Urlaubszeit ist Reisezeit – auch für die Redaktion. In den nächsten Wochen berichten wir deshalb nicht nur über Birkach, Plieningen, Sillenbuch und Degerloch, sondern von uns. Dieses Mal: Cedric Rehman an den Victoriafällen.

Der Blick nach unten hätte der letzte sein können. Direkt unter mir rauscht das Wasser circa 100 Meter in die Tiefe. Im Fall verwandelt es sich zu etwas, dass die Sambier donnernden Rauch nennen. Die Wand aus weißem Spritzwasser stürzt den Fels hinab, bis sie in einer Wolke aus Gischt verschwindet. Dampfschwaden steigen mir entgegen, als wären da unten die Kühltürme mehrerer Atomkraftwerke im Vollbetrieb. Feiner Nebel legt sich über alles, eine natürliche Klimaanlage, die unter freiem Himmel die schwüle Hitze Afrikas vertreibt. Es tost so laut aus der Schlucht, dass es sinnlos wäre, die Stimmbänder anzustrengen. Und doch, mir ist nach Schreien zumute. Nein, nicht weil der Blick nach unten nun tatsächlich mein letzter ist. Mein Standort ist nämlich idiotensicher.

 

Im Teufelspool mit Auserwählten

Die Fallkante reicht zur Brust wie der Rand eines Schwimmbeckens. Ich lümmele mit einer Handvoll Auserwählter im sogenannten Teufelspool, dem kleinen, zum Schwimmen geeigneten Bassin an der Fallkante und kann mein Glück nicht fassen. Von September bis Dezember ist der Wasserstand des Sambesi so niedrig, dass das Becken vom Rest der Fluten abgetrennt ist. Es besteht keine Gefahr, mit dem fließenden Wasser des Flusses in den Abgrund gerissen zu werden. Stattdessen können die Glücklichen, die das Becken gefunden haben, von der Felskante aus hinunter in die Schlucht schauen. Sie können sich sogar über sie hinausbeugen, um das Foto ihres Lebens zu machen. Aufgrund des feinen Nebels von unten, oben und allen Seiten, ist es herrlich erfrischend, in dem Becken zu sitzen oder zu planschen.

Die Sonne brennt, es herrschen eigentlich weit über vierzig Grad. Aber die Glocke von feinen Wassertröpfchen über den Viktoriafällen schirmt uns ab, so dass wir stundenlang den Ausblick genießen können. Ein freundlicher Sambier hat uns morgens beim Besuch des Nationalparks angesprochen. Wir kamen ins Gespräch über Fußball, Musik, Politik, den Sinn des Lebens. Er schien uns sympathisch zu finden, irgendwie lagen wir auf derselben Wellenlänge wie er. Also nahm er uns mit an den Ort, der ihm selbst am besten gefällt und verbrachte seinen Sonntag mit uns Fremden. Um Geld, wie manche vielleicht vermuten mögen, ging es dem Sambier nicht. Wir haben ihn eingeladen, abends mit uns zu essen. Ein Dank war das, keine Entlohnung, die eine Beleidigung gewesen wäre. Worum es dem Sambier wirklich ging, schien der Moment zu sein. Und die Freude, die Schönheit dieses einmaligen Ortes mit anderen zu teilen.