Wissenschaftler der Universität Tübingen haben das Erbgut des Erregers der Pestepidemie um 1350 entschlüsselt.

Tübingen - An der Pest sterben noch heute rund 2000 Menschen im Jahr, vorwiegend in den USA und in Mexiko. Und immer wieder kommt es zu Epidemien, wie zuletzt in Peru, Madagaskar oder Indien. Die gute Nachricht: die Yersinia-pestis-Bakterien lassen sich mit Breitbandantibiotika gut bekämpfen. Nicht zuletzt, weil es der Wissenschaft jetzt erstmals gelungen ist, das Genom des Schwarzen Todes vollständig zu entschlüsseln, steht fest, dass moderne Medikamente auch im Mittelalter wirksam gewesen wären. Ohne sie hatte die Pest grausame Auswirkungen: Sie breitete sich zwischen 1347 und 1351 vom Schwarzen Meer über Messina, Paris bis nach London aus. Sie riss 25 Millionen Menschen in den Tod, laut der Wissenschaftlerin Verena Schünemann war das ein Drittel der damaligen Bevölkerung Europas.

 

"Die DNA erhält sich in Skeletten bis zu 100.000 Jahre lang", sagt der Genetiker Johannes Krause. Das gibt der Wissenschaft die Möglichkeit, die Erreger der Infektionskrankheiten bis zum letzten Molekül zu erforschen. Denn Infektionskrankheiten treffen die Menschheit erst seit ungefähr 10.000 Jahren. "Seit die Menschen sesshaft wurden, hatten die Krankheiten ideale Bedingungen", sagt der Juniorprofessor an der Uni Tübingen. Müll häufte sich an, die Leute brachten Tiere ins Haus, nennt der Genetiker als Ursache. Krause stellt in Aussicht, dass bald vieles zu Cholera, Tuberkulose und anderen Infektionen erforscht werden könne.

Wie befällt einen die Pest?

Als erster Erreger war die Pest an der Reihe. Als Fundstelle wählten die Tübinger Forscher einen Friedhof in London aus. Der East Smithfield Cemetery wurde nur in den Jahren 1348 bis 1350 genutzt. Somit war sehr wahrscheinlich, dass die dort begrabenen Toten der Pest zum Opfer gefallen waren. Um die 500 Individuen sind zwischen 1986 und 1988 im Auftrag des Museums of London ausgegraben worden. So war es dem Tübinger Team möglich, 100 Zähne von diesen Skeletten zu bekommen. In fünf Zähnen konnte die Pest als Todesursache eindeutig nachgewiesen werden.

Die Krankheit wird durch Flöhe übertragen, die von Ratten auf den Menschen übersiedeln. Johannes Krause umschrieb mit deutlichen Worten, wie das Bakterium den Darm der Flöhe verschließt. Wenn diese einen Menschen beißen, würden sie sich quasi in die soeben entstandene Wunde übergeben. Anschließend breiten sich die Bakterien in sieben bis zehn Tagen über den ganzen Körper aus, sie befallen Organe wie Gliedmaßen und geraten am Ende sogar bis in die Zähne.

Mittelalterliches Bakterium eng verwandt mit heutigem Erreger

In diesen haben sich im Lauf der Jahrhunderte viele Erbgutspuren versammelt. Durch moderne wissenschaftliche Methoden konnte Krause "diese Fragmente aus der komplexen DNA-Suppe herausfischen". Nur eines von 200.000 Molekülen stammte tatsächlich von der tödlichen DNA. Danach konnte das Erbgut mit Hilfe der DNA-Anreicherung mit heutigen Erregern vollständig rekonstruiert werden. Aus dem nun erstellten Stammbaum der Yersinia-pestis-Bakterien geht hervor, dass das mittelalterliche Bakterium eng verwandt ist mit dem heutigen Erreger. Auch das maximale Alter aller Pesterreger wurde bestimmt. "Der Ursprung der Pest lag in Ostasien im 13. oder 14. Jahrhundert", erklärt Krause. Jeder heutige Pestausbruch gehe darauf zurück. Krause vermutet, dass Pestausbrüche wie die Justinianische Pest, die im sechsten Jahrhundert mehr als hundert Millionen Menschen tötete, von einem bisher nicht identifizierten Pathogen verursacht wurde.

So verheerend wie im Mittelalter hat die Pest nie wieder gewütet. Lange vor der Entdeckung eines Antibiotikums haben sich die Menschen offensichtlich gegen diese Bakterien gewappnet. Laut Johannes Krause könnte dies auch mit einer "kulturellen Anpassung" zusammenhängen, also durch eine bessere Hygiene und vorbeugenden Maßnahmen wie der Einführung von Quarantäne. So mussten Schiffe für Tage oder Wochen außerhalb eines Hafens festmachen, um das Einschleppen des Erregers zu verhindern. "In Deutschland jedenfalls gibt es seit dem 19. Jahrhundert so gut wie keine Pesttoten mehr", sagt Krause.

Mit Erbgutanalyse historischen Epidemien auf der Spur

Forscher

Johannes Krause, Juniorprofessor am Tübinger Zentrum für Archäologie, ist durch seine Forschungen an Neandertalern am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig bekannt geworden. Das gesamte Erbgut des Neandertalers wurde sequenziert.

Methode

Technische Fortschritte im Bereich der DNA-Anreicherung und DNA-Sequenzierung haben die Bandbreite der Methoden zur genetischen Analyse historischer Proben dramatisch erweitert. „Mit unseren Methoden sollte es möglich sein, die Erbinformationen der Krankheitserreger unterschiedlicher historischer Epidemien zu untersuchen“, sagt Johannes Krause. So könnten Einblicke in die Evolution von menschlichen Pathogenen und deren Einfluss auf historische Ereignisse gewonnen werden.