Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)


Die Ultras sehen sich nicht als reine Jubelperser der Vereine, sondern stehen dem Fußball und dem eigenen Verein kritisch gegenüber. Sie wehren sich gegen die fortschreitende Kommerzialisierung, die Stilisierung zum Ereignis. Ultras dokumentieren ihre Kritik häufig durch Transparente, auf denen Stadionverbote kritisiert werden oder mit Spruchbändern wie "Gegen den modernen Fußball". Sie verfügen über einen hohen Organisationsgrad und verweigern den direkten Kontakt mit der Polizei.

Sie reiben sich daran, dass in manchen Stadien Transparente am Zaun verboten sind. Sei es, um Werbebanden nicht zu verdecken, sei es, um zu verhindern, dass man sich dahinter den Aufzeichnungen der Polizei entzieht. Sie geißeln die Salamispieltage, sie setzen sich für die Genehmigung von Pyrotechnik ein und kritisieren die Doppelmoral der Medien, wenn bei Spielen im Ausland von südländischer Atmosphäre geschwärmt wird.

Die Ultraszene ist Segen und Fluch zugleich


Es ist ein schmaler Grat zwischen Verharmlosung und Dramatisierung, auf dem man sich bewegt. Sie sind ein Segen. Für Stimmung unersetzlich. Und ein Fluch. Dr. Jekyll und Mr. Hyde, zumal auch die deutsche Ultraszene heterogen ist. Das Commando Cannstatt bezeichnet sich als unpolitisch, homophobe Sprechchöre lehnen sie ab. Sie stehen auch für eine Art Hygiene der Kurve, auf der anderen Seite aber ziehen sie Publikum an, das den Fußball nur als Plattform zur Selbstdarstellung nutzt und dadurch den Anspruch der Ultras konterkariert: Identifaktion statt Eventgast.

Im Vereinsheim des Commando Cannstatt hängen die Devotionalien eines Ultralebens. Shirts, Poster, Wimpel. "Freiraum - Ultra-Attitude" steht auf einem T-Shirt. Auf dem Tisch liegt der Jahresbericht der Zentralen Informationsstelle für Sporteinsätze (Zis). Oliver Schaal kennt den Inhalt bestens. Von zunehmender Gewalt ist da unter anderem die Rede, von einer Radikalisierung der Ultraszene. Die Ultras klagen über steigende Repression, vor allem bei Auswärtsspielen. Manche rufen "ACAB" - "All Cops Are Bastards" -, oder "Fußballfans sind keine Verbrecher". Dies sei auch eine Folge der Repression, sagt Schaal .

Bei der Zis wehrt man sich gegen den Vorwurf: "Die Ultras sind für ihr Verhalten ebenso verantwortlich wie jeder andere. Zwischen der Forderung nach Selbstregulierung und der Erwartung auf Beachtung gesellschaftlichen Normen entstehen automatisch Spannungsfelder."