Deutschland könnte von möglichen zusätzlichen Handelsbeschränkungen Moskaus stärker betroffen sein als bisher. Auf der Liste stehen Maschinen und Anlagen. Auch Automobile, die in Europa endmontiert wurden, sollen auf die schwarze Liste.

Moskau - Russland droht dem Westen mit schärferen Sanktionen. Für den Fall, dass auch die Vierer-Konsultationen der Außenminister Russlands, der Ukraine, Deutschlands und Frankreich, zu deren ersten Ergebnissen sich alle Beteiligten mit verhaltenem Optimismus äußerten, den Durchbruch in der Ukraine-Krise verfehlen, könnte Russland gegen Europa, die USA, Kanada und Australien neue Sanktionen verhängen. Eine detaillierte Liste, schreibt die unabhängige Moskauer Wirtschaftszeitung „Vedomosti“, sei bereits in Vorbereitung. Und diesmal könnte es auch Deutschland hart treffen; bei dem Einfuhrstopp für Lebensmittel, den die russische Regierung vor knapp zwei Wochen beschloss, kam Deutschland noch glimpflich davon. Agrarerzeugnisse sind am Gesamtexport bundesdeutscher Unternehmen nach Russland mit weniger als drei Prozent beteiligt.

 

Den Löwenanteil machen Maschinen und Anlagen aus. Eben diese Produkte stehen laut „Vedomosti“ ganz oben auf der Liste möglicher neuer Einfuhrbeschränkungen. Und russische Beamte sind offenbar gewillt, den Begriff umfassend auszulegen. So sollen nicht nur Fräsmaschinen, sondern auch Passagierflugzeuge und Automobile, die in Europa endmontiert worden sind, auf die schwarze Liste kommen.   Das Blatt beruft sich auf eine hochrangige Quelle im Präsidentenamt. Den Feinschliff soll demnach Wladimir Putin persönlich besorgt haben; der Kremlchef soll aber ausdrücklich Anweisung erteilt haben, neue Sanktionen nur zu verhängen, wenn der Westen sein Embargo verschärft. Indirekt bestätigte das auch Putins Pressesprecher. Die USA und die EU hätten Russland die Importsperre aufgezwungen, sollten diese erneut an der Sanktionsspirale drehen, werde auch Moskau entsprechend reagieren. Ähnlich hatte sich letzte Woche schon Regierungschef Dmitri Medwedew geäußert und dabei vor allem mit einem Überflugverbot für europäische und nordamerikanische Airlines gedroht. Die Flugzeiten für Ziele in Fernost und Südostasien würden sich dann erheblich verlängern, zwangsläufig auch der Kerosinverbrauch steigen. Mehrkosten dürften die Fluggesellschaften ungebremst an die Kunden weitergeben.

Der Importstopp hat offenbar das Zeug zum Bumerang

Die deutsch-russische Außenhandelskammer in Moskau hatte gleich nach Inkrafttreten des russischen Lebensmittelembargos an die Politik appelliert, die „Sanktionsspirale“ zu stoppen. Inzwischen warnen auch russische Unternehmerorganisationen vor einer Eskalation wirtschaftlicher Unfreundlichkeiten. Anders als Kreml und Regierung zunächst versicherten, hat der Importstopp für westliche Lebensmittel offenbar doch das Zeug zu einem Bumerang. Russische Großhändler bereiten Supermarktketten bereits schonend auf Preissteigerungen zwischen 30 und 50 Prozent vor. Der Weg bei der Lieferung von Lachs, der vor der russischen oder der chilenischen Pazifikküste gefangen wird, sei um ein Mehrfaches weiter als der von der Barentssee, wo der Fisch bisher den Norwegern ins Netz ging. Auch sind die Schwellenländer in Lateinamerika und Asien derzeit offenbar nicht in der Lage, Russlands Bedarf an Nahrungsmitteln für Diabetiker oder Allergiker zu decken. In aller Stille lockerte Moskau daher schon vergangene Woche die Sanktionen. Laktosefreie Produkte, Saatgut und Lachsbrut dürfen wieder passieren, auch bei Sportlernahrung mit hohem Proteinanteil sind Lockerungen geplant.

Europas größter Autobauer Volkswagen hält trotz der anhaltenden Krise an seinen Investitionsplänen in Russland fest. VW-Chef Martin Winterkorn hatte Ende 2013 bei einem Besuch von Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) im VW-Werk von Kaluga bei Moskau betont: „Bis Ende 2018 investieren wir weitere 1,2 Milliarden Euro in Russland.“ Nach Unternehmensangaben vom Montag haben diese Planungen Bestand. „Wir beobachten die Lage in Russland sehr aufmerksam“, erklärte ein Sprecher allerdings.

Winterkorn hatte Russland als strategischen „Wachstumsmarkt Nummer eins in Europa“ bezeichnet. Der VW-Absatz lag 2013 aber unter Vorjahresniveau – der Markt schwächelte schon vor der Krise. 2013 hat VW insgesamt 287 264 Fahrzeuge in Russland ausgeliefert, was bei weltweit 9,73 Millionen Autos einen geringen Anteil ausmacht. Seit 2006 hat der Konzern 1,3 Milliarden Euro in die lokale russische Produktion gesteckt. Seit November 2007 bauen in Kaluga die gut 5000 Mitarbeiter VW-Modelle wie Tiguan und Polo sowie den Kleinwagen Fabia der tschechischen Konzernmarke Skoda. 2011 folgte ein Abkommen zur Auftragsfertigung beim russischen Autoriesen GAZ: seit dem ersten Halbjahr 2013 produziert er in Nischni Nowgorod den VW-Jetta.