Der Kurznachrichtendienst will die augenblicklich gute Stimmung für Online-Aktien an der Börse nutzen – und die Fehler des Konkurrenten Facebook bei dessen Börsenstart im vergangenen Jahr vermeiden.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Twitters Ankündigung des eigenen Börsengangs hat die Investoren stilecht erreicht: in einem Tweet. „Wir haben bei der US-Börsenaufsicht SEC auf dem Formular S-1 den Antrag zu einem Börsengang gestellt. Dieses Tweet ist kein direktes Verkaufsangebot für irgendwelche Wertpapiere“, so hat Twitter jetzt verlauten lassen – auf Englisch in sechs weniger als die maximal erlaubten 140 Zeichen verpackt, die das Markenzeichen des 2006 gegründeten Internet-Kurznachrichtendienstes sind. Damit stehen die USA nach dem Börsendebüt des sozialen Netzwerks Facebook im Mai 2012 wohl im kommenden Jahr vor einem weiteren großen Börsengang eines Internetunternehmens.

 

Twitter nähert sich inzwischen der Schwelle von 300 Millionen Nutzern. 400 Millionen Tweets werden täglich verschickt. Mit dem Börsengang will man Geld für die weitere Expansion einsammeln. Dank inzwischen etablierter Angebote für Werbekunden glaubt Twitter offenbar, dauerhaft die Gewinnschwelle erreicht zu haben. Zum Umsatz gibt es allerdings nur Schätzungen. Der Branchendienst E-Marketer nennt für 2013 knapp 600 Millionen Dollar. Wenn man die Preise zum Maßstab nimmt, die auf dem Graumarkt zirkulierende, meist von Twitter-Mitarbeitern abgekaufte Unternehmensanteile erzielen, dürfte der Unternehmenswert bei rund zehn Milliarden Dollar ( 7,5 Milliarden Euro) liegen – das sind deutlich weniger, als die 109 Milliarden Dollar, die Facebook mit seinen 1,2 Milliarden Nutzern laut dem aktuellen Börsenkurs wert ist.

Twitter will die Fehler von Facebook vermeiden

Mit dem zunächst vertraulichen Antrag bei der Börsenaufsicht hat das Unternehmen ein erst 2012 in Kraft getretenes, von der Regierung Obama propagiertes US-Gesetz genutzt, das es Firmen unterhalb eines Jahresumsatzes von einer Milliarde Euro erlaubt, einen Börsengangs erst einmal abseits der Öffentlichkeit zu sondieren. Mit diesem diskreten Vorgehen hat Twitter die Konsequenz aus den überzogenen Erwartungen gezogen, die sich im Frühjahr 2012 um den Börsengang von Facebook rankten. Spätestens 21 Tage vor der ersten Börsennotiz müssen aber alle relevanten Firmendaten offengelegt werden.

Beide Unternehmen konkurrieren letztlich um dasselbe Nutzersegment: Sie wollen möglichst zum ersten und zentralen Anlaufpunkt werden, wenn sich Menschen auf ihren Smartphones und iPads mit anderen austauschen. Die Aktie von Facebook war jedoch bald nach ihrem Börsendebüt weit unter den Ausgabepreis von 38 Dollar abgerutscht. Um bis zu 70 Prozent brach das Papier ein. „Wenn es um einen glatten Börsengang geht, sollten die besser nicht mich fragen“, sagte der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg auf der „Tech-Crunch Disrupt“-Fachkonferenz in San Francisco am Mittwoch dieser Woche scherzhaft. Doch Facebook ist zugleich das Paradebeispiel für einen Stimmungswandel. Im vergangenen Vierteljahr hat sich der Wert der Facebook-Aktie fast verdoppelt. Passenderweise am Tag der Twitter-Ankündigung hat sie mit 45,62 Dollar ihren bisherigen Höchststand erreicht.

Das hat durchaus objektive Gründe. Facebook scheint in den vergangenen Monaten das Problem gelöst zu haben, wie man Werbung auf den für die Internetnutzung immer wichtigeren Mobilgeräten platzieren kann. Allein in diesem Jahr will Facebook seine Einnahmen aus mobiler Werbung und auch seinen Marktanteil in diesem Anzeigensegment verdreifachen. „Facebook hat das Spektrum seiner Anzeigenkunden vergrößert, vor allem aus dem Bereich der Unterhaltungsindustrie“, heißt es bei der US-Großbank JP Morgan.

Auch Twitter profitiert von dem Trend zu mehr Werbung auf Mobilgeräten. Zwar ist bei der mobilen Werbung im Internet der Marktanteil des Unternehmens im Vergleich zu Google, aber auch zu Facebook immer noch niedrig. Doch der geplante Twitter-Börsengang belegt die insgesamt wieder bessere Stimmung für Internetaktien, die unter dem verpatzten Debüt der Facebook-Papiere gelitten haben. Der Internet-Couponanbieter Groupon hatte 2012 sogar drei Viertel seines Wertes verloren. Aber nun sehen die Zahlen nicht nur für Facebook wieder deutlich besser aus. Groupon hat in den vergangenen drei Monaten um fast drei Viertel zugelegt. Linkedin, ein soziales Netzwerk für berufliche Kontakte, das in den Krisenmonaten weniger gebeutelt worden war, hat seinen Börsenwert in diesem Jahr mehr als verdoppelt. Ein Investor jedenfalls kann einem Börsengang von Twitter schon entgegenfiebern: Amazon-Gründer Jeff Bezos hat sich früh dort eingekauft.

Wie verdient Twitter Geld?

Werbe-Tweets
– Oberhalb der Trendthemen auf der Twitter-Seite können Anzeigenkunden eigene Tweets platzieren. Eine solche Präsenz kostet in einem 24-Stunden-Zeitraum rund 120 000 Dollar. Seitdem Twitter seine Trends nach Ländern spezifiziert, kann Werbung auch regional vermarktet werden.

Kommerzielle Twitterkonten
– Gegen Bezahlung gibt Twitter seinen Werbekunden auch die Möglichkeit, bestimmte Nutzergruppen gezielt zu animieren, sich in das Twitterangebot eines Unternehmens einzuklinken. Seit dem vergangenen Jahr können Firmen ihre Twitterseiten auch über die Kurznachrichten hinaus ausbauen und dort etwa Spiele und Portale für den Online-Einkauf platzieren.

Dealen mit Daten
– Twitter verkauft auch den Zugang zu seinem gesamten Datenstrom. Internetunternehmen wie Google und Microsoft nutzen etwa diese Daten, um die Trefferquote ihrer Suchmaschinen zu verbessern. Twitter gilt mit seinen schnellen Reaktionszeiten als Seismograf für aktuelle Trends.