Eine Befragung zeigt: Ein Großteil der russischen Bevölkerung unterstützt den Kurs ihres Präsidenten Wladimir Putin. Mehr als die Hälfte der Befragten sieht sich von den Sanktionen des Westens nicht hart getroffen.

Stuttgart - Geschickte Propaganda könne Wunder wirken, glaubt der kremlkritische Politikwissenschaftler Dmitri Oreschkin und meinte die jüngsten Umfragen des Lewada-Zentrums, des letzten unabhängigen Meinungsforschungsinstituts in Russland. Die Demoskopen hatten der Nation Ende Juni – unmittelbar nach Verlängerung westlicher Sanktionen und russischer Gegen-Sanktionen wegen der Ukraine-Krise – den Puls gefühlt.

 

Was dabei herauskam, macht Spekulationen, wonach das Embargo die Russen bewegen könnte, von ihrem Führungspersonal abzurücken, zu Makulatur. Immerhin 70 Prozent wollen demzufolge, dass Kreml und Regierung ihre Politik fortsetzen, nur jeder fünfte ist für die Suche nach einem Kompromiss.

Zwar glauben 46 Prozent, die Sanktionen richteten sich gegen breite Schichten der Bevölkerung. Gleichzeitig aber gaben 49 Prozent zu Protokoll, sie und ihre Familien hätten dadurch „keine ernstlichen Probleme“. Auch das deckt sich mit den Ergebnissen früherer Umfragen. Weitere dreizehn Prozent haben angeblich „überhaupt keine Probleme“. Im letzten Herbst behaupteten das allerdings noch 35 Prozent. Jeder Zweite – 53 Prozent – rechnet auch künftig nur mit unwesentlichen Problemen aufgrund der Sanktionen.

Scharfe Töne werden als Missachtung Russlands gesehen

Mit den Sanktionen wolle der Westen Russland erniedrigen, glauben zwei Drittel der Befragen, 21 Prozent erklärten sie mit Versuchen, das aus westlicher Sucht durch den Anschluss der Krim an Russland gestörte   geostrategische Gleichgewicht wiederherzustellen. Den Beitritt selbst halten 87 Prozent für „richtig“ oder „eher richtig“.

Das Lewada-Zentrum stellt diese Frage seit Juni 2014 quasi im Monats-Takt, die Werte haben sich so gut wie nicht verschoben. Der Anteil jener, die sich einen Russland-Beitritt der Ost-Ukraine wünschen, sank dagegen rapide: Von 48 Prozent im Sommer 2014 auf nun 19 Prozent. Dafür stieg der Anteil der Befürworter schärferer russischer Gegenaktionen um vier Zähler und liegt derzeit bei 38 Prozent.

Die Konfrontation mit dem Westen, so Lewada-Vize-Direktor Alexei Graschdankin, habe erheblich an Fahrt gewonnen. Auch würden die Russen schärfere Töne gegenüber Kremlchef Wladimir Putin als Missachtung für das Land interpretieren, das er repräsentiert – mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Nie, das bestätigt eine weitere Lewada-Umfrage von Ende Juni, sahen so viele Europa als bloßes militärisches Anhängsel der USA und damit als potenziellen Kriegsgegner. Derzeit sind es 23 Prozent, 2006, als die Soziologen erstmals danach fragten, waren es nur acht Prozent. Und glaubten damals zwölf Prozent der Befragten, Europa nähme Russland als möglichen Kriegsgegner wahr, sind es inzwischen 30 Prozent.