Kochshows boomen, sowohl bei Privatsendern wie auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Jetzt wirbt das ZDF Christian Rach von RTL ab, im Gegenzug engagiert der Privatsender Steffen Henssler. Ums Kochen wird es weiterhin nur am Rande gehen.

Köln - Rach, der Restauranttester (RTL), heißt jetzt Henssler. Wo früher Henssler draufstand, da ist nun Herrmann drin. Und Rach arbeitet jetzt für den Sender, für den bislang Henssler tätig war, bis er Rach beerbt hat – also fürs ZDF. Kommen Sie noch mit? Falls nicht, sind Sie nicht allein. Auch andere haben es schwer, den Überblick zu bewahren, welcher TV-Koch gerade für welchen Sender kocht. Das Personalkarussell ist in Bewegung geraten, seitdem das ZDF dem Privatsender RTL eines seiner beliebtesten Aushängeschilder abgeworben hat, Christian Rach. Prompt reagierte RTL und holte den ZDF-Koch Steffen Henssler („Topfgeldjäger“) an Bord, der im Zweiten wiederum von Alexander Herrmann abgelöst wurde.

 

Kleine Rochade, große Verwirrung. Henssler ist der Mario Barth unter den Fernsehköchen. Der quirlige Hamburger füllt mit seinen Kochshows ganze Hallen. Ein paar Fingerübungen auf dem Schneidebrett, Anekdoten über seine Lehr- und Wanderjahre als Sushi-Koch in den USA, ein Gesicht, das jeder kennt. Viel mehr braucht es heutzutage nicht, um sich zu emanzipieren, vom TV-Koch zum Popstar.

Jetzt soll der Junge von der Waterkant bei RTL genau das machen, was bislang Rach gemacht hat. Er soll den Betreibern abgerockter Schnitzelbuden helfen, sich am eigenen Schopf aus dem Schlamassel zu ziehen. Dieselbe Sendung, ein anderer Kopf. Kann das gut gehen?

Mit Bildern von blutigen Steaks lässt sich fast alles verkaufen

Die Personalie wirft ein Licht auf einen Trend, der längst das öffentlich-rechtliche Fernsehen erfasst hat: Kochshows boomen, aber ums Kochen geht es am Rande. Das Essen ist nur noch die Petersilie auf der Sättigungsbeilage, wenn man so will. Mit Bildern von blutigen Steaks oder kunstvoll aufgetürmten Rohkostbergen lässt sich eben fast alles verkaufen. Das wusste schon Alfred Biolek, der Vater aller Fernsehköche. Von 1994 bis 2006 schenkte er in seiner Show „Alfredissimo!“ (WDR) kanisterweise Küchenwein aus, um seinen prominenten Gästen beim Kartoffelschnippeln die eine oder andere Jugendsünde zu entlocken. Der ambitionierte Hobbykoch war zugleich Gourmet und Talkmaster, und man darf Biolek unterstellen, dass er sich für seine Gäste genauso interessierte wie für den Coq au vin auf seinem Teller. Das unterscheidet ihn von den TV-Köchen der neuen Generation.

Es sind Selbstdarsteller wie Johann Lafer oder Steffen Henssler, schlagfertig, schnell und nie um eine Pointe verlegen. Die Küche ist ihre Bühne, und sie nutzen sie für den gepflegten Small Talk mit den Gästen („Lichter! Lafer! Lecker!“), um zu quizzen („Topfgeldjäger“) oder um zu quizzen und zu plaudern („Grill den Henssler – die neue Kocharena“). Kochen im Fernsehen hat inzwischen weniger mit Genuss als mit Wettkampf zu tun. Amateure gegen Profis oder Profis gegeneinander, wenn möglich im Wettlauf gegen die Zeit, so dreht das Fernsehen an der Schraube „Spannung“.

Bilder von Menschen, welche die Augen schließen und ein Soufflé mit einem gedehnten „Aaah!“ oder „Oooh“ kommentieren, findet man heute nur noch bei Vox, in den Kochshows „Das Perfekte Dinner“ oder „Das Perfekte Promi-Dinner“. Hier filmt ein Kamerateam die Köche in ihren eigenen vier Wänden. Man erfährt zum Beispiel, dass der Playboy Rolf Eden ganz in Weiß wohnt und sich zum Kochen eine seiner Verflossenen ausleiht. Streng genommen handelt es sich bei dieser Kochshow um eine Homestory mit dem Schwerpunkt Küche.

Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen

„Rach, der Restauranttester“ wiederum markiert das dritte Segment der Kochshows: der Koch als Coach. Die Doku-Soap übersetzt die klassische Heldengeschichte in ein Genre, das seinen Zenit längst überschritten hat. Help-TV bricht keine Quotenrekorde mehr. Irgendwann haben auch begriffsstutzige Zuschauer kapiert, dass die Halbwertszeit der Patentrezepte der Schuldenberater oder Super-Nannys schon nach dem Ende der Sendung abläuft. Nur „Rach, der Restauranttester“ läuft seit acht Jahren ohne nennenswerte Zuschauereinbrüche. Am Thema liegt das wohl nicht. Man sagt zwar, Essen und Trinken halte Leib und Seele zusammen. Aber die Schnitzel-Schuhsohlen, die der Restauranttester bei RTL verkosten muss, spotten oft jeder Beschreibung.

Nein, der Erfolg dieses Formats war in erster Linie das Verdienst von Christian Rach, 56, einem Mann, dessen eigener Lebensweg keineswegs so geradlinig verlaufen ist, wie es im Fernsehen erscheint.

Abgebrochenes Mathematikstudium, Kellnerjobs, Sternekoch, TV-Coach. Christian Rach kennt das Auf und Ab, das Hin und Her im Leben. Es geht ihm tatsächlich um die Sache als solche. Zwischenzeitlich hat er in Berlin sogar ein Ausbildungsrestaurant für schwer vermittelbare Arbeitslose betrieben. An Authentizität wird ihn sein Nachfolger nicht toppen können.

Wenn er jetzt im ZDF in seiner neuen Show „Rach tischt auf“ erklärt, wie gesund Lachs aus Aquakultur ist, dann schließt sich für ihn ein Kreis. Weg von der Show, hin zum Infotainment. So bürstet der Überzeugungstäter den Trend gegen den Strich. Eine gute Nachricht. Show-Cooking ohne Mehrwert gibt es im Fernsehen genug.