Die UN-Resolution zum Siedlungsbau ist richtig. Doch Israel wird sich weiter isolieren, kommentiert unser Politikredakteur Knut Krohn.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Für den Frieden im Nahen Osten war 2016 kein gutes Jahr. 2017 wird noch schlechter werden. Die kommenden Monate werden vielleicht als jene Zeit in die Geschichte eingehen, in der der Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern endgültig begraben wurde. Auslöser dieser bedrohlichen Entwicklung ist ausgerechnet eine Resolution der UN, jener Organisation, die sich seit Jahrzehnten um einen friedlichen Ausgleich zwischen den Völkern im Nahen Osten bemüht. Der Sicherheitsrat hat nun überraschend die Siedlungspolitik Israels im Westjordanland und in Ostjerusalem verurteilt.

 

Dies war nur möglich geworden, weil die USA sich bei der Abstimmung enthalten hatten. Damit brach Washington mit der Tradition, Israel durch seine Vetomacht zu schützen. Die Sache hat allerdings einen fatalen Haken: Es ist die richtige Resolution zum völlig falschen Zeitpunkt. Richtig ist, Israel wegen seiner völkerrechtswidrigen Siedlungspolitik öffentlich an den Pranger zu stellen. Falsch ist, dies zu tun, wenn die gesamte Region in Flammen steht. In guten Zeiten, als konstruktive Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern geführt wurden, hätte es ein positives Signal vor allem an die arabische Welt sein können, dass die UN nach einem gerechten Ausgleich zwischen den Völkern suchen. Doch nun spielt die Resolution den Hardlinern auf beiden Seiten in die Hände.

Israel wird sich nach diesem diplomatischen Rückschlag noch stärker auf die Lehren der eigenen, leidvollen Geschichte berufen: Das jüdische Volk will nie wieder zum Opfer werden und ist überzeugt, dass es sogar im Augenblick der Todesgefahr nicht mit fremder Hilfe rechnen kann. Aus dieser Haltung heraus haben Israels Politiker eine Art radikalen Isolationismus entwickelt. In die aktuelle Politik übersetzt heißt das: Israel hat am Dienstag die Kontakte zu zehn Ländern eingeschränkt, die die UN-Entscheidung mitgetragen haben. Auch die Beschlüsse der für Mitte Januar geplanten Nahost-Friedenskonferenz werden nicht das Papier wert sein, auf dem sie geschrieben werden. Bei dem Treffen in Paris wollen Vertreter aus rund 70 Ländern über einen Ausweg aus dem Nahost-Konflikt beraten. Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman hat das Treffen nach der UN-Entscheidung als weiteres „Tribunal gegen den Staat Israel“ verurteilt.

Auch bei den Befürwortern der UN-Resolution wird sich schnell Ernüchterung breit machen. Israel wird den Siedlungsbau nicht stoppen – im Gegenteil. Das Parlament in Jerusalem wird sich nun an keine Abmachungen mehr gefunden fühlen und den Bau neuer Wohnungen ankurbeln. Die nationale religiöse Rechte drängt schon länger zur Annexion der Zone C, also 60 Prozent des Westjordanlands, womit eine Zwei-Staaten-Lösung endgültig der Vergangenheit angehören würde.

Rückhaltlose Unterstützung kann Israel bei seinen Plänen in Zukunft von den USA erwarten. Der designierte Präsident Donald Trump hat nach der UN-Resolution wütend über Twitter angekündigt, dass sich nach seinem Amtsantritt die Dinge in Sachen Vereinte Nationen ändern würden – was immer das heißen mag. Er will auch die US-Botschaft nach Jerusalem verlegen und hat einen Mann zum Botschafter in Israel ernannt, der als entschiedener Unterstützer israelischer Siedlungen gilt und ein Gegner eines palästinensischen Staates ist.

Das alles bedeutet nichts Gutes. Israel wird den Weg in die Isolation weiter gehen und sich noch stärker einigeln. Die Regierung in Jerusalem hält diese Taktik in einer feindlichen Umwelt für die einzige Lösung, um das Überleben des Staates zu sichern. Das mag auf den ersten Blick die richtige Taktik sein, ist aber langfristig die falsche Strategie. Eine Lehre der Europäer aus der Geschichte lautet: Sicherheit kann auf Dauer keinen Frieden ersetzen. Auch Israel sollte sich häufiger daran orientieren.