Kultur: Tim Schleider (schl)

Fünfzehn Jahre dauerte es, bis Jürgens mit „17 Jahr’, blondes Haar“ einen ersten Erfolg in Deutschland erzielte. Und gleich darauf, im Frühjahr 1966, eröffnete ihm der erste Platz beim Grand Prix d’Eurovision mit „Merci Cherie“ die Weltkarriere. Wer übrigens aus der melodischen Einfachheit der ersten Zeilen auf die Simplizität des Ganzen schließt, irrt gewaltig und sollte sich „Merci Cherie“ noch einmal in Ruhe komplett anhören, inklusive Tonsprüngen und Tonartwechsel. Dann kann man nachvollziehen, dass sich der 32-Jährige damals in Luxemburg vor lauter Versagensängsten eigentlich kaum auf die Bühne traute.

 

Seitdem komponiert und singt Udo Jürgens Lieder, hat sich vielfach entwickelt und neu erfunden („Udo ’70“; „Udo ’80“), wurde mal zum Discohüpfer („Ich weiß, was ich will“), mal zum satirischen Milieuforscher („Aber bitte mit Sahne“), mal zum Protestler („Lieb Vaterland“), nahm sogar große beinah-sinfonische Dichtungen mit den Berliner Philharmonikern auf („Wort“), in denen er über die Kraft und die Abgründe der Sprache räsonierte und sich sogar traute, im Hintergrund ganz leis, eher spür- als hörbar das hysterische, enthemmte Geschrei der Massen bei einer NS-Propagandarede einzublenden.

Ist es mit achtzig nicht langsam genug? Nein. Die Vorstellung, ausreichend Lieder gefunden zu haben, bleibt ihm von Herzen fremd. Gerade ist im Frühjahr sein 38. Studioalbum erschienen, „Mitten im Leben“. Und am 31. Oktober startet seine nächste Tournee. Premiere ist in Stuttgart. Und wo? In der Liederhalle? In der Porsche-Arena? Nein, natürlich in der Schleyerhalle.

Udo Jürgens redet sich auch das Alter nicht schön

„Atemlos, schwindelfrei, großes Kino für uns zwei“, so besingt Helene Fischer die große Sehnsucht im kleinen Alltag. Udo Jürgens singt derweil „Ich war noch niemals in New York“ – auch ein großer Mitsing-Titel. Während Helene Fischer zum Schluss kommt: „Wir sind unzertrennlich, irgendwie unsterblich / Komm nimm’ meine Hand und geh’ mit mir“, hat Jürgens eine ganz andere Pointe parat. Der Aufbruchwillige kehrt von seinem abendlichen Zigarettenkauf dann doch nach Hause zurück. „Sie fragte: ,War was?‘ – ,Nein, was soll schon sein.‘“ Keine Frage, bei Fischer möchte man sein. Na ja, vielleicht. Aber bei Jürgens ist man.

Um seinen „New York“-Song kommt Jürgens bei keinem Konzert herum. Spätestens im Zugabenteil, gekleidet im berühmten weißen Bademantel gibt er ihn zum Besten. Er weiß, so hat er es in Interviews jetzt zu Protokoll gegeben, dass der achtzigste Geburtstag eine Grenze aufscheinen lässt, die auch er nicht ignorieren kann. Aber anders als die allermeisten der Branche singt er weiter grundsätzlich live, besteht auf erstklassiger Bigband-Begleitung durch den langjährigen Weggefährten Pepe Lienhard. Seine älter gewordene Stimme durch elektronische Tricks noch mal aufpeppen und verjüngen? Undenkbar.

Sehr ernsthaft beschloss der sechzehnjährige Klagenfurter Jürgen Udo Bockelmann 1950, gegen den Widerstand der großbürgerlichen Familie und trotz der Ausbildung zum klassischen Musiker am Mozarteum in Salzburg besagte Karriere eines Unterhaltungssängers anzustreben. Der Weg war nicht leicht und führte über unzählige bunte Abende einmal kreuz und quer durch die Provinz. Der junge Mann, der sich aus seinen vertauschten Vornamen das Künstler-Ego Udo Jürgens bastelte, hatte zweifellos Talent, das bestätigen seine Kollegen von damals. Aber der junge Mann hatte auch Ansprüche an das Niveau seiner Arbeit. Er war erstaunlich ernsthaft bei der Sache. Da trällerten sich zeitgleich seine Altersgenossen Cornelia Froboess, Gitte, Rex Gildo oder Peter Kraus deutlich leichtzüngiger in die Schlagerparaden.

