Vier Moderatoren, zwei Bewerber und ein Thema: Wer wird nach der Wahl Bundeskanzler? Amtsinhaberin Angela Merkel und der Herausforderer Peer Steinbrück kämpfen heute Abend im TV-Duell um die Gunst von Millionen Zuschauern.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Stuttgart - Im Jahr 2002 hatte das Fernsehduell vor der Bundestagswahl in Deutschland Premiere. Seither ist es normal geworden, aber Routine ist es auch im zwölften Jahr nach seiner Erfindung nicht. An diesem Sonntag strahlen gleich vier Sender den fünften Schlagabtausch im Kampf um Wahlsieg und Kanzleramt aus. Jeder kennt die beiden Kontrahenten. Aber viele Wähler sind neugierig, wie Angela Merkel (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) sich schlagen werden. In den Parteizentralen werden große Hoffnungen und auch ein paar gut versteckte Befürchtungen an die Wortgefechte vor laufender Kamera geknüpft.

 

Ausgangslage

Für viele Zuschauer ist dieser Fernsehabend die erste und einzige Gelegenheit zum direkten Vergleich der beiden Bewerber um den Job als Kanzler in der nächsten Legislaturperiode. Da es nur ein einziges Fernsehduell gibt, das zudem von ARD, ZDF, Pro 7 und RTL (20.30 Uhr live) ausgestrahlt wird, sind die Chancen groß, ein Publikum von 15 bis 20 Millionen Zuschauern zu erreichen. Das gibt es nur einmal in den vier Jahren zwischen einer Wahl und der nächsten. Und bei keiner Gelegenheit können die Bewerber ein größeres Publikum mit ihren politischen Botschaften erreichen. Stefan Raab, einer der Neulinge im Moderatorenquartett für diese Polit-Sendung, hat die Situation gestern mit dem Finale in einem sportlichen Großereignis verglichen. „Das ist DAS Endspiel. Dadurch ist es so wichtig.“

Steinbrücks Herausforderung

Peer Steinbrück und seine Partei hoffen, mit dem TV-Duell den lang ersehnten Aufwind für die SPD erzeugen zu können, damit sie die Flaute in den Umfragewerten hinter sich lassen können. Der Kanzlerkandidat, den die Amtsinhaberin in diesem Wahlkampf bisher vor allem mit Nichtbeachtung bedacht hat, freut sich auf die Gelegenheit der direkten Auseinandersetzung mit Angela Merkel. Dass er sie attackieren wird, versteht sich von selbst – nicht nur weil er eine Vorlieben für die Kavallerie hat. Allerdings hat Steinbrück schon im Vorfeld angekündigt, den „Randalierer“ werde er nicht geben. Mitteleuropäische Umgangsformen werde er einhalten.

Steinbrück wird rhetorisch und inhaltlich gegen Angela Merkel punkten wollen. Der Kanzlerkandidat wird die gute wirtschaftliche Lage Deutschlands als fragil einstufen, Merkels abwartende Haltung zum Beispiel in der Euro-Politik kritisieren und darlegen, dass die soziale Kluft während der schwarz-gelben Koalition größer geworden ist. Er wird sich selbst als Klartext-Redner präsentieren, der den Bürgern die Wahrheit sagt und eine klare Linie vorgibt. Der Kanzlerin wird er vorwerfen, ihre Positionen beliebig zu wechseln und ihre Absichten in gewundenen Sätzen zu verstecken. Sein Risiko: Steinbrücks rhetorische Brillanz wirkt bisweilen schneidend. Außerdem ist er provozierbar. Lässt er sich zu groben Attacken auf Angela Merkel provozieren, kann das aggressiv herüberkommen. Das kann Sympathiepunkte bei den Zuschauern kosten.

Merkels Strategie

Kommunikationsexperten sehen bei solchen Polit-Duellen strukturell den Herausforderer im Vorteil. Schon allein die Tatsache, dass der Bewerber sich mit dem jeweiligen Amtsinhaber auf Augenhöhe duellieren darf, komme einer Aufwertung gleich, meinen sie. Dieses Risiko gilt im Prinzip für das Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück auch. Allerdings kann die Kanzlerin sich auf hohe Sympathiewerte in der Bevölkerung und auf einen großen Vorsprung der Union vor der SPD stützen. Außerdem ist sie unterdessen eine erfahrende Duellantin geworden, weil sie schon zum dritten Mal in dieser Konstellation mit einem Gegner die Klingen kreuzt. Ihr Ziel muss es sein, die Konkurrenz schön klein zu halten und ihren Vorsprung nicht zu verlieren. Angela Merkels Hauptabsicht beim Duell wird es sein, herauszustellen, dass die wirtschaftliche Lage im Land gut und die Arbeitslosigkeit niedrig ist. Sie wird hervorheben, dass sie Deutschland bisher sicher durch die Euro-Krise gesteuert hat. Merkel wird weniger auf Angriff setzen, als unaufgeregt und ruhig Kontinuität in Aussicht zu stellen. Ihre Risiken: Bisher hat Angela Merkel Peer Steinbrück im Wahlkampf nicht erwähnt. Übertreibt sie diese Nichtachtungsstrategie vor laufender Kamera , kann ihr das als arrogant angekreidet werden.

