Projektarbeit statt Frontalunterricht: Als effiziente Alternative zur Massenvorlesung nutzen Studierende an der Universität Hohenheim das Projekt „Humboldt reloaded“.

Stuttgart - Sie haben sich mit Facebook-Profilen, hitzebeständigem Weizen oder der Altersbestimmung von Scheunenholz befasst: An der Uni Hohenheim haben im vergangenen Jahr 550 Dritt- und Viertsemester an dem Projekt „Humboldt reloaded“ teilgenommen – und 148 Forschungsprojekte bearbeitet. Das Besondere daran: die Arbeit erfolgt in Kleingruppen, wird meist von Doktoranden betreut und bringt neben Punkten fürs Studium auch Einblicke in die Forschung. Die Ergebnisse haben die Beteiligten jetzt bei einem studentischen Kongress und einer Pressekonferenz im Schloss Hohenheim präsentiert.

 

So hat etwa Julia Garbe, Studentin der Kommunikationswissenschaften, in ihrem Team untersucht, welche Beweggründe Menschen dazu treiben, sich mit einem bestimmten Bild in Facebook zu präsentieren. Dafür seien knapp 400 Personen befragt worden, es musste ein Fragebogen entwickelt und die Erhebung ausgewertet werden. Sechs bis sieben Stunden pro Woche hat die 26-Jährige im Sommersemester dafür geopfert – und fand das „voll super“. Es sei auch „gut gewesen, mal vom Frontalunterricht wegzukommen“.

Das Zeitmanagement gelernt

Auch Alexander Durach ist begeistert. Der Student der Agrarwissenschaften hatte sich für ein Projekt beworben, bei dem es darum ging, den Klimawandel mit künftigen Wetterextremen zu simulieren und herauszufinden, wie sich das auf den Weizen auswirkt. „Wir kamen zum Ergebnis, dass der Ertrag zurückgehen wird, aber abgefedert werden kann durch eine Extrazufuhr an CO2.“ Der 23-Jährige berichtete, er habe bei der Mitarbeit parallel zur Prüfungsphase vor allem Zeitmanagement gelernt. Und, neben Erntemethoden, auch korrektes Zitieren. „Man erhält Einblicke in ein Thema, aber auch in die Forschung, die sich vom normalen Studium unterscheidet.“

Die Biologiestudentin Anna Dax hatte, gemeinsam mit Studenten der Archäologie und der Architektur, das Alter einer Holzscheune in Deizisau bestimmt. „Die Arbeitsschritte musste man erst üben.“ Anders als bei den Großveranstaltungen im Hörsaal, „wo alles so übermächtig ist“, habe sie sich bei dem Gruppenprojekt einbringen können.

Vor allem Biologen interessiert

„Das Konzept funktioniert“, stellte Michael Kruse fest, der Prorektor Lehre. Es gehe darum, den Studierenden möglichst frühzeitig einen Zugang zur Forschung und entsprechenden Arbeitsweisen nahezubringen. Allerdings sei das Interesse an den Projekten in den drei Fakultäten sehr unterschiedlich, berichtete Julia Gerstenberg, die „Humboldt reloaded“ koordiniert. So hätten in der Biologie 97 Prozent der Studierenden teilgenommen, in den Agrarwissenschaften die Hälfte, und in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gerade mal knapp ein Fünftel. Dabei könnten sich die Teilnehmer die Projekte anrechnen lassen – als Alternative zu einer Massenvorlesung mit 800 Leuten.

Ermöglicht wird das Projekt seit zwei Jahren durch den Zuschlag beim bundesweit ausgeschriebenen Qualitätspakt Lehre. Acht Millionen Euro erhält die Uni dafür, befristet auf fünf Jahre. Davon könne man 25 Mitarbeiter finanzieren, berichtete der zuständige Professor Martin Blum. Zudem seien rund hundert wissenschaftliche Mitarbeiter, zumeist Doktoranden, in die Betreuung eingebunden.

Kruse kündigte an, man werde diese Projekte zunehmend in die Lehre integrieren: „Die Studierenden sollen lernen, eigenständig zu arbeiten.“ Man werde darauf achten, ihnen dabei möglichst große Freiräume zu lassen, auch bei ihrem methodischen Herangehen. Ziel sei auch, „dass mit solchen Projekten die Forscherkarriere auf den Weg gebracht wird“.