglücklich“ gelaufen. Weil weder die erste Bürgermeisterin noch der Landrat Zeit haben, soll nun ein Flüchtling das Wort ergreifen. Dies hält sogar Palmer für eine „gute Idee“. Die Integration in Arbeitsmarkt und Gesellschaft sei nämlich noch ein langer und steiniger Weg, schreibt er. „Aber keine Frage, mit den aktuell niedrigen Zugangszahlen schaffen wir das.“