Gedachte Ideallinie für Hochgeschwindigkeitstrassen ist die Gerade. Der können sich die Ingenieure oft nur mit großen Tunneln und Viadukten annähern. Das sei eine total falsche Strategie, urteilt der streitbare Wiener Verkehrswissenschaftler Hermann Knoflacher. Er hält die Fixierung auf große Achsen im Güter wie im Personenfernverkehr für einen Kardinalfehler der europäischen Bahnpolitik: „Die Eisenbahn ist in Wirklichkeit ein Netzsystem, ein Flächenverkehrsmittel und kein Linienverkehrsmittel.“ Nach Knoflachers Auffassung ist der superteure Aus- und Neubau großer Eisenbahnmagistralen zwischen städtischen Zentren nur zu rechtfertigen, wenn davon auch das flache Land profitiert.

 

Um die Reisezeit der Züge zwischen Sankt Gallen oder Winterthur auf der einen und Bern oder Genf auf der anderen Seite der eidgenössischen Ost-West-Achse zu verbessern, beschlossen die Schweizerischen Bundesbahnen den Bau der „Durchmesserlinie“. Damit wollen sie gleichzeitig einen noch dichteren Taktverkehr mit Verbindungen selbst in abgelegene Täler ermöglichen. Kernstück dieses bahntechnischen Bypasses ist ein knapp fünf Kilometer langer Tunnel, der auch den Züricher Hauptbahnhof unterquert. Die Züge, die ihn passieren, müssen nicht mehr die Fahrtrichtung wechseln wie die Züge, die nach wie vor die oberirdischen Gleise ansteuern.

Der Tunnel kann zur Feuerfalle werden

Hans Heydemann kann das nicht überzeugen. „Die Durchmesserlinie ist doch auch nur ein Beschiss“, sagt er am Rande des lautstarken Protests gegen einen feierlichen Tunnelanstich der DB AG für das Projekt Stuttgart 21. Heydemann gehört zur Gruppe Ingenieure 22. Sie lehnen Stuttgart 21 einschließlich der Neubaustrecke nach Ulm prinzipiell ab, erkennen keinen Sinn darin, die Eisenbahn zur U-Bahn zu machen. Jeder Tunnel stelle ein „erhebliches Gefährdungspotenzial“ dar, sagt Hans Heydemann, nicht zuletzt bei einem Brand. Für Gegner von Stuttgart 21 ist der geplante Tunnel, der die Filderebene mit dem neuen Stuttgarter Hauptbahnhof verknüpfen und auf einer Länge von fast zehn Kilometern 155 Höhenmeter überwinden soll, Teufelswerk. Ulrich Ebert, ein juristisch versierter Kämpfer gegen Stuttgart 21, spricht von einer „Todesfalle“, weil der Luftzug, der durch die kaminartigen Röhren blase, Feuer anfache und die Entwicklung giftiger Gase begünstige. Ebert zeichnet das Horrorszenario eines ICE, der trotz aller Sicherheitsvorkehrungen als „brennende Fackel“ zu Tale sausen könne.

Immerhin könnte ein brennender Zug ferngesteuert aus der Gefahrenzone gefahren werden, dank moderner Überwachungs- und Steuerungstechnik, die bereits in einigen Tunneln, die in den letzten Jahren in Betrieb gingen, eingebaut und unter dem Namen ETCS (European Train Control System) bekannt ist. Wenn Autos in Straßentunneln in Brand geraten, ist so etwas nicht möglich. Besonders schlimm ist es, wenn das brennende Auto ein Lkw ist. Vor Jahren schreckte eine Serie solcher Unfälle in Alpentunneln auf.

Wie segensreich ist die „Durchmesserlinie“?

