Man findet sie in den Ozeanen und auch in manchen Seen: kleinste Plastikkügelchen, die Tieren – und am Ende auch dem Menschen – schaden können. Diese Partikel werden zudem vielen Kosmetikprodukten zugesetzt. Umweltschützer schlagen nun Alarm.

Stuttgart - Dass in den Weltmeeren stellenweise große Mengen an Plastikmüll schwimmen, ist mittlerweile bekannt. Doch darüber hinaus bereiten winzige Plastikteilchen den Umweltschützern Sorgen. So warnt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) jetzt vor Mikroplastik als einer „unsichtbaren Gefahr“. Die Aktion ist Teil einer europaweiten Kampagne, der sich bereits zahlreiche Umweltschutzorganisationen und Verbände angeschlossen haben. Mit dem Projekt „Blue Sea“ wollen sie erreichen, dass weniger Kunststoff-Mikropartikel in die Gewässer gelangen.

 

Besonders im Visier haben die Umweltschützer dabei Kunststoffkügelchen, die in vielen Kosmetikartikeln und Körperpflegemitteln enthalten sind (siehe die Seiten 2 und 3). Diese auf Englisch Microbeads genannten Kunststoffpartikel gelangen über das Abwasser in die Flüsse und von dort ins Meer. Zusammen mit dem Mikroplastik, das auf natürliche Weise durch die Zerkleinerung größerer Plastikteile entsteht, kann es auf vielfältige Weise die dort lebenden Tiere schädigen. Da die Partikel unverdaulich sind, können sie sich beispielsweise im Magen von Fischen anreichern – natürliche Nahrung hat dort dann weniger Platz. Auch Muscheln und andere Tiere, die ihre Nahrungspartikel aus dem Wasser filtern, nehmen die Plastikkügelchen auf.

Hinzu kommt, dass im Plastik oft Zusatzstoffe enthalten sind, um dieses weicher zu machen oder um es mit besonderen Eigenschaften auszustatten. Auch Schadstoffe können sich an die Oberfläche der Kügelchen anlagern. Vom Magen-Darm-Trakt aus gelangen diese Stoffe in den Körper, wo sie ihre teilweise problematischen Wirkungen entfalten können: Manche sind schlicht giftig, andere wirken wie Hormone – womit sie die Fruchtbarkeit beeinträchtigen können –, und wieder andere können zu Tumorerkrankungen führen. Wenn der Mensch solche belasteten Tiere isst, dann könnte er ebenfalls Schaden nehmen.

An manchen Stränden sammelt sich das Mikroplastik

Inzwischen wird auch immer deutlicher, dass solche Miniplastikpartikel nicht nur an den Meeresküsten und in den Ozeanen vorkommen, sondern auch in Seen. Hinweise darauf lieferten zum Beispiel Untersuchungen an den Großen Seen in Amerika. Dort wurden höhere Konzentrationen an Mikroplastik als in den meisten Meeresproben gefunden, wie die Forscher um Marcus Erikson berichten, die ihre Ergebnisse im Fachmagazin „Marine Pollution Bulletin“ veröffentlichten. Sie betonen auch, dass die Partikel in Größe, Form, Beschaffenheit und Zusammensetzung den Partikeln gleichen, die in Körperpflegemitteln enthalten sind. Unklar ist, wie effektiv diese Partikelchen von den Kläranlagen aus dem Abwasser entfernt werden.

Auch in Europa sind Wissenschaftler fündig geworden. So haben Forscher der Uni Bayreuth und der TU München an zwei Stränden des Gardasees Proben gezogen und vor allem am Nordufer des Sees erhebliche Konzentrationen von Mikroplastik gefunden. In den südlichen Teilen war die Belastung dagegen geringer. Ursache für die ungleiche Verteilung dürfte ein für den See typischer Wind aus Südwesten sein, die Ora.

Da Forscher der Universität Lausanne inzwischen auch am Genfer See eine deutliche Belastung der Ufer mit Mikroplastik gefunden haben, wurden im vergangenen Oktober auch Proben am Bodensee genommen. „Die Ergebnisse liegen noch nicht vor“, berichtet Herbert Löffler, der stellvertretende Leiter des Instituts für Seenforschung in Langenargen. Er fügt aber auch hinzu: „Derzeit gibt es keine Hinweise, dass am Bodensee Probleme mit Mikroplastik zu erwarten sind.“

Was ist Mikroplastik?

