Statt als Freiraum ohne Schilderwald präsentiert sich die Tübinger Straße als illegaler Stellplatz. Trotz des auf der gesamten Mischverkehrsfläche geltenden Parkverbots hat die Stadt in wenigen Wochen fast 1000 Knöllchen ausgestellt.

Stuttgart - Die neue Mischverkehrsfläche, der sogenannte Shared Space, zwischen Sophienstraße und der Querspange in der Tübinger Straße macht seit der Eröffnung nicht als Flaniermeile, sondern vor allem als wilder Parkplatz von sich reden. Der für 1,2 Millionen Euro neu geschaffene Freiraum, in dem alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind und in dem Tempo 20 und ein Parkverbot gelten, wird von vielen Autofahrern als willkommener Abstellplatz missbraucht.

 

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Somit ist das hehre Ziel der Gleichberechtigung noch lange nicht erreicht. Seit dieser verkehrsberuhigte Abschnitt Anfang November offiziell eröffnet wurde, haben die städtischen Verkehrskontrolleure alle Hände voll zu tun. „Von Anfang November bis Mitte Dezember haben wird schon weit mehr als 800 Verwarnungen ausgestellt“, sagt Joachim Elser, Leiter der Bußgeldstelle im Ordnungsamt. „Das ist für diesen nur wenige hundert Meter langen Abschnitt eine sehr große Menge.“ Seit Wochen sind im Bereich zwischen Sophienstraße und Querspange bis zu neunmal am Tag Kontrolleure unterwegs. „Vor allem am späten Nachmittag sind die Freiflächen oft zugeparkt“, weiß Elser. Das Parkverbot sei notwendig, damit der neue Stadtraum für alle Nutzer überschaubar bleibe. „Nur gewerbliche Lieferanten dürfen kurz halten, etwa um Waren auszuladen.“ Elser glaubt nicht, dass die Autofahrer aus Unkenntnis falsch in diesem Bereich parken: „Nur vier Betroffene haben Einwände gegen ihren Strafzettel erhoben und erklärt, sie hätten die Schilder nicht erkannt.“ Die geringe Zahl von Beschwerden zeige auf, dass die meisten Parksünder vorsätzlich handelten.

Faltblätter zur Information

Auch der städtische Vollzugsdienst – früher Feldschutz genannt – hat sich inzwischen der vielen Parksünder angenommen. „Allein am vergangenen Samstag- und Sonntagabend wurden in diesem Bereich innerhalb weniger Stunden 76 Falschparkern Strafzettel hinter die Windschutzscheiben geklemmt“, erklärt Hermann Karpf, der Referent von Ordnungsbürgermeister Martin Schairer. Die oft von auswärts kommenden Parksünder seien im Gespräch und mit Faltblättern über das innerhalb der neuen Mischverkehrsfläche geltende Parkverbot aufgeklärt worden.

Diese Informationen finden allerdings nicht immer Verständnis. „Unsere Leute mussten sich viele nicht druckreife Unverschämtheiten anhören“, erklärt Karpf. Seit alle Bauarbeiten an der Tübinger Straße beendet seien, habe sich die Situation aber leicht gebessert. „Aber die Verhältnisse sind noch lange nicht gut.“ Dabei gebe es in  der Umgebung genügend Stellplätze in Tiefgaragen und Parkhäusern.

Wunsch nach partnerschaftlichen Verkehrsverhältnissen

Die Verhältnisse an der Tübinger Straße hatten die Rathausspitze – wie berichtet – bereits wenige Tage nach der Eröffnung der neuen Verkehrsfläche alarmiert. Der Umbau sei wunderbar geworden, aber die Hinweise auf diesen besonderen Abschnitt müssten transparenter sein, hatte Schairer damals betont. Inzwischen weist an der Sophienstraße eine große „20“ auf dem Asphalt auf das in dem 800 Meter langen Abschnitt geltende Tempolimit hin. Die große Zahl hält allerdings so manchen Auto- und Radfahrer nicht davon ab, schneller als erlaubt unterwegs zu sein.

Ruhezone für Fußgänger

Eigentlich sollen auf der umgestalteten Tübinger Straße nach den Vorstellungen der Stadt Fußgänger, Rad- und Autofahrer partnerschaftlich unterwegs sein. Denn zwischen der Querspange und der Sophienstraße gibt es keine Bürgersteige und keine durch Bordsteine abgetrennte Straße mehr. Der ebene Verkehrsraum besteht aus breiten Pflasterbändern und einem hellgrauen Asphaltbelag. Letzterer ist besonders radfahrerfreundlich, weil schließlich die Radhauptroute Nummer eins durch die Tübinger Straße führt. Die Kreuzungsbereiche an der Sophien- und der Christoph- straße sind vollständig gepflastert, um den öffentlichen Raum optisch zu verbreitern. Die schmalen Pflasterbänder in der Fahrbahn sollen Auto- und Radfahrer spürbar an Tempo 20 erinnern. Den Fußgängern bietet sich die zum Stadtraum umgebaute Tübinger Straße als Flaniermeile und Ruhezone an. Zwischen Baumreihen laden Bänke zu einer Verschnaufpause oder einem Gespräch mit zufällig getroffenen Bekannten ein. Radler können ihr Gefährt an einem der zahlreichen Parkbügel anschließen. Um Blinden sichere Wege zu ermöglichen, gibt es auf einer Seite ein in das Pflaster eingelassenes Leitsystem.

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