Nach dem Unwetter vom Wochenende in Stuttgart und der Region schwappt eine Flut von Schadensfällen in die Betriebe der Stadt. Handwerker und Versicherungen haben derzeit viel zu tun. Und schon steht das nächste Gewitter-Wochenende vor der Tür.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Bei den Autoglasfirmen in Stuttgart kommt man dieser Tage telefonisch kaum durch. Und wenn mal jemand drangeht, lautet der erste Satz: „Wir haben keine Zeit, und es gibt gar keine Termine mehr.“ Fast schon rund um die Uhr arbeiten die Handwerker, um die Schäden an Autos zu reparieren, die am vergangenen Wochenende beim Unwetter mit Hagel beschädigt worden sind.

 

Zunächst wundert man sich, dass darunter auch die Stuttgarter Betriebe ächzen, hat es in der Landeshaupt zwar viele Unwetterschäden gegeben, vom Hagel blieb die Stadt aber verschont. „Die Kollegen in Tübingen und Reutlingen kommen mit der Arbeit ja nicht nach“, erklärt Thomas Iser, der in Möhringen eine Autoglasfirma betreibt. Bei Carglass in Reutlingen kann niemand etwas über das Arbeitsaufkommen sagen, nur so viel: „Es ist viel.“

„Die Versicherungen verteilen die Schadensfälle dann auf Handwerksbetriebe in der Umgebung“, erläutert Thomas Iser. Das ist einer der Gründe, warum viele Stuttgarter Werkstätten jede Menge zu tun haben. Aber es gibt noch eine zweite Erklärung. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Reutlingen gab Anfang der Woche den besonders betroffenen Bewohnern der Region den Tipp, sich an Handwerker in umliegenden Landkreisen zu wenden.

Kapazitätsgrenzen sind erreicht

Bei A. T. Iser machen deshalb die Mitarbeiter seit Montag reichlich Überstunden. „Wir haben am Dienstag bis drei Uhr gearbeitet und gestern bis zwei Uhr“, so Iser. Maximal vier Autos gleichzeitig könne er bearbeiten. Das Ersetzen einer Scheibe dauert zwischen 45 Minuten und zweieinhalb Stunden. „Wir haben den Hof voller Fahrzeuge aus Göppingen und Reutlingen“, beschreibt Thomas Iser die Lage. Mit bis zu 16 zusätzlichen Leuten zu seiner Stammbelegschaft, die zwischen 15 und 18 Mann liege, versuche er, die Aufträge abzuarbeiten.

Erst am 19. August bekommt man bei der Firma Autoglas Profis in Vaihingen wieder einen Termin. Nachtschichten lege man noch nicht ein, sagt eine Mitarbeiterin. Jedoch sei man an den Kapazitätsgrenzen angelangt. „Wir arbeiten vor allem für Großkunden, Autohäuser zum Beispiel, die nun hundert Fahrzeuge auf einmal gerichtet haben müssen“, heißt es bei den Autoglas Profis. Teilweise seien die Ersatzscheiben nicht mehr verfügbar. Mehr als 500 Faxe und Mails habe sie am Montag erhalten, „da kommt man kaum noch hinterher beim Bearbeiten“, berichtet die Mitarbeiterin.

Auch A. T. Iser hat Geschäftskunden wie Autohäuser und andere Firmen, die er natürlich nicht verprellen wolle, weil nun die Arbeit kaum zu bewältigen sei. Schließlich müsse der Stammkunde nach der einmalig großen Auftragsflut dem Betrieb die Treue halten. „Von denen leben wir schließlich.“ Doch die Privatauto-Besitzer drängeln. „Alle brauchen ihr Auto wieder“, sagt Iser. Da laut Iser aber auch viele der Autovermietungen Schäden haben, gebe es zudem kaum Alternativen zum eigenen, funktionierenden Wagen.

Erneute Unwetter am Wochenende

Bei den Versicherungen geht es ähnlich hoch her. Im besonders betroffenen Gebiet zwischen Stuttgart und Reutlingen seien nach dem Hagel 9000 Fälle gemeldet worden, sagt Stefanie Simon von der R+V Versicherung, „und das sind nur die bei uns gemeldeten Schäden“, fügt sie hinzu. Man erwäge, am Standort Stuttgart vorrübergehend an Samstagen Überstunden zu machen, um die Anträge abzuarbeiten.

Am Wochenende kann es wieder ähnlich turbulent am Himmel zugehen wie in den zurückliegenden Tagen. Wieder werden große Hitze und danach unwetterartige Gewitter mit Starkregen und Hagel erwartet. In Waiblingen sind daher die Hagelflieger in Alarmbereitschaft, um bei einsprechenden Wetterlagen die hagelträchtigen Wolken zu impfen, damit nur kleine Körner herabfallen, wenn es wieder gewittert.

Ein ganz anderes Donnerwetter drohte ein Kunde dem Betrieb A. T. Iser an. „Da er keinen Termin bekam, war er völlig außer sich. Er wollte herkommen und uns schlagen“, berichtet Thomas Iser. „Das wird er schon nicht tun, er war halt genervt.“