Die Sendung

Zwischen 14 und fast 21 Millionen Zuschauer haben die Fernsehduelle zwischen Kanzler und Herausforder in den vergangenen Jahren verfolgt. Die Sendung unterliegt strengen, genau festgelegten Regeln. Vier Moderatoren nehmen die beiden Kontrahenten in die Mangel. In diesem Jahr stellen Maybritt Illner und Peter Klöppel sowie Anne Will und Stefan Raab die Fragen. Worüber sie mit Angela Merkel und Peer Steinbrück reden wollen, soll bis zur Sendung geheim bleiben. Es werde um „circa fünf Themenblöcke“ gehen, erklärte Peter Klöppel gestern bei einer Pressekonferenz im Fernsehstudio von Berlin-Adlershof. Darüber hinaus könne er dazu leider „gar nichts“ sagen. Seit einer Woche wissen Angela Merkel und Peer Steinbrück, welche Themen angesprochen werden – mit Sicherheit sind die Lage in Syrien und die Euro-Krise mit dabei. Insgesamt ist die Sendung strikt durchreguliert. Per Losverfahren wurde Peer Steinbrück die Antwort auf die erste Frage zugeteilt – Angela Merkel darf die Schlussfrage beantworten. Beide werden abwechselnd befragt. Beide dürfen ein Schlussstatement abgeben. Beide sollen gleich viel Sendezeit bekommen; deshalb ist vertraglich geregelt, dass es am Ende maximal sechzig Sekunden Zeitunterschied geben darf.

Die Moderatoren:

Anne Will

Ruhe und Kompetenz – das sind in ihren gelungenen Sendungen die hervorstechendsten Merkmale der ARD-Journalistin Anne Will. Die 47-Jährige ist zunächst als Moderatorin im Sport bekannt geworden. Viele trauten ihr 2001 den Wechsel zu den „Tagesthemen“ nicht recht zu. Doch just dort fiel sie durch ihre engagierten Interviews mit Politikern und sonstigen Größen schnell und angenehm auf. 2007 hievten die ARD-Chefs sie auf einen strategisch äußerst wichtigen Sendeplatz – Sonntagabend, nach dem „Tatort“, viertel vor zehn, Polittalk der Woche. Und reichlich unsanft wurde Will von den gleichen Chefs zu Gunsten von Günther Jauch 2011 auf den Mittwoch weggeschubst. Ihre Ruhe hat sie sich bewahrt. An ihrer Kompetenz zweifelt heute keiner mehr.

Peter Kloeppel

Der Mann ist für RTL Gold wert: Seit 1992 moderiert und verantwortet Peter Kloeppel als Chefredakteur die „Aktuell“-Sendungen und hat dem Kölner Privatfernsehen nach und nach echte Nachrichtenkompetenz verschafft. Die Gewichtung der Beiträge mag ein wenig anders sein als bei ARD und ZDF, doch die journalistische Zuverlässigkeit ist keineswegs geringer als bei „Tagesschau“ oder „heute“. Der 54-Jährige ist eigentlich, man glaubt es kaum, Agrarwissenschaftler. Er hat inzwischen viele Journalistenpreise gewonnen, vor allem für seine Berichterstattung über die Terroranschläge am 11. September 2001 in den USA. Kloeppel moderiert bereits sein viertes Wahl-Duell; zumindest die kleinen Tricks der Angela Merkel müsste er also inzwischen durchschaut haben.

Maybritt Illner

Sie ist zweifellos etwas Besonderes: Den Journalismus gelernt hat Maybritt Illner in den achtziger Jahren an dem streng SED-treuen Studiengang an der Uni Leipzig, dann ging es zum DDR-Fernsehen. Heute zählt die 48-Jährige zu den führenden Politikjournalisten beim ZDF, und ihre wöchentliche Polit-Talkshow am späten Donnerstagabend ist längst nach ihr benannt. Im Vergleich zu Anne Will agiert sie im Kreis der Wichtigen gern etwas lauter und zupackender, der Konzentration auf wichtige Fragen tut das nicht immer gut. Immerhin, auch sie zählt bei den TV-Wahlduellen inzwischen zu den Erfahrenen: Im Herbst 2002 fühlte sie schon Gerhard Schröder und Edmund Stoiber auf den Zahn. Die sind beide längst von der Bühne abgetreten.  Die Illner  ist noch  da.

Stefan Raab

Sein Auftritt am Sonntag könnte die größte Überraschung werden, im Guten oder im Schlechten: dass der Musik-Comedian und Late-Show-Master Stefan Raab als Vertreter der privaten Pro-Sieben-Sat-1-Sendegruppe das Wahlduell mitmoderiert, spricht weniger für seine Kompetenz in politischem Journalismus, sondern mehr für das armselige Infoprofil insbesondere von Sat 1: Die Münchner haben auf diesem Gebiet schlicht niemand Gescheites. Nun wird der 46-Jährige vorgeschickt als Sprecher und Vertreter einer jüngeren TV-Gemeinde, die an den gewohnten Abfrageritualen ja eh nicht interessiert sei und stark nach frechen Fragen und einem lockeren Umgangsstil lechze. Für Raab steht deswegen am Sonntag fast ebenso viel auf dem Spiel wie für Merkel und Steinbrück.