Vor einem Jahr begleitete eine „37 Grad“-Reportage syrische Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in dem Dorf Fischen – nun zeigt die Fortsetzung, was aus ihnen geworden ist.

Fischen - Vor einem Jahr hat die ZDF-Reportagereihe „37 Grad“ mit dem Film „Willkommen in Deutschland“ eine Handvoll syrischer Flüchtlinge vorgestellt, die in einem Allgäuer Dorf Zuflucht gefunden haben. Nun sind Tine Kugler und Günther Kurth erneut nach Fischen gereist, um zu zeigen, was aus ihnen geworden ist. Der Film beginnt emotional, denn „für Ibrahim ist heute ein großer Tag“. Das klingt zwar ein bisschen nach Einschulung, aber die großen Emotionen des Mannes sind nachvollziehbar: 2014 ist er über das Meer geflohen, nun kann er am Flughafen seine Familie wieder in die Arme schließen, wenn auch unter den Augen misstrauischer Polizisten. Auf diese Weise deuten Kugler und Kurth angenehm beiläufig an, dass nicht alles so rosig ist, wie der Kommentar nahe legt.

 

Trotz des tränenreichen Auftakts verzichtet „Araber im Allgäu“ im Unterschied zu vielen anderen „37 Grad“-Reportagen auf die übliche Gefühlstümelei. Fast schon sachlich zieht das Autorenpaar ein Zwischenfazit. Einziges Manko: da es gleich eine ganze Reihe von Protagonisten gibt, kommt der Film den Menschen nicht nahe genug. Im Grunde werden sie auf ihren Status reduziert: Der eine hat schon einen Job, der andere sucht noch; der eine hat endlich eine Wohnung gefunden, der andere lebt nach wie vor mit einem Schicksalsgenossen in einem Zweibettzimmer. Weil 25 Minuten Sendezeit zu wenig sind, um komplexe Hintergründe zu vermitteln, bleiben ohnehin viel zu viele Fragen offen. Ein junger Mann wartet schon seit einem Jahr auf seine Anerkennung als Flüchtling, was ohne weitere Informationen wie typischer Bürokratie-Nonsens wirkt.

Gut gelungen sind dagegen die Passagen über das deutsch-syrische Zusammenleben. Vermutlich gibt es auch in Fischen Bürger, welche die Männer, Frauen und Kinder am liebsten umgehend wieder in den Bürgerkrieg schicken würden, aber Kugler und Kurth konzentrieren sich lieber auf das Gute im Menschen. Zwar gilt auch in diesem Fall, dass die Helfer als Persönlichkeit viel zu kurz kommen, doch ihre Taten sprechen für sich. Die Wirtin Steffi zum Beispiel hat Visa und Flug für Ibrahims Familie organisiert und kümmert sich auch später um den unvermeidlichen Behördenkram. Ausländer, die kaum deutsch sprechen, wären ohne Hilfe völlig überfordert.

Der Computeringenieur ist jetzt Fahrradmechaniker

Interessant sind auch die Stippvisiten an den Arbeitsplätzen der Männer, erst recht, wenn sie kräftig umdenken müssen. Ibrahim hat einen Job als Maler gefunden, muss sich aber erst noch daran gewöhnen, dass er seine Anweisungen von einer Frau bekommt. Muhannad ist Computeringenieur, endlich als Asylbewerber anerkannt worden und verdient nun sein eigenes Geld als Fahrradmechaniker, was ein Deutscher vermutlich als unzumutbare Unterforderung empfinden würde.

Etwas respektlos wirken in diesen Szenen die Untertitel. Natürlich sprechen die Syrer nach nur einem Jahr in Deutschland die Sprache noch sehr gebrochen, aber sie sind gut zu verstehen. Ganz kurz sorgt ein Kollege Muhannads für einen Wermutstropfen, als er seine Befürchtung schildert, die Flüchtlinge könnten in Massen kommen, aber dann schränkt er seine Bedenken gleich wieder ein: „Es sei denn, sie wären alle wie Muhannad.“ Genau das ist die Botschaft: Lernt man Menschen näher kennen, lösen sich die Vorbehalte meist in Wohlgefallen auf; erst recht, wenn sie ähnliche Schicksale erleben mussten wie Mohannad, der fünf unwiederbringlich verlorene Jahre auf der Flucht verbracht hat.

Und dann ist da noch Amjad, ein Palästinenser, der seit mehr als zwanzig Jahren im Allgäu lebt, sich ehrenamtlich als Übersetzer engagiert und eigentlich ein eigenes Porträt verdient hätte, denn er repräsentiert die Zukunft der neuen Mitbürger: Amjad ist so gut integriert, dass er wie ein Deutscher denkt und sich über Flüchtlinge ärgert, die es an Dankbarkeit für die Hilfsbereitschaft vermissen lassen.