In Baden-Württemberg sind die meisten Wohnungseigentümer gegen Hochwasser, Erdbeben oder Sturm abgesichert. Andernorts sieht es dagegen ziemlich schlecht aus.

Stuttgart - Was heute Privatsache ist, sah der Staat über zwei Jahrhunderte hinweg als hoheitliche Aufgabe an: Für die Absicherung gegen Sturm, Blitz, Hochwasser und Erdbeben waren bis in die neunziger Jahre hinein in Baden-Württemberg die staatlichen Gebäudebrandanstalten zuständig. Jeder Wohnungseigentümer und Hausbesitzer musste dort eine Versicherung abschließen. Die einstige Pflichtversicherung erweist sich heute als Vorteil. Die staatlichen Anstalten wurden inzwischen zwar privatisiert, und jeder Kunde entscheidet selbst, wo er sich versichert. Aber weil die Bürger im Südwesten den Schutz gegen Elementarschäden kennen, halten sie daran fest. Nach einer Übersicht der Versicherungswirtschaft sind im Land 95 Prozent aller Gebäude gegen Überschwemmungen oder Schneedruck versichert. Das ist im bundesweiten Vergleich ein Spitzenwert. In Bayern sind nur ein Fünftel aller Gebäude abgesichert.

 

Die aktuellen Schäden gehen auch im Land in die Millionen. Die Sparkassenversicherung in Stuttgart rechnet in einer ersten Prognose mit 2500 beschädigten Gebäuden in Baden-Württemberg und einer Schadenssumme von 12,5 Millionen Euro. In Thüringen dürften doppelt so hohe Schäden entstanden sein. Dabei handelt es sich um eine grobe Schätzung, da es für eine Bilanz noch zu früh ist. Finanzielle Probleme drohen vor allem dort, wo die Versicherung wenig verbreitet ist.

Versicherungsschäden in Höhe von 1,8 Milliarden Euro

In Ostdeutschland sei zwar die Zahl der Kunden gestiegen, die gegen Elementarschäden versichert sind, sagt Andrea Heyer, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen. Nach der Jahrhundertflut 2002 hätten mehr Menschen Wohngebäude und Hausrat gegen Elementarschäden versichert. Damals beliefen sich die Versicherungsschäden auf 1,8 Milliarden Euro. Viele Haushalte erhielten aus Sicht der Verbraucherschützer aber keinen Versicherungsschutz. Die Risiken seien der Assekuranz oft zu hoch. Heyer berichtet davon, dass Kunden, die versichert waren und einen Schaden nach der Oderflut 2002 meldeten, der Vertrag gekündigt wurde.

Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stellt dies als Einzelfälle dar. „99 Prozent aller Haushalte in Deutschland können wir problemlos gegen Hochwasser und Überschwemmung versichern“, sagt eine Sprecherin des GDV. Die Versicherungen greifen dabei auf ein Verfahren zurück, das Überschwemmungsrisiken einstuft. Alle Versicherer in Deutschland teilen die Gebäude in vier Gefährdungsklassen ein. Gebäude, die in die Klasse eins und zwei eingruppiert werden, werden statistisch gesehen kaum von Überschwemmungen heimgesucht. Schwieriger wird es bei den Klassen drei und vier, die höhere Risiken aufweisen. Vor allem die Menschen, die etwa in der Nähe eines Flusses wohnen, haben es schwer, eine Police zu bekommen, sagt die Verbraucherschützerin Heyer. Nach den Zahlen der Versicherungswirtschaft liegen etwa zwei Prozent aller Gebäude in Risikogebieten. Auch in diesen Fällen könne sich der Kunde versichern, sagt die GDV-Sprecherin. Der Versicherer wolle sich vor dem Vertragsabschluss aber ein Bild von der Lage machen. Möglich ist, dass die Police nur ausgegeben wird, wenn der Kunde einen Selbstbehalt akzeptiert.

Klagen gibt es auch von Betrieben aus gefährdeten Zonen, die nur schwer Versicherungsschutz erhalten. Darauf wies gestern Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hin. Er will mit der Assekuranz darüber sprechen. Die Verbraucherschützer fordern, dass die Absicherung gegen Elementarschäden wieder Pflicht wird – so wie dies früher schon einmal der Fall war.

Kredite für Hochwasser-Opfer

Sofortprogramm Nachdem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Soforthilfe des Bundes über 100 Millionen Euro angekündigt hatte, stellte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) gestern weitere Unterstützung für Unternehmen und Privatleute in Aussicht. Die bundeseigene Bank KfW werde vom Hochwasser betroffenen Betrieben, Privatleuten und Kommunen zusätzlich 100 Millionen Euro an Kreditlinien zur Verfügung stellen. Die KfW will Betroffenen auch erlauben, dass Zins und Tilgungen für KfW-Kredite gestundet werden.

Insolvenzrecht Rösler plant eine rasche Änderungen des Insolvenzrechts. Betriebe, die das Hochwasser in wirtschaftliche Probleme stürzt, sollen längere Fristen zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erhalten. Die Eröffnung der Insolvenz könne in diesen Fällen bis Frühjahr 2014 unterbrochen werden, so Rösler. Das Wirtschafts- und das Justizministerium bereiten Änderungen vor. Die Kammern bieten außerdem Auszubildenden Unterstützung an, die wegen des Hochwassers ihre Lehrstelle verlieren. Die Kammern suchen dann Ersatz