Weltweit machen Frauen ihre Erfahrungen mit sexueller Belästigung öffentlich, Männer bekennen sich zu ihren Taten. Auch in Deutschland ist das Problem erschreckend verbreitet, wie eine Umfrage zeigt.

Berlin - Fast die Hälfte der Frauen in Deutschland hat einer Umfrage zufolge sexuelle Belästigung erfahren. 43 Prozent der befragten Frauen gaben an, schon einmal sexuell bedrängt oder belästigt worden zu sein - gegenüber zwölf Prozent der befragten Männer. Einen großen Generationenunterschied gibt es dabei nicht: In allen Altersgruppen liegt der Anteil der Betroffenen insgesamt bei jeweils knapp unter einem Drittel. Das ergab eine Umfrage des Instituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur, an der Ende Oktober insgesamt 2056 Menschen teilnahmen.

 

Die Ergebnisse zeigen, wie verbreitet die Übergriffe auch in Deutschland sind, nachdem Missbrauchsvorwürfe gegen den US-Filmmogul Harvey Weinstein weltweite Diskussionen entfacht hatten. Mitte des Monats hatte eine YouGov-eigene Umfrage mit 2388 Teilnehmern schon ähnliche Zahlen zu Betroffenen von sexueller Belästigung ergeben. Die häufigste Art der Belästigung sind demnach Berührungen (rund 28 Prozent), gefolgt von anzüglichen Sprüchen (24 Prozent).

Von den Übergriffen im Beruf kamen die meisten von gleichgestellten Kollegen

Den neuen Zahlen zufolge hat zudem mehr als jeder sechste Mann in Deutschland schon einmal jemanden sexuell bedrängt. 18 Prozent der befragten Männer räumten ein, sich selbst so verhalten zu haben, dass das Gegenüber dies „als unangemessen oder sexuell bedrängend empfunden haben könnte“. Unter den teilnehmenden Frauen lag der Anteil mit sechs Prozent deutlich niedriger.

Männer dürften in der Debatte nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden, sagte Matthias Enderle vom Männerrechts-Verein Manndat im Deutschlandfunk. Enderle zweifelte nach Angaben des Senders auch die Gesamtzahl der Fälle an. Der Männerrechtler meinte, tatsächliche Fälle sollten angezeigt, juristisch aufgearbeitet und die Opfer therapeutisch betreut werden.

Im öffentlichen Raum (14 Prozent) und im privaten Umfeld (13 Prozent) sind die Belästigungen laut Umfrage etwas häufiger als bei der Arbeit (10 Prozent). Von den Übergriffen im Beruf kamen die meisten von gleichgestellten Kollegen (60 Prozent) - dennoch zeigt sich auch eine Hierarchie: Belästigungen von Vorgesetzten (46 Prozent) sind häufiger als von untergeordneten Mitarbeitern (9 Prozent). In Bewerbungsgesprächen scheinen Belästigungen demnach eher selten zu sein: Hier gaben bei beiden Geschlechtern rund 90 Prozent der Teilnehmer an, noch keine schlechten Erfahrungen gemacht zu haben.

Auch vor der Politik macht die Diskriminierung keinen Halt

Mit dem Schlagwort „#MeToo“ demonstrierten online in den vergangenen Wochen bereits zahlreiche Frauen, darunter viele Stars, wie verbreitet das Problem ist: Sie berichteten von herabwürdigenden Kommentaren, unangenehmen Berührungen - und immer wieder Verharmlosung. Einige Männer bekannten sich daraufhin mit dem Hashtag „#IHave“ zu eigenen Übergriffen.

Auch vor der Politik macht die Diskriminierung keinen Halt: Das EU-Parlament kündigte an, Vorwürfe der sexuellen Belästigung in ihren Reihen extern untersuchen zu lassen. Ebenso machten Mitarbeiter der Parlamente in Großbritannien und Schweden sexuelle Übergriffe öffentlich.