Gedachte Ideallinie für Hochgeschwindigkeitstrassen ist die Gerade. Der können sich die Ingenieure oft nur mit großen Tunneln und Viadukten annähern. Das sei eine total falsche Strategie, urteilt der streitbare Wiener Verkehrswissenschaftler Hermann Knoflacher. Er hält die Fixierung auf große Achsen im Güter wie im Personenfernverkehr für einen Kardinalfehler der europäischen Bahnpolitik: „Die Eisenbahn ist in Wirklichkeit ein Netzsystem, ein Flächenverkehrsmittel und kein Linienverkehrsmittel.“ Nach Knoflachers Auffassung ist der superteure Aus- und Neubau großer Eisenbahnmagistralen zwischen städtischen Zentren nur zu rechtfertigen, wenn davon auch das flache Land profitiert.

Um die Reisezeit der Züge zwischen Sankt Gallen oder Winterthur auf der einen und Bern oder Genf auf der anderen Seite der eidgenössischen Ost-West-Achse zu verbessern, beschlossen die Schweizerischen Bundesbahnen den Bau der „Durchmesserlinie“. Damit wollen sie gleichzeitig einen noch dichteren Taktverkehr mit Verbindungen selbst in abgelegene Täler ermöglichen. Kernstück dieses bahntechnischen Bypasses ist ein knapp fünf Kilometer langer Tunnel, der auch den Züricher Hauptbahnhof unterquert. Die Züge, die ihn passieren, müssen nicht mehr die Fahrtrichtung wechseln wie die Züge, die nach wie vor die oberirdischen Gleise ansteuern.

Der Tunnel kann zur Feuerfalle werden

Hans Heydemann kann das nicht überzeugen. „Die Durchmesserlinie ist doch auch nur ein Beschiss“, sagt er am Rande des lautstarken Protests gegen einen feierlichen Tunnelanstich der DB AG für das Projekt Stuttgart 21. Heydemann gehört zur Gruppe Ingenieure 22. Sie lehnen Stuttgart 21 einschließlich der Neubaustrecke nach Ulm prinzipiell ab, erkennen keinen Sinn darin, die Eisenbahn zur U-Bahn zu machen. Jeder Tunnel stelle ein „erhebliches Gefährdungspotenzial“ dar, sagt Hans Heydemann, nicht zuletzt bei einem Brand. Für Gegner von Stuttgart 21 ist der geplante Tunnel, der die Filderebene mit dem neuen Stuttgarter Hauptbahnhof verknüpfen und auf einer Länge von fast zehn Kilometern 155 Höhenmeter überwinden soll, Teufelswerk. Ulrich Ebert, ein juristisch versierter Kämpfer gegen Stuttgart 21, spricht von einer „Todesfalle“, weil der Luftzug, der durch die kaminartigen Röhren blase, Feuer anfache und die Entwicklung giftiger Gase begünstige. Ebert zeichnet das Horrorszenario eines ICE, der trotz aller Sicherheitsvorkehrungen als „brennende Fackel“ zu Tale sausen könne.

Immerhin könnte ein brennender Zug ferngesteuert aus der Gefahrenzone gefahren werden, dank moderner Überwachungs- und Steuerungstechnik, die bereits in einigen Tunneln, die in den letzten Jahren in Betrieb gingen, eingebaut und unter dem Namen ETCS (European Train Control System) bekannt ist. Wenn Autos in Straßentunneln in Brand geraten, ist so etwas nicht möglich. Besonders schlimm ist es, wenn das brennende Auto ein Lkw ist. Vor Jahren schreckte eine Serie solcher Unfälle in Alpentunneln auf.

Guter Rat, wenn’s in der Röhre brennt

Zu den Experten, die dennoch davon überzeugt sind, dass im Katastrophenfall alles auch so funktioniert wie beschlossen, zählt Roland Leucker. Der Ingenieur war bei einem großen Baukonzern beschäftigt und ist heute Geschäftsführer der Stuva in Köln. Die Abkürzung bedeutet: Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen. Um zu verhindern, dass in einem Tunnel Feuer von einem Laster auf ein anderes Fahrzeug übergreift, rät Leucker, „dass der Lkw-Fahrer möglichst aus dem Tunnel herausfährt und nicht versucht, im Tunnel das Fahrzeug zu löschen“. Aber wie viele gestresste Brummi-Fahrer werden im Notfall wirklich so cool reagieren?

