Nach vier Jahren ist Schluss mit Günther Jauch am Sonntagabend nach dem Tatort. Die Bilanz fällt zwiespältig aus. Die letzte Ausgabe der Talkshow war belanglos – und endete mit einer Gegendarstellung.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Berlin/Stuttgart - Darüber sollte man auch einmal nachdenken: Am Sonntagabend haben die beiden derzeit beliebtesten Deutschen miteinander geplaudert. Zwar weist das ZDF-Politbarometer nur Politiker aus, aber immerhin führt Schäuble aktuell auf der Skala. Und Jauch steht bereits seit Jahren auf der Rangliste der deutschen TV-Moderatoren ganz oben. Für seine letzte Sendung am Sonntagabend in der ARD hatte Jauch eine intime Runde zu zweit gewählt, das Thema war dafür desto umfassender: „Am Ende eines Krisenjahres“. Flüchtlinge, Griechenland, Terrorismus: darum ist es gegangen – aber auch um eine seit Jahrzehnten andauernde politischen Karriere, die verbunden ist mit Schlüsselmomenten der jüngeren deutschen Geschichte: der Einheit und dem Niedergang Helmut Kohls. Dass die Sendung mit einer Gegendarstellung enden musste – ein journalistisches Waterloo – machte aus der letzten Sendung einen fast würdelosen Abschied.

 

In den großen Zusammenhängen der Sendung ist das Schicksal einer TV-Sendung zwar bedeutungslos, aber ganz heimlich denkt der Zuschauer und Kritiker trotzdem mit: Ja, es war auch eine Krisenzeit für Jauchs Polittalk. Es war in diesem Jahr, als Jauch den damaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis mit dem Video von dessen vermeintlichen Stinkefinger gegen die Deutschen konfrontierte und am Ende vom ZDF-Fernsehnarren Jan Böhmermann regelrecht vorgeführt wurde, der frech behauptete, das Video sei von ihm gefälscht worden. Der Auftritt eines Berliner Salafistenpredigers liegt zwar schon etwas länger zurück, aber für viele Kritiker gilt diese Sendung als echter Tiefpunkt der Talkshow – von dem sie sich nie wieder so recht erholt hat. Insofern wollte Jauch mit der Entscheidung, mit Wolfgang Schäuble lediglich einen einzigen Gast zu begrüßen, wohl auch auf Nummer Sicher gehen – was ihm gelungen ist. Deutschlands Bundesfinanzminister ist nicht nur auf der politischen Bühne ein alter Hase, sondern auch auf den Fernsehsesseln dieser Nation.

Jauch nicht mehr als ein Stichwortgeber

Und so nutzte Schäuble die Tatsache, dass niemand da war, der ihm widersprechen mochte – mehr als ein Stichwortgeber war Jauch leider nicht –, zum Beispiel den Sozialdemokraten Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, kräftig abzumeiern. Schulz hatte in der neuen Ausgabe des Nachrichtenmagazins Spiegel Schäuble mit Blick auf dessen harte Haltung in der Eurokrise eine Mitverantwortung für eine drohende Spaltung Europas zugesprochen. Der Kommentar des Bundesfinanzministers: „Das muss man nicht ernst nehmen.“ Unkommentiert lassen wollte Schäuble auch den Auftritt Horst Seehofers auf dem CSU-Parteitag, als er Kanzlerin Merkel minutenlang auf offener Bühne vorgeführt hatte: „Mein Senf dazu fehlt nicht.“

Erkenntnisreicher gewesen sind Schäubles Antworten zu seiner Loyalität zu Merkel, die begleitet wurden von einem Film-Einspieler zum Verhältnis der Beiden. Erinnert wurde an die CDU-Parteispendenaffäre Ende der 90er Jahre, als Helmut Kohl die Partei ins Desaster stürzte. Wer genau zuhörte und sich zugleich bewusst machte, was Schäuble und Merkel bereits zusammen erlebt und gemeistert haben, der muss wohl zu der Erkenntnis kommen, dass eine in jüngster Zeit immer wieder kolportierte Revolte gegen die Kanzlerin kaum vom langjährigen treuesten Paladin angeführt werden würde. Schäuble ist kein Revoluzzer. Nicht festlegen wollte sich Schäuble bei der Frage, wann er seine politische Laufbahn beenden möchte.

Jauch scheint eine Checkliste abzuarbeiten

Ansonsten musste der Zuschauer gelegentlich den Eindruck gewinnen, dass Jauchs Plan für den Abend vor allem darin bestand, eine Checkliste abzuarbeiten: Schäubles missverständliche Äußerung, in der er die Flüchtlingskrise in den Zusammenhang mit dem Bild von der Lawine brachte; Schäubles Verhältnis zu Helmut Kohl; das Attentat, seit dem der Politiker an den Rollstuhl gefesselt ist; das Nein der Hamburger zu einer Bewerbung für die Ausrichtung der Olympischen Spiele.

Fazit: Weil sich an dem Abend zwei alte Hasen gegenüber saßen, von denen der Gastgeber dem Gast aber auch so gar nichts zumuten wollte, konnte kaum etwas schiefgehen. Als Anspruch für eine Polittalkshow mit Meinungsführerschaft reicht das natürlich ansatzweise nicht. Zugleich konnte Jauch aber im Zwiegespräch an diesem Abend seine Stärken ausspielen, zu denen vor allem seine unprätentiöse Menschlichkeit zählt. Als Dompteur in einer Arena voll mit Alphatieren ist Jauch vier Jahre lang eine Fehlbesetzung gewesen.

Dass die Sendung mit einer Gegendarstellung enden musste – Tom Junkersdorf, Chefredakteur der Zeitschrift Closer, hatte sich erfolgreich gegen Vorwurf gewehrt, er habe es abgelehnt, an einer Sendung teilzunehmen, in der es um Prominente und die Grenzen der Berichterstattung ging –, ist dann fast ein bisschen würdelos gewesen – aber auch ein bisschen symptomatisch dafür, dass in dem Jauchschen Polittalk irgendwann der Wurm drin gewesen ist.