An der Hohenheimer Straße ist der Jahresgrenzwert für Stickoxide schon nach wenigen Tagen überschritten.

Stuttgart - Dicke Luft in der Hohenheimer Straße: Dort ist der Jahresgrenzwert für den Schadstoff Stickstoffdioxid (NO2) bereits am 18. Januar überschritten worden. Bis Sonntagabend hatten die feinfühligen Sensoren der vor der Einmündung der Etzelstraße stehenden Messstation bereits 41 zum Teil weit über dem Limit von 200 Mikrogramm je Kubikmeter Luft liegende NO2-Werte registriert. Der höchste bis jetzt gemessene Stundenwert betrug 338 Mikrogramm. Diese Entwicklung ist fatal, denn seit Anfang 2010 darf der Stundengrenzwert nur noch 18-mal im ganzen Jahr überschritten werden.

 

„Bei austauscharmen Wetterlagen werden die Grenzwertüberschreitungen weiter ansteigen“, sagt Ulrich Reuter, Leiter der Abteilung Klimatologie im Umweltamt. An der von Wohnhäusern gesäumten Hohenheimer Straße sind die Verhältnisse seit Jahren besonders schadstoffträchtig: Von Januar bis Ende Dezember 2010 gab es dort 379 über dem Limit liegende Stickoxidwerte; im vergangenen Jahr waren es „nur“ 269 Übertritte – beide Werte liegen für Experten aber astronomisch hoch über dem gesetzlich Erlaubten.

Auch die Feinstaubwerte sind zu hoch

Doch damit noch nicht genug: die Messfühler an der Hohenheimer Straße liefern seit Jahren auch noch stets über dem gesetzlichen Limit liegende Feinstaubwerte . Im vergangenen Jahr waren an 38 Tagen zu viele Rußpartikel in der Luft – zulässig sind nur 35 Tage im Jahr. „Hauptverursacher der viel zu hohen Stickoxidbelastung sind das hohe Verkehrsaufkommen und moderne Dieselfahrzeuge“, sagt Reuter. Letztere stießen im Vergleich zu alten „Stinkern“ dreimal mehr NO2 aus. „Statt 0,08 kommen da 0,26 Gramm je Kilometer aus dem Auspuff.“

Auch das Stuttgarter Regierungspräsidium weist in seinem Luftreinhalteplan darauf hin, dass der Straßenverkehr bis zu 80 Prozent der Stickoxide aus den Endrohren bläst. „Eine Reduzierung kann nur durch Maßnahmen im Bereich des Straßenverkehrs erreicht werden“, heißt es in dem bereits 2006 veröffentlichten Luftreinhalteplan der Aufsichtsbehörde.

Tempo 40 soll helfen

An Gegenmaßnahmen vor Ort wird erst jetzt gedacht: In der Hohenheimer Straße soll bald bis zum Ernst-Sieglin-Platz Tempo 40 eingeführt werden. Frühere Pläne, diese Geschwindigkeitsbremse für alle Hauptverkehrsstraßen anzuordnen, wurden fallen gelassen. „Das Regierungspräsidium befürchtet Verkehrsverlagerungen in die Nebenstraßen“, so Reuter. Die Aufsichtsbehörde sei aber verpflichtet, bis Ende März weitere Maßnahmen gegen Feinstaub- und Stickoxide umzusetzen.Dass mehr getan werden muss, scheint inzwischen auch dem grünen Verkehrsministerium aufgefallen zu sein, „Die zu hohen Stickoxidwerte sind unser Sorgenkind, dagegen muss etwas unternommen werden“, sagt Sprecher Edgar Neumann. In der Hohenheimer Straße sei unter anderem geplant, die rechte Fahrspur als Standstreifen freizugeben. Bis jetzt dürfe bergauf erst von 19 Uhr an geparkt werden. „Wir haben die Stadt aufgefordert, die Freigabe der rechten Spur für das Anwohnerparken zeitlich vorzuziehen“, so Neumann. Die Änderung solle Anfang April greifen. Um die Verkehrsemissionen zu verringern, seien weitere Maßnahmen notwendig. Über konkrete Schritte werde die Staatssekretärin Gisela Splett in Kürze mit Oberbürgermeister Wolfgang Schuster sprechen.

Ministerium fordert weitere Schritte

Allein Tempo 40 dürfte an der Hohenheimer Straße die Schadstoffwolken nicht auflösen. „Die NO2-Belastung könnte dadurch um zehn Prozent abnehmen“, schätzt Reuter. Am Neckartor hingegen sind die Grenzwertüberschreitungen beim Stickoxid deutlich zurückgegangen, seitdem dort Tempo 50 mit zwei modernen Laserblitzgeräten sehr effektiv überwacht wird. „Dort wurden 2011 lediglich 76 überhöhte NO2-Werte gemessen, ein Jahr davor waren es noch 182“, so Reuter. Diese Entwicklung zeige auf, dass überwachte Tempolimits die Schadstoffbelastung senken könnten. „Um die Verhältnisse grundlegend zu verbessern, bräuchten wir allerdings eine dieselfreie Umweltzone.“

Dass mehr Maßnahmen gegen die Schadstoffschwaden ergriffen werden müssen, zeigt auch der Blick in die Statistik. Im vergangenen Jahr lagen die Feinstaubwerte an allen vier Stuttgarter Straßenmessstationen zu hoch. In Bad Cannstatt erhöhte sich die Zahl der Grenzwertüberschreitungen in der Waiblinger Straße im vergangenen Jahr sogar erheblich von 39 (2010) auf 54 Tage (siehe Tabelle). „Für diese Entwicklung gibt es noch überhaupt keine Erklärung“, räumt Reuter ein. Auch vor dem Hauptbahnhof habe sich das Feinstaubproblem verschärft. Die bedenklich hohen Werte an mehreren Stationen belegten, dass in der Stadt die Belastung auch in der Fläche sehr hoch sei.