Warum wollte der Justizminister unbedingt auch den Tourismus haben? Wer ihn beobachtet, bekommt eine Ahnung davon.

Bruchsal - Die Nase taucht tief ins Glas und erschnüffelt die Anklänge von Litschi und grünem Paprika. Mit Kennermiene hält Guido Wolf den Sauvignon Blanc ins Licht und blickt hinüber zur badischen Weinkönigin, die gerade die Mühen des Steilhanganbaus schildert. Dann schließt er die Augen und nimmt einen tiefen Schluck.

 

So ist das also, wenn man Minister für Tourismus sein darf. Eigentlich lautet Wolfs Amtsbezeichnung ja Minister der Justiz und für Europa. Doch seit der glücklose CDU-Spitzenkandidat bei der Regierungsbildung auch noch den Fremdenverkehr hinzu bekam, herrscht plötzlich gesteigertes Interesse an einem speziellen Referat seines Hauses – dem für Tourismus.

Guido Wolf will über den Tellerrand blicken

Mit dem reinen Justizminister könnten all die Weinbauern und Marketingleute, die an diesem Freitagmorgen im Bruchsaler Schloss vor ihren Gläsern sitzen, ja auch nicht viel anfangen. Drüben, jenseits der Straße, verschanzt sich zwar hinter Stacheldraht das Bruchsaler Gefängnis – auch für diese Klientel ist Wolf zuständig. Doch hier im Gartensaal des fürstbischöflichen Schlosses geht es um Angenehmeres: Als seine erste tourismuspolitische Amtshandlung hält er ein Grußwort zur Verleihung der Weintourismuspreise 2016.

„Der eine oder andere hat ja ein bisschen geschmunzelt“, greift er den Stier bei den Hörnern und erklärt der versammelten Runde die eigenwillige Themen-Cuvée: „Es hat noch keinem Minister geschadet, in der Bandbreite der Lebenswirklichkeiten Erfahrungen machen zu dürfen.“ Es tue vielmehr jedem gut, mal über den Tellerrand seines Ressorts hinauszublicken. Und da er nun auch für Europa zuständig sei, wolle er natürlich dazu beitragen, dass der Südwesten dieses Gästepotenzial nutzen. Kurzum: „Ich bin mit den besonderen Befindlichkeiten Ihrer Branche vertraut.“

Der Justizminister taucht ein in die Zusammenhänge von Weinbau und Wirtschaft

Sodann taucht Wolf ein in die Zusammenhänge von Weinbau und Wirtschaft. Er preist die kulturellen und kulinarischen Standortfaktoren, streut Zahlen und Fakten ein, und referiert über Tourismus, als hätte er nie etwas Anderes getan. Vor allem aber beweist Wolf, dass er seinen Ruf als launig-geselliger Redner, der gern auch mal Reime schmiedet, nicht zu Unrecht hat. Das Reimen versagt er sich zwar, doch er gibt einige Anekdoten zum Besten. Wie er zum Beispiel als Aushilfsmessner im Benediktinerkloster sein Jurastudium verdiente. Da habe er besondere Kenntnisse für Weine entwickeln müssen, um den speziellen Vorlieben der Mönche gerecht zu werden. Aber auch im Wahlkampf hätten ihm seine Leute eingebläut, wo die Probleme des Steillagenanbaus liegen: „Da kannst Du mich nachts wecken, ich sage immer, dass man mehr dafür tun muss.“

Die Runde im Schloss nickt anerkennend. Schon seine Anwesenheit zeige, dass er um die Bedeutung des Themas wisse, sagt Michael Hörrmann, der Chef der Staatlichen Schlösser und Gärten. Und Andreas Braun, Geschäftsführer der Tourismus Marketing GmbH, befindet: „Sie haben klar gemacht, dass Ihnen der Tourismus am Herzen liegt, ich mach’ mir da überhaupt keine Sorgen.“ Den Segen der Weinbauern hat Wolf ohnehin – auch wenn er für sie gar nicht zuständig ist. „Wie ich Sie kenne, werden Sie das Thema mit dergleichen Intensität wie andere bearbeiten“, sagt Hermann Hohl vom Weinbauverband Württemberg.

Wieder tauchen die Nasen tief in die Gläser. Als die Weinverkostung schließlich bei Lemberger und Spätburgunder anlangt („schmecken sie das Röstaroma des Holzes?“, fragt die Weinkönigin), kommt Heiterkeit auf am Tisch des Justizministers. Eine neue Anekdote. Mit Handschlag und verbindlichen Worten überreicht Wolf die Weintourismus-Preise, und mit dem Glas in der Hand, eingerahmt von den Weinköniginnen Isabella Vetter und Mara Walz, lächelt er in die Kameras. Man beginnt zu ahnen, warum sich der CDU-Mann diese eigenwillige Mischung ausgesucht hat.

„Ach, wissen Sie, ich habe nicht darum gekämpft, aber schon eine große Affinität zu diesem Bereich“, sagt Wolf schließlich am Rand der Veranstaltung. Er habe doch schon als Landrat in Tuttlingen eine Tourismus GmbH gegründet. Man müsse das mit Leidenschaft machen – und die habe er.