Fünfzehn Jahre über die Dörfer gezogen

Fünfzehn Jahre dauerte es, bis Jürgens mit „17 Jahr’, blondes Haar“ einen ersten Erfolg in Deutschland erzielte. Und gleich darauf, im Frühjahr 1966, eröffnete ihm der erste Platz beim Grand Prix d’Eurovision mit „Merci Cherie“ die Weltkarriere. Wer übrigens aus der melodischen Einfachheit der ersten Zeilen auf die Simplizität des Ganzen schließt, irrt gewaltig und sollte sich „Merci Cherie“ noch einmal in Ruhe komplett anhören, inklusive Tonsprüngen und Tonartwechsel. Dann kann man nachvollziehen, dass sich der 32-Jährige damals in Luxemburg vor lauter Versagensängsten eigentlich kaum auf die Bühne traute.

Seitdem komponiert und singt Udo Jürgens Lieder, hat sich vielfach entwickelt und neu erfunden („Udo ’70“; „Udo ’80“), wurde mal zum Discohüpfer („Ich weiß, was ich will“), mal zum satirischen Milieuforscher („Aber bitte mit Sahne“), mal zum Protestler („Lieb Vaterland“), nahm sogar große beinah-sinfonische Dichtungen mit den Berliner Philharmonikern auf („Wort“), in denen er über die Kraft und die Abgründe der Sprache räsonierte und sich sogar traute, im Hintergrund ganz leis, eher spür- als hörbar das hysterische, enthemmte Geschrei der Massen bei einer NS-Propagandarede einzublenden.

Ist es mit achtzig nicht langsam genug? Nein. Die Vorstellung, ausreichend Lieder gefunden zu haben, bleibt ihm von Herzen fremd. Gerade ist im Frühjahr sein 38. Studioalbum erschienen, „Mitten im Leben“. Und am 31. Oktober startet seine nächste Tournee. Premiere ist in Stuttgart. Und wo? In der Liederhalle? In der Porsche-Arena? Nein, natürlich in der Schleyerhalle.

Udo Jürgens redet sich auch das Alter nicht schön

„Atemlos, schwindelfrei, großes Kino für uns zwei“, so besingt Helene Fischer die große Sehnsucht im kleinen Alltag. Udo Jürgens singt derweil „Ich war noch niemals in New York“ – auch ein großer Mitsing-Titel. Während Helene Fischer zum Schluss kommt: „Wir sind unzertrennlich, irgendwie unsterblich / Komm nimm’ meine Hand und geh’ mit mir“, hat Jürgens eine ganz andere Pointe parat. Der Aufbruchwillige kehrt von seinem abendlichen Zigarettenkauf dann doch nach Hause zurück. „Sie fragte: ,War was?‘ – ,Nein, was soll schon sein.‘“ Keine Frage, bei Fischer möchte man sein. Na ja, vielleicht. Aber bei Jürgens ist man.

Um seinen „New York“-Song kommt Jürgens bei keinem Konzert herum. Spätestens im Zugabenteil, gekleidet im berühmten weißen Bademantel gibt er ihn zum Besten. Er weiß, so hat er es in Interviews jetzt zu Protokoll gegeben, dass der achtzigste Geburtstag eine Grenze aufscheinen lässt, die auch er nicht ignorieren kann. Aber anders als die allermeisten der Branche singt er weiter grundsätzlich live, besteht auf erstklassiger Bigband-Begleitung durch den langjährigen Weggefährten Pepe Lienhard. Seine älter gewordene Stimme durch elektronische Tricks noch mal aufpeppen und verjüngen? Undenkbar.

Udo Jürgens zeigt, dass Unterhaltung nur dann wirklich gut sein kann, wenn sich künstlerisches Potenzial mit Handwerk und Ernsthaftigkeit verbindet. Ach ja, und dann fehlt immer noch etwas: „Es muss auch Haltung dabei sein“, sagt Udo Jürgens. „Die steckt nicht umsonst im Wort Unterhaltung mit drin.“ Eben: Respekt.