Das Land plant vom Herbst 2017 an in Stuttgart wechselseitige Fahrverbote für Fahrzeuge mit geraden und ungeraden Kennzeichen, um die Feinstaubwerte zu senken. „Wir müssen mehr tun, alle bisherigen Maßnahmen haben nicht genug gebracht“, betont Verkehrsminister Winfried Hermann.

Stuttgart - Um den Grenzwert für Feinstaub möglichst rasch zu senken, plant das Land vom Herbst 2017 an bei feinstaubträchtigen Wetterlagen Fahrverbote in der Landeshauptstadt. Das hat Verkehrsminister Winfried Hermann am Mittwochabend in einem Gespräch mit Journalisten erklärt. „Wir müssen mehr tun, alle bisherigen Maßnahmen haben nicht genug gebracht“, betont Hermann.

 

Am Dienstagabend hatten Bürger, die am stark belasteten Neckartor wohnen, bei einer Informationsveranstaltung des Landes im Linden-Museum Sofortmaßnahmen gegen die dicke Luft gefordert. Unter dem Eindruck dieser Kritik hat das Land seinen Zeitrahmen kurzfristig verschärft. Statt im Jahr 2021 soll der Feinstaubgrenzwert nun möglichst schon von Mitte 2019 an eingehalten werden. Auslöser der vielfältigen Aktivitäten ist – wie berichtet – ein blauer Brief aus Brüssel, der rasch entschiedene Maßnahmen gegen die Krebs erregenden Partikel fordert.

Schmutzigste Kreuzung Deutschlands

Das Neckartor gilt als schmutzigste Kreuzung Deutschlands, weil der Feinstaubgrenzwert von 50 Mikrogramm je Kubikmeter Luft dort seit zehn Jahren massiv überschritten wird. „Die Messstation steht für die gesamte Achse der stark befahrenen B 14“, betont Hermann. Es gebe es auf einer Strecke von rund acht Kilometern im Stadtgebiet an stark befahrenen Straßenzügen ebenfalls hohe Feinstaubwerte.

Die nun von Herbst 2018 auf 2017 vorgezogenen Fahrverbote – wechselweise für Fahrzeuge mit geraden und ungeraden Kennzeichen – sollen das Verkehrsaufkommen an kritischen Tagen halbieren. Die rechtliche Grundlage dafür bildet der Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung. Dort heißt es unter anderem, dass die Verkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen einschränken oder verbieten können.

An Tagen mit Fahrverbot soll das Nahverkehrsangebot mit mehr Bussen und längeren Zügen in der Region massiv ausgeweitet und die Fahrkartenpreise für die Umsteiger von der Straße sollen halbiert werden. „Das notwendige Geld ist dafür besser als für Strafzahlungen an Brüssel angelegt“, sagt Hermann. Dank genauer Wetterprognosen sei es möglich, die Öffentlichkeit über die Medien rechtzeitig auf ein mehrere Tage dauerndes Fahrverbot hinzuweisen.

Bürger sollen ihr Verhalten ändern

In den kommenden zwei Jahren setzt der Verkehrsminister zunächst auf Appelle an die Bürger. Diese sollen die Luftqualität freiwillig durch Verhaltensänderungen verbessern. „Wir möchten die Bürger dazu bewegen, ihre Verhalten aus Überzeugung zu ändern“, betont Hermann. Jeder könne durch mehr Wege zu Fuß und mit dem Fahrrad oder durch eine Fahrgemeinschaft mit Arbeitskollegen dazu beitragen, das Verkehrsaufkommen um 20 Prozent zu verringern. „Appelle allein reichen sicher nicht“, meint Hermann. Es sei aber wichtig, die Bevölkerung zu sensibilisieren. Es gelte, die Stuttgarter auch dazu zu bewegen, an kritischen Tagen kein Holz in Kaminöfen zu verbrennen. In Stuttgart stünden mehr als 20 000 dieser „Landlust-Öfen“, die nicht zum Heizen benötigt würden.

Eine klare Botschaft richtet der Minister auch an das Rathaus und den Gemeinderat. „Stuttgart muss sein Radwegenetz massiv ausbauen.“ Die Radwegeplanung dürfe kein Stückwerk sein, sondern müsse strategisch ausgerichtet sein, um den mageren Radverkehrsanteil von sieben Prozent zu erhöhen. „Andere Städte geben den Faktor zehn für Radwege aus und bekommen dafür auch noch viel Lebensqualität“, so Hermann. Man sei bemüht, den Kampf gegen den Feinstaub so weit wie möglich im Konsens mit der Stadt zu führen. Es könne aber auch Weisungen geben.

Ende Juli wird Hermann das Luftreinhaltekonzept noch einmal präzisieren. Denn Brüssel moniert – wie berichtet – auch die zu hohen Stickoxidwerte in der Stadt. Als Gegenmaßnahme soll Stuttgart von 2019 an zur blauen Zone werden, in der  nur noch Dieselfahrzeuge mit blauer Euro-6-Plakette fahren dürfen. Dafür fehlt allerdings noch die rechtliche Grundlage, die das Land mit einer Bundesratsinitiative bis 2018 schaffen will.