Der langjährige ZDF-Korrespondent Udo van Kampen geht in den Ruhestand. Nächste Woche wird er in Brüssel verabschiedet. Und bald geht er zu Bertelsmann.

Brüssel - Udo van Kampen, der scheidende Brüsseler ZDF-Korrepondent, spricht über Deutschlands Rolle, politische Freundschaften, sein Ständchen für die Kanzlerin und seine neue Aufgabe bei Bertelsmann. In Brüssel, der Stadt zum Arbeiten, habe er sich wohl gefühlt.
Herr van Kampen, kaum treten Sie vom Bildschirm ab, scheint die Eurokrise wiederzukehren. Sehnen Sie sich schon nach der Krisenberichterstattung zurück?
Für mich war das – Eurokrise hin oder her – ein guter Schnitt. Es gibt ein neues Europaparlament, eine neue EU-Kommission, ihr Chef Juncker ist auf gutem Weg.
Er ist Ihr Lieblingspolitiker, oder nicht?
Jean-Claude Juncker kenne ich ebenso wie Martin Schulz seit dreißig Jahren, und ich bin beiden sehr verbunden. Ich glaube auch, dass Juncker das Zeug dazu hat, die von ihm angestoßene Reform der EU-Kommission wirklich hinzubekommen.
Es heißt immer wieder, dass die älteren Brüsseler Kollegen für Europa brennen würden, während die jüngeren die Europäische Union distanzierter und nüchterner betrachteten. Teilen Sie den Eindruck?
Ich brenne noch immer für Europa wie am ersten Tag. Als ich 1987 nach Brüssel kam, galt diese Arbeit als etwas für Spezialisten oder Überzeugungstäter, wenn Sie so wollen. Das wollte keiner machen, ich war fast der einzige Bewerber. In Bonn dachten damals viele: Das, was die da in Straßburg und Brüssel beschließen, ist völlig unwichtig.
Das hat sich geändert. Trotzdem oder gerade deswegen scheinen viele der Jüngeren das Thema leidenschaftsloser zu sehen.
Ich bin einmal mit meinen Kindern über den Rhein von Kehl nach Straßburg gefahren und habe erzählt, dass hier einmal eine Grenze war und ich vor den Zöllnern gezittert habe, weil ich ein paar Flaschen Pinot Noir oder Crémant im Kofferraum hatte. Der Alte erzählt von damals, hieß es dann. Aber die Jüngeren spüren, dass Krieg wieder realistisch ist vor den Toren Europas und der Terror zu uns kommt. Da wächst die Einsicht, dass den Herausforderungen von morgen nur mit mehr, nicht mit weniger Europa begegnet werden kann.
Was war Ihr wichtigstes EU-Erlebnis?
Der Gipfel Ende 1989, kurz nach dem Mauerfall, in Straßburg. Der hat gedauert und gedauert. Es wurde darum gerungen, ob der Fall der Mauer im Abschlusskommuniqué überhaupt begrüßt wird. Mir wurde auf einen Schlag klar, wie viel Skepsis und Sorge rund um Deutschland noch herrschte. Die Angst vor dem größeren Deutschland ist noch da – wobei es jetzt um seine wirtschaftliche Dominanz geht.
Wie hat sich der Fernsehjournalismus in dieser Zeit aus Ihrer Sicht verändert?
Das Medium ist wahnsinnig schnell geworden. Wenn in meiner ersten Brüsseler Zeit von 1987 bis 1995 zwei Stunden vor der „heute“-Sendung noch kein Gipfelbeschluss vorlag, hieß es, dass wir nichts mehr machen. Wenn heute um 18.55 Uhr eine Entscheidung kommt, erwarten alle, dass wir damit um sieben auf Sendung sind.
Vom Tag, der die Welt verändert hat, haben Sie uns berichtet - am 11. September 2001 direkt aus New York.
Das war ein Erlebnis, das man nie vergisst. Wir haben alles hautnah miterlebt, konnten vom ZDF-Studio aus sehen, wie das zweite Flugzeug einschlug. Wir haben eine Woche im Studio gelebt, denn wir waren praktisch 24 Stunden am Stück live.
Verfolgen Sie diese Ereignisse im Schlaf oder bucht ein Journalist so etwas eher als beruflichen Höhepunkt ab?
Mir wurde erst viel später bewusst, was 9/11 eigentlich bedeutet. In dem Moment, in dem es passierte, war ich fast erschrocken, wie kühl und professionell ich reagierte. Man war nur mit einem beschäftigt: wie komme ich an Informationen, wie an Bilder? Wie bekomme ich sie nach Mainz übermittelt? Es herrschte ja totales Chaos in New York. Erst danach stellte sich Betroffenheit und Trauer ein.