Dennoch halten sich die Proteste gegen den Ausbau von Straßentunneln in der Regel in Grenzen. Große Tunnelprojekte europäischer Eisenbahnen dagegen stehen unter dem Generalverdacht, Ausgeburten einer unheiligen Allianz zwischen Politik, Staatsbetrieben, mächtigen Baukonzernen und Spekulanten zu sein. Der Filz-Verdacht kommt nicht von ungefähr. Die Stuva firmiert auf ihrer Homepage als „unabhängige, gemeinnützige Forschungsinstitution“. Gefördert wird die unabhängige Forschung allerdings von der in Südbaden beheimateten Firma Herrenknecht, die auf dem Gebiet der Tunnelbohrmaschinen Weltmarkführerin ist. „Herzliche Glückwünsche“ übermittelt die Stuva wiederum dem Ingenieurkollegen Wolfgang Feldwisch, der sich altershalber aus einer hochrangigen Position bei der Deutschen Bahn AG verabschiedete: Von 2004 bis 2013 habe er die Planung, Finanzierung und Realisierung großer Infrastrukturprojekte der Bahn verantwortet, beispielsweise des Berliner Hauptbahnhofs, der Neubaustrecke Nürnberg–Erfurt–Leipzig und auch Stuttgart 21 einschließlich der Neubaustrecke nach Ulm.

Straßentunnel stoßen auf weniger Gegenwehr

Überall in Europa wächst die Kritik an den Staatsbahnen und den Politikern, die nach Ansicht von Umweltschutzorganisationen und Bürgerinitiativen unsinnige Großprojekte durchboxen. Im Februar verfügte der Verwaltungsgerichtshof in Wien den vorläufigen Baustopp für das bereits begonnene Vorhaben eines neuen, rund 20 Kilometer langen Semmering-Basistunnels. Er soll die 1854 eröffnete kurvenreiche Bergstrecke über den Semmering ersetzen. In Kauf genommen werden dabei massive Eingriffe in die Natur. Ein bewaldeter Einschnitt im einsamen Fröschnitztal, bisher ein Puffer für Schmelzwasser, ist bereits gerodet, für eine riesige Abraumdeponie. Dagegen regt sich Protest. Die Rede ist von Überschwemmungsgefahr und Gefährdung der Trinkwasserversorgung.

Bei der Trassierung der parallelen Südautobahn spielten solche Bedenken genauso wenig eine Rolle wie beim Ausbau der Schnellstraße über den Semmering. Auf ihr bolzen die Autos kreuzungsfrei auch durch mehrere Tunnel und über ein talquerendes Viadukt, was ein Leserbriefschreiber in einer großen österreichischen Tagezeitung so kommentierte: „Während der Straßentunnel mitsamt der hässlichen Brücke ohne Probleme und vom niederösterreichischen Landeshauptmann feierlich eröffnet wurde, hat er gegen den Bahntunnel ständig Einwände gehabt, die zu Bauverzögerungen samt Umplanungen geführt haben.“ Es scheint also gute und böse Tunnels zu geben. Bei manchen großen Tunnelprojekten hält sich der Widerstand in Grenzen, weil sich das Heer der Autofahrer davon einen Nutzen verspricht. Wahrscheinlich wäre der beschlossene Fehmarnbelt-Tunnel, der Dänemark mit Deutschland verbinden soll, längst gestorben, wenn er als reiner Eisenbahntunnel geplant worden wäre.

