Seit drei Jahren bereitet sich Andreas Kirchartz auf seine Weihe vor. Was bewegt einen jungen Mann dazu, katholischer Priester zu werden?

Reportage: Robin Szuttor (szu)
Tübingen - Die massive Holztür fällt schwer in ihre Angeln. Es riecht ein bisschen nach altem Keller. In den Wänden sitzen vier Jahrhunderte, die kann man nicht wegrestaurieren. 1588, als hier im Tübinger Wilhelmsstift gerade die Grundmauern standen, hatte sich in Europa die Renaissance voll entfaltet, die spanische Armada versank im Ärmelkanal, und im Vatikan saß Sixtus V. auf dem Papststuhl. Ein sittenstrenger Mann, der Selbstbefriedigung verteufelte und Ehebrecher, Kuppler, Homosexuelle gleich hinrichten ließ. Tempi passati.

Die steinerne Wendeltreppe hinauf, vorbei an Fenstern mit wunderschöner Glasmalerei. Vor dem Kapellenraum das Weihwasserbecken, drinnen ein Metallkreuz, der Altar, eine große Madonna aus Holz. Die Ersten kommen. Man flüstert sich in Hausschuhen ein "Guten Morgen" zu.

Leises Magenknurren in der Stille


Das Frühgebet mündet in den Lobgesang. "Und mihihihit des Geiheistes lihihichtem Straaahl..." Achtzehn Männerstimmen verhallen. Langes Schweigen. Kein Laut, kein Rauschen des Berufsverkehrs, kein Lieferwagenmotor in den Altstadtgassen. Nur manchmal drängt sich ein leises Magenknurren in die Stille. Dann das nächste Gebet, und wieder der hypnotische Hymnus. "Du wahre Sonne brich herein, du Sonne, die nicht untergeht." Amen. Schließlich segnet einer der Jungpriester die kleine Gemeinde mit steifer Würde und bläst huldvoll, eine Hand hinter der Flamme, die Kerze aus. Zwei bleiben noch sitzen, die anderen gehen zum Frühstück.

Im Tübinger Wilhelmsstift sitzt das Bischöfliche Theologenkonvikt. Angehende katholische Priester holen sich hier ihr inneres Rüstzeug. Die Theologie studieren sie in der fünf Gehminuten entfernten Universität, wo schon Hans Küng, Walter Kasper oder ein gewisser Joseph Ratzinger lehrten.