Er umgab sich mit Politikern und ließ sich als „Senator“ ehren. Nun ist ein oberschwäbischer Unternehmer vom Amtsgericht Ravensburg verurteilt worden. Das Strafmaß wegen Steuerhinterziehung und Markenrechtsverstößen blieb unter einer wichtigen Schwelle.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart / Ravensburg - Unerwartet schnell ist in Ravensburg der Prozess gegen einen oberschwäbischen Unternehmer zu Ende gegangen, der wegen seiner Verbindungen zu Politikern landesweit Schlagzeilen gemacht hatte. Nach nur einem Verhandlungstag verurteilte das Schöffengericht Christian H. wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen und 60 Markenrechtsverstößen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Zugleich muss er jeweils 50 000 Euro an die Staatskasse und an gemeinnützige Organisationen zahlen. Die Taten hätten einen „erheblichen Unrechtsgehalt“, sagte der Richter in der Begründung. Dem Urteil war eine Verständigung zwischen den Beteiligten vorausgegangen, die auch ein Geständnis beinhaltete. Dadurch verkürzte sich das ursprünglich auf acht Verhandlungstage angesetzte Verfahren drastisch.

 

Nach mehrjährigen Ermittlungen hatte die Staatsanwaltschaft Ravensburg zwei Anklagen gegen den in der Personalvermittlung und im Handel tätigen Unternehmer erhoben. Der Hauptkomplex betraf ein groß angelegtes Geschäft mit Kosmetika, die er über ein internationales Firmengeflecht erworben und vertrieben hatte. Dabei wurden laut den Ermittlern mehr als 500 000 Euro Steuern nicht abgeführt. Zudem waren die Parfüms nicht für den Vertrieb in Europa zugelassen. Die Inhaberin der Markenrechte, eine US-Firma, war auf den Verstoß aufmerksam geworden und gegen den Chef der Firmengruppe vorgegangen. In weiteren Anklagepunkten ging es um nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge und um eine angebliche Fortbildungsmaßnahme, die von der Arbeitsagentur gefördert wurde; dabei soll je ein fünfstelliger Schaden entstanden sein. Ein Teil der Verfahren wurde eingestellt, weil die leichteren Fälle nicht besonders ins Gewicht gefallen wären.

Das Geständnis übernimmt der Anwalt

In den Wochen vor dem Prozess hatte es intensive Gespräche über einen Deal gegeben. Als Voraussetzung dafür verlangte das Gericht ein „weitgehendes Geständnis“, am besten von dem Unternehmer persönlich. Der angeklagte Christian H. ließ es jedoch von seinem Verteidiger vortragen und äußerte sich in dem Verfahren fast gar nicht; auch im Schlusswort schloss er sich nur seinem Anwalt an. Dieser sagte im Plädoyer, sein Mandant habe aus dem Verfahren Vieles gelernt und einiges umgestellt. Der Großteil der Steuern – zuletzt ging es noch um etwa 300 000 Euro – sei inzwischen bezahlt. Beim Strafmaß solle das Gericht am unteren Ende des vereinbarten Rahmens bleiben, der von einem Jahr und acht Monaten bis zu zwei Jahren reichte.

Ungeachtet der Differenzen über die Höhe des Schadens sagte der Vertreter der Staatsanwaltschaft, die Anklagevorwürfe hätten sich im Wesentlichen bestätigt. Das fragliche Geschäft sei gezielt eingefädelt worden und geprägt durch einen „negativ aus dem Rahmen fallenden kriminellen Aufwand“. Zu Gunsten des Unternehmers wertete er das Geständnis, die Wiedergutmachung des Schadens und die lange Dauer des Verfahrens. Als Strafmaß beantragte er zwei Jahre, also die höchste Freiheitsstrafe, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Landesminister ziehen sich zurück

Das Schöffengericht blieb mit einem Jahr und zehn Monaten zwischen den beiden Anträgen. Der Fall sei „unglaublich komplex“, mit dem Geständnis habe der Unternehmer zur Aufklärung beigetragen, sagte der Richter. An den geplanten acht Verhandlungstagen sollten ursprünglich 30 Zeugen gehört werden; stattdessen gab es nur kurze Aussagen einzelner Ermittler. Auch die Vertreter der Finanzbehörden stimmten der Verständigung zu. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die seit 2011 laufenden Ermittlungen gegen den Firmenchef waren erst im April durch einen StZ-Bericht bekannt geworden. In der Folge hatte sich der frühere Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) als Vorsitzender des Beirats der Unternehmensgruppe zurückgezogen. Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) hatte einen Auftritt bei einem Unternehmensforum kurzfristig abgesagt. Christian H. hatte in der Region durch Veranstaltungen mit Prominenten aus Politik, Wirtschaft und Sport von sich reden gemacht; zuletzt trat dabei auch der wegen Steuerhinterziehung verurteilte FC-Bayern-Chef Uli Hoeneß auf. Zwei Titel als „Senator“, die ihm von Wirtschaftsverbänden verliehen worden waren, gab H. inzwischen ab; von den Trägern wird vorbildliches Verhalten verlangt. Zu Parteispenden des FDP-Mitglieds gaben die Liberalen keine nähere Auskunft. Als Sprecher der Firmengruppe firmiert nach wie vor der örtliche FDP-Bundestagskandidat .