Die Folgekosten bleiben weitgehend ausgeblendet

Die Diskussion über das Pro und Kontra technisch und finanziell aufwendiger Tunnelbauvorhaben ist festgefahren. Weitgehend ausgeblendet bleiben noch immer die Folgekosten. Tunnel müssen nach rund hundert Jahren grundsaniert oder gleich neu gebaut werden. In viel kürzeren Abständen steht der Austausch elektrischer und anderer Anlagen in Tunneln an. Und wie sieht es mit der Energie- und Umweltbilanz nach Fertigstellung aus? Moderne Verkehrstunnel sind komplexe Hightechmaschinen. Im 2007 eröffneten und knapp 35 Kilometer langen Lötschberg-Basistunnel, der die Schweizer Kantone Berner Oberland und Wallis miteinander verbindet, wurden zahlreiche Pumpen eingebaut und 245 Kilometer Rohrleitungen verlegt, um Wasser aus dem Berg zu sammeln und wieder zu verteilen. Es soll Löscheinrichtungen speisen und die im Tunnel installierten Schaltanlagen kühlen. Zig Tore sind ständig im Stand-by-Modus, um jederzeit mit Hilfe ferngesteuerter elektrischer Motoren geöffnet oder geschlossen werden zu können. Gesichert sein muss die Stromversorgung der Kavernen für die Rettung von Personal und Passagieren, für Kommunikationseinrichtungen und die Beleuchtung des Tunnels im Notfall. Beim 57 Kilometer langen Gotthard-Basistunnel rechnen die Ingenieure mit einem durchschnittlichen Stromverbrauch, der dem der Stadt Luzern entspricht. Da für die Schnellzüge in den beiden Längsröhren im Regelbetrieb eine Geschwindigkeit von 200 Kilometern pro Stunde geplant ist, werden sie auf der flachen Tunnelstrecke fast genauso viel Energie brauchen wie die langsameren Züge über die kurvige und steile Gotthardlinie, zumal die Hochgeschwindigkeitsbahn im Tunnel gegen enormen Luftwiderstand anfährt. Erheblich günstiger dürfte die Energiebilanz für die langsameren und schwereren Güterzüge ausfallen. In der Summe des Energieverbrauchs, der auf die Gesamtheit der Güter- und Personenzüge umgelegt werden muss, rechnen die Spezialisten mit Einsparungen zwischen 20 und 30 Prozent.

Deutschland und Italien ziehen nicht recht mit

So weit die Theorie. Der praktische Nutzen der neuen Riesentunnels für die Eisenbahn hängt davon ab, wie stark sie genutzt werden. Entscheidende Bedeutung kommt nicht dem prestigeträchtigen Personenverkehr zu, sondern dem Güterverkehr. Die Schweizer Bevölkerung hat mehrfach den Milliardenausgaben für die neuen Alpentransversalen zugestimmt in der Hoffnung, den Anteil der Schiene am alpenquerenden Güterverkehr deutlich zu erhöhen. Er liegt derzeit bei 63 Prozent, während der Straßenanteil 37 Prozent beträgt. Das ist gemessen an EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland und Österreich sensationell hoch, aber doch für viele Eidgenossen enttäuschend.

Ein Problem sind die Zulaufstrecken zu den neuen Alpentransversalen Lötschberg und Gotthard. Nördlich der Schweiz kommt Deutschland mit dem vertraglich zugesagten Ausbau der Rheinstrecke kaum voran, südlich stellt sich die italienische Politik taub. Um ihr auf die Sprünge zu helfen, haben Regierung und Parlament der Schweiz den italienischen Nachbarn 280 Millionen Schweizer Franken für die Ertüchtigung des Schienennetzes bewilligt. Außerdem investiert die Eidgenossenschaft 710 Millionen Franken in den Ausbau der Zulaufstrecken im eigenen Land. Die EU-Politik fördert derweil andere Großprojekte wie den Bau des Brenner-Basistunnels. Der wird 55 Kilometer lang.