Größe
Die US-Wetterbehörde NOAA hat den Bereich für Mikroplastik zwischen 0,3 und 5,0 Millimeter definiert. Inzwischen wird eine feinere Unterteilung diskutiert, wobei Partikel zwischen einem und fünf Millimetern als große und solche unter einem Millimeter als kleine Mikropartikel angesehen werden. Die noch weit kleineren Nanopartikel, die in der Nanotechnologie eine Rolle spielen, werden hier nicht berücksichtigt.

Zerkleinerung
Sonne, Wind, Wellen und Strömungen bewirken, dass mit der Zeit größere Plastikstücke zerkleinert werden und auf diese Weise Mikroplastik entsteht. Dieser Prozess wird durch Bakterien und die mechanische Zerkleinerung am Ufer begünstigt.

Fasern
Beim Waschen von Kleidungsstücken, die Kunstfasern aus Acryl, Polyester und anderen Kunststoffen enthalten, werden kleine Faserstücke herausgelöst – ebenfalls eine Quelle für Mikroplastik. Bei einem einzigen Kleidungsstück können dies bis zu 1900 Fasern pro Waschgang sein.

Kügelchen
Die womöglich wichtigste Mikroplastikquelle sind Kosmetikprodukte, Zahnpasta und Körperpflegemittel: Sie enthalten kleine Kunststoffkügelchen, um die Reinigungswirkung zu erhöhen.

Bedenken gegen die Putzkügelchen

Perlen für schöne Zähne – mit diesem Motto wirbt ein Zahnpastahersteller für seine Spezialzahncreme in der zugehörigen Schrift „Informationen für anspruchsvolle Zähneputzer“. Kleine, weiche Pflegeperlen könnten „effektiv, aber sehr schonend die Bakterienbeläge und Verfärbungen bis in enge Zahnzwischenräume“ entfernen, heißt es dort. Auf diese Weise könne der Zahnschmelz seine natürliche Glätte bewahren, was die Neubildung von Ablagerungen erschwere.

Solche Putzkügelchen – im Englischen Microbeads genannt – gibt es in vielen Produkten. „In Peelings, Zahnpasten, Kontaktlinsenreinigern und anderen Reinigungsprodukten sind Mikropartikel aus verschiedenen Kunststoffen in verschiedenen Größen und unterschiedlichen Gewichtsanteilen zugesetzt“, heißt es in der Informationsschrift „Micro-Beads“, die vom Umweltprojekt „Blue Sea“ herausgegeben wird (hier geht’s zum PDF).

Besonders häufig werden den Kosmetika und Reinigungsprodukten preiswerte Kunststoffperlen aus Polyethylen (abgekürzt PE) sowie Polypropylen (PP) zugesetzt. Aber auch Nylon, Polyurethan (PUR), Polyethylenterephtalat (PET) sowie Polymethylmethacrylat (PMMA) sind vertreten. Üblicherweise sind die Kügelchen weniger als einen Millimeter groß. PE und PP findet man übrigens auch in Tragetaschen und Isoliermaterialien. Und PET ist die Basis für Getränkeflaschen.

Eingesetzt werden sie wegen ihrer abschleifenden Eigenschaften – im Fachjargon abrasiv genannt. Anders als andere mechanische „Schleifmittel“ sollen sie aber schonender wirken. Die Palette natürlicher abrasiver Stoffe ist groß: Sie reicht von Quarzsand und Bims über Tonerde und Lehm bis zu fein gemahlenen Kernen und Fruchtschalen, etwa von Oliven, Walnüssen oder Aprikosen. Auch Kochsalz und gemahlene Zuckerkristalle sind als wasserlösliche sogenannte Reibekörper geeignet. Diese Peeling-Inhaltsstoffe reinigen nicht nur, sie sollen durch ihre Schleifwirkung auch die Mikrozirkulation sowie die natürliche Abschuppung der Haut anregen.

Unerfreulich ist, das die Kunststoffkügelchen für die Umwelt problematisch sind. Über das Abwasser gelangen sie in Flüsse und Seen, wo sie die dort lebenden Tiere gefährden können. Da Umweltschützer schon länger vor den vielfältigen Folgen warnen, haben inzwischen viele Produzenten von Körperpflegeprodukten reagiert. So will zum Beispiel der Unilever-Konzern bis 2015 in allen weltweit verkauften Produkten keine Microbeads mehr verwenden.