Gegen den iranischen Filmemacher Jafar Panahi hat das Mullah-Regime Berufsverbot verhängt. Er dreht trotzdem weiter. In „Taxi Teheran“ führt er mit Fahrgästen gewitzte Gespräche über die Lage im Land.

Stuttgart - Sie können kein Taxifahrer sein“, mault der Fahrgast den Mann am Steuer an. Er hat recht. Der Fahrer, der sich in „Taxi Teheran“ ratlos zeigt, wenn man ihm Adressen in der iranischen Hauptstadt nennt, ist kein Chauffeur. Jafar Panahi ist eigentlich Filmemacher, und dass sein subversiv heiterer Film „Taxi Teheran“ auch von den Schwierigkeiten erzählt, fremden Wünschen gerecht zu werden und seinen Weg zu finden, hat einen bitterernsten Hintergrund. Das System hat Panahi als Staatsfeind ausgemacht und sechs Jahre Haft, zwanzig Jahre Berufsverbot und eine Interviewsperre verhängt. Panahi darf weder mit in- noch mit ausländischen Journalisten sprechen.

 

„Taxi Teheran“ ist also ein Film, der gar nicht erst hätte entstehen, geschweige denn ins Ausland gelangen dürfen. Es ist schon das dritte derartige Werk, seit Panahi im März 2010 verhaftet und ins berüchtigte Evin-Gefängnis, ein Folterzentrum des Mullah-Regimes, verbracht wurde, und im Dezember desselben Jahres wegen staatsfeindlicher Tätigkeit und Hetze gegen die Iranische Republik verurteilt wurde. 2011 überraschte der teils auf einem I-Phone gedrehte und auf einem USB-Stick außer Landes geschmuggelte Film „This is not a Film“ beim Festival von Cannes, 2013 lief „Closed Curtain“ auf der Berlinale.

Die Lage der Dinge als Hund

Man kann über den Stand von Panahis Verfahren nur rätseln – eine erste Berufung wurde abgeschmettert –, man kann nur atemlos zuschauen, wie der Filmemacher sich den Drohungen der Machthaber entzieht. Aber „Taxi Teheran“, der dieses Jahr in Berlin den Goldenen Bären gewonnen hat, ist kein Film der Angst oder des Hasses. Mit verschmitzter Melancholie sitzt Panahi hinterm Lenkrad, und die Gespräche mit seinen Fahrgästen über die Lage im Land pendeln zwischen fatalistischem Seufzen und änderungswilligem Schelten – etwa so, als ginge es um einen Hund, der trotz aller Erziehungsversuche noch immer viel kaputt macht. Die meisten Bilder stammen dabei von einer Kamera, die auf dem Armaturenbrett angebracht wurde und mal nach draußen, mal nach drinnen schaut. Gelegentlich greifen Panahi oder ein Fahrgast nach vorne und richten sie neu aus.

Das Ganze sieht zunächst aus wie der Echtzeit-Apparat eines Dokumentarfilms. Aber schon beim ersten Gespräch – in Teheran teilt man sich Taxis –, einem Streit zwischen einem Mann und einer Frau über den richtigen Umgang mit Verbrechern, wird deutlich, dass Panahi sich die Szenen ausgedacht hat.

Sollte das jemand trotz der Entschiedenheit der Dialoge nicht bemerken, klärt ihn der dritte Fahrgast auf. Die beiden zuvor, das seien doch Schauspieler gewesen, die habe er erkannt – und der Mann am Steuer, das sei doch Jafar Panahi: „Sie drehen hier einen Film, stimmt’s?“

Goldfische und Woody Allen

Das ist kein selbstreferenzieller Gag, es ist die Frage nach dem Wahrheitsgehalt von Film und Spiel, die Frage also, ob die Aufregung der Zensoren überhaupt lohnt. Nur wiegelt Panahi nicht ab. Seine Spielszenen scheinen auf echten Gesprächen zu beruhen, selbst das eher Groteske erscheint glaubhaft: Zwei nicht mehr ganz junge Damen steigen mit einem Goldfischglas ins Taxi und versuchen zu erklären, wie ihr Schicksal an das der Fische gebunden ist. Die Fiktion ist ganz ins Licht der Wahrhaftigkeit getaucht. Die Zensoren haben durchaus Grund, Filme ernst zu nehmen.

Der Mann, der Panahi und die Schauspieler erkennt, handelt übrigens mit raubkopierten DVDs von Filmen und Serien. Die fünfte Staffel von „The Walking Dead“ hat er ebenso im Angebot wie Klassiker von Kurosawa. Theoretisch müsste Panahi diesen Beutelschneider hassen, aber es stellt sich heraus, dass die Familie des Regisseurs einst auch zu den Kunden des Ganoven gehörte. „Ohne mich“, sagt der, „gäbe es hier keine Filme von Woody Allen!“

Ein rotzfreches Gesprächsangebot

So legt Panahi mit der leichten Hand des Humoristen Widerspruch über Widerspruch. Bald steigt seine zehnjährige, sehr clevere Nichte Hana ins Taxi und erzählt von ihrem Schulprojekt. Die Kinder sollen selbst kleine Filme drehen, wozu die Lehrerin ihnen die iranischen Zensurregeln diktiert hat. Hana liest sie vor, und wir können abhaken, wogegen Panahi in den Minuten zuvor schon alles verstoßen hat.

Dies ist ein auf eulenspiegelartige Weise rotzfrecher Film, in dem die reale Anwältin Nasrin Sotudeh, selbst Opfer staatlicher Schikane, zusteigt und mit Panahi über Hafterfahrungen spricht. Wir kommen also gar nicht dazu, zu vergessen, wie das Regime reagieren könnte. Und doch scheint „Taxi Teheran“ noch immer ein Gesprächsangebot, eine Aufforderung an die Hardliner zu sein, Menschen mit Idealen zu sehen, wo sie nur Staatsfeinde erkennen.

Taxi Teheran. Iran 2015. Regie: Jafar Panahi. Mit Jafar Panahi, Hana Saeidi, Nasrin Sotudeh